Dachau:Heftig hüpfen

Das zweite große Konzert zum Dachauer Musiksommer findet bei den Zuhörern nicht die große Resonanz wie in den Jahren zuvor. Aber der Dancehall-Reggae von Mono und Nikitaman bringt 500 meist junge Leute vor dem Rathaus in Feierlaune

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Es ist still auf dem Dachauer Rathausplatz. Noch ist es leer, die Gesichter sind betreten. Gewitter liegt in der Luft. Kaum zu glauben, dass hier gleich eine deutschlandweit bekannte und gefeierte Band auftreten wird: Mono und Nikitaman. Eine Stunde später hat sich das Blatt gewendet. Die Menge springt und singt atemlos zur Musik des Dancehall-Reggae Duos. Als "tanzbare Reggaemusik mit anspruchsvollen Texten" bezeichnete Sängerin Mono sie 2011 in einem Interview. Mit ersterem hat sie Recht. Doch viel weiter reichen weder Inhalte noch Musik.

Dabei wird das Duo häufig für seine sozialkritischen Texte gelobt. Nach der Schule studierte Mono alias Monika Jaksch Kunst, lebte einige Zeit in Bristol und San Francisco, fand ihre Liebe zum Reggae und drehte einen Film über Hip Hop. Nikitaman, mit bürgerlichem Namen heißt er Nick Tilstra, wurde in den Niederlanden geboren und wuchs im Düsseldorfer Hausbesetzermilieu auf. Heute wohnen beide Künstler in Berlin. Eigentlich sind das gar keine schlechten Voraussetzungen für gute Texte. Doch die Sozialkritik der beiden Künstler kommt mit dem Vorschlaghammer daher. Im Stile von "die da oben, wir hier unten". So wie in "Das Alles". "Wenn ich König von Deutschland wär'", heißt es da, "dann gäb' es erst mal Jugendrente, weltweit freies Internet. Kiffen wär' legal und Deutschland sogar im Winter nett. Atommülllager wären verboten, weil ich ein Herz für Kinder hätt'". Und schließlich: "Wenn ich der König wär, dann gäb's nur zwei Gesetze: Erstens keine Macht für niemand, zweitens keine Talkshowgäste. Bush, bin Laden, Blair und Co kriegen kollektiv eins in die Fresse." Dazu der Stinkefinger in Richtung Garmisch-Partenkirchen, "oder wo der G-7-Gipfel nochmal genau stattfindet".

Dachau: Monika Jaksch hüpfte genauso intensiv wie ihre Zuhörer. Manchmal konnte sie vor Atemlosigkeit kaum noch reden.

Monika Jaksch hüpfte genauso intensiv wie ihre Zuhörer. Manchmal konnte sie vor Atemlosigkeit kaum noch reden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Ganze ist gepaart mit einer überbordenden Portion Sehnsucht nach dem Weltfrieden. Als Anregung dient die originelle Frage, was denn wäre, wenn Krieg wäre und keiner hinginge. "Das Schlachtfeld bleibt leer und alle gewinnen, das Leben ist schön, jaja..." Jeder hat Träume, jeder hat Wünsche, verkünden die Künstler immer wieder. Die sollen natürlich alle in Erfüllung gehen. Das Leben ist schön, ist die Nachricht. Und wir Menschen sind alle gleich. "Es ist egal, wo jemand her kommt", ruft Mono, "das Schönste ist, dass wir hier alle zusammen feiern." Da schwebt ein unsichtbares Dauergrinsen über dem Dachauer Rathausplatz. Das mag naiv und abgedroschen sein. Doch die Zuschauer lieben Mono und Nikitaman dafür.

Immerhin, im Vergleich zu dem, was der Mundart-rappende Liquid - der sich selbst "Bavarian Barbarian" nennt - vor ihrem Auftritt bietet, sind die beiden eine wahre Wohltat für die Ohren. Trotzdem klingt jeder Song irgendwie gleich. Die Beats rufen immer das selbe rhythmische Auf-und-ab-Gehüpfe hervor, sowohl im Publikum als auch auf der Bühne. Da ist nicht viel Variation. Mono, blondiert und zierlich, bleibt im Vergleich zu ihrem Partner stimmlich schwach und wirkt blass auf der Bühne. Nikitaman, mit deutlichem Dendemann-Einschlag in der Stimme, gibt sich kämpferisch.

Dachau: Mono alias Monika Jaksch heizte dem Publikum vor dem Dachauer Rathaus ein.

Mono alias Monika Jaksch heizte dem Publikum vor dem Dachauer Rathaus ein.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Es gibt in Dachau bessere Eigengewächse, deren Musik sensibler und klüger ist. Aber Kulturamtsleiter Tobias Schneider ist gelungen, was er wollte: "Auch mal ein Konzert speziell für ein junges Publikum veranstalten." Mit der Dancehall-Reggae-Band hat er ein Experiment gewagt. Lediglich 500 Zuschauer waren es am Ende, statt der 1000, die normalerweise bei Konzerten auf dem Rathausplatz das Ziel sind. Der Vorverkauf sei vor allem wegen der schlechten Wetterprognose schwierig gelaufen, sagt Schneider. Alles in allem ist er aber zufrieden mit dem Konzert. Es sei ihm wichtig, sagt er, ein musikalisches Angebot zu schaffen, das in die Breite geht. Beim nächsten Mal will er deshalb "noch eine Schippe drauflegen". Bei aller Kritik muss man Mono und Nikitaman aber eines lassen: Sie verbreiten Feierlaune. "Lasst uns die ganze Stadt wecken", ruft Mono in die entrückte Masse vor der Bühne hinein. Die lässt sich das nicht zweimal sagen.

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