Dachau / Hebertshausen:In familiärer Atmosphäre

Viele Helfer laden Flüchtlinge an Weihnachten ein

Von Anna-Sophia Lang, Dachau / Hebertshausen

Als Mansour N. zur Tür hereinkommt, ist es schon spät. Seinen Schal hat er fest um den Hals gewickelt, auf seiner Jacke sammeln sich die Regentropfen. Um 4.30 Uhr ist er aufgestanden und zu seiner Ausbildungsstelle nach München gefahren. Mansour N. ist müde. Als er Peter Barth im Gemeinschaftsraum der Asylbewerberunterkunft in Hebertshausen sitzen sieht, lacht er. Seit drei Jahren kennen sich der Asylbewerber und der Mann vom Helferkreis. Barth erinnert sich noch gut an den Tag im Mai 2013, als die ersten Flüchtlinge in Hebertshausen ankamen, an das erste, vorsichtige gegenseitige Beäugen. Heute gehört Mansour N. bei den Barths zur Familie. An diesem Heiligabend feiert der junge Senegalese zum dritten Mal mit ihnen Weihnachten.

Für die Familie ist das schon eine Selbstverständlichkeit. Man müsse sich nur kurz in die Flüchtlinge hineinversetzen, sagt Barth. Dann werde einem ganz schnell klar, wie schön es sein müsse, in einem fremden Land in familiärer Atmosphäre dabei sein zu dürfen. Es gibt viele Helfer im Landkreis, die sich an den Feiertagen hingebungsvoll um die Flüchtlinge kümmern. Wie die Weigls vom Helferkreis in Markt Indersdorf. "Wir haben immer irgendwen bei uns", sagt Irmgard Weigl. Mal an Weihnachten, mal an Silvester. In einem Jahr waren es ganze 13 Menschen, die mit den Weigls ins neue Jahr feierten. Auch Dagmar Henndorfer vom Helferkreis in Schwabhausen will an einem der Feiertage einen Flüchtling zum traditionellen Gansessen zu sich nach Hause einladen. Doch die Barths, Weigls und Henndorfers sind nicht die Einzigen: Viele Flüchtlinge leben schon seit mehreren Jahren im Landkreis und haben teils enge Kontakte zu den Helfern und ihren Familien geknüpft. Wer niemanden mit zu sich nach Hause nimmt, geht während der Feiertage und zwischen den Jahren bei den eigenen Schützlingen vorbei.

"Wir lassen unsere Asylbewerber nicht allein", sagt Dagmar Henndorfer, "auch wenn Weihnachten für sie nicht die allergrößte Bedeutung hat." Viele Flüchtlinge im Landkreis sind Muslime. Doch es gibt auch Christen unter ihnen. Einige Nigerianer aus Markt Indersdorf fahren etwa zum Gottesdienst einer nigerianischen Gemeinde in München, einige Dachauer Asylbewerber sind in einer Feldmochinger Kirche aktiv, andere gehen in Dachau zur Christmette. Für die Helfer ist es aber nicht die religiöse Bedeutung des Festes, die im Vordergrund steht, sondern die zwischenmenschliche. Viele haben in den vergangenen Wochen Adventsfeiern gemacht, bei denen Plätzchen gebacken wurden, kleine Geschenke verteilt oder Musik gemacht wurde. Die Asylbewerber der Unterkunft in der Lilienstraße in Dachau sind erst vor Kurzem eingezogen. "Wir wollen sie mit unserem Weihnachtsfest nicht bedrängen", sagt Helferin Waltraud Wolfsmüller, "da muss man sehr sensibel herangehen." Eine große Feier hat es deshalb nicht gegeben, aber der Arbeitskreis hat gemeinsam mit den Bewohnern zwei Christbäume vor der Unterkunft aufgestellt. In der Jahn- und der Kufsteiner Straße leben die Flüchtlinge dagegen schon länger. Unter ihnen sind auch Familien mit Kindern. Gerade sie, sagt Wolfsmüller, stellten in ihren Zimmern bunt geschmückte Christbäume auf. Mit den Kindern hat der Arbeitskreis schon Anfang Dezember Wunschzettel gebastelt und an einem Christbaum in der Münchner Straße aufgehängt, sodass Passanten die Briefe abnehmen und die Wünsche erfüllen konnten. "Die Kinder haben sehnsüchtig auf die Geschenke gewartet", erzählt Wolfsmüller, "die kannten das schon." Aber auch die Helfer werden beschenkt, mit selbst gebastelten Sternen, Pralinen oder anderen Kleinigkeiten. Sogar eine selbst gebackene Weihnachtstorte hat Wolfsmüller bekommen.

In der Berufsschulturnhalle, die seit zwei Wochen als Notaufnahmeeinrichtung fungiert, kümmern sich Ehrenamtliche schon seit Tagen um die gerade in Deutschland angekommenen Flüchtlinge. Sie bringen Plätzchen vorbei, beginnen mit den ersten Deutschkursen oder spielen mit den Kindern. Denn unter den Flüchtlingen sind viele Familien. Die meisten kommen aus Syrien, Afghanistan und Pakistan. Junge Männer aus afrikanischen Staaten sind dieses Mal nicht so häufig vertreten. Die Helfer erklären auch, was es mit dem Weihnachtsfest auf sich hat. "In der Turnhalle ist es ein bisschen raum- und zeitlos", sagt Christine Torghele von der Caritas, "da kriegen die Menschen kaum etwas von Weihnachten mit." Auch während der Feiertage werden die Helfer deshalb in der Turnhalle sein, mit den Kindern malen, basteln oder Musik machen und für die Erwachsenen da sein.

Waltraud Wolfsmüller ist während der Feiertage nicht in Dachau. An diesem Nachmittag schaut sie noch einmal in der Unterkunft in der Kufsteiner Straße vorbei. Die Stimmung sei unerklärlich anders an Heiligabend, sagt sie. "Es ist ein Tag, an dem man etwas zurückgeben möchte."

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