Dachau:Gute Chancen

Federal Volunteer Service First Anniversary Approaches

Die Haustechnik in einem Seniorenheim gehört zum Tätigkeitsspektrum eines Bundesfreiwilligen, ebenso der kurze Plausch mit den Bewohnern.

(Foto: Sean Gallup, Getty Images)

Anerkannte Asylbewerber dürfen sich nun um Stellen im Bundesfreiwilligendienst bewerben. Wohlfahrtsverbände im Landkreis sehen darin eine Möglichkeit, wieder mehr Ehrenamtliche zu gewinnen

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Für viele Flüchtlinge bedeutet die erste Zeit in Deutschland vor allem eins: warten. Auf die Anerkennung als Flüchtling oder auf einen Job. Zumindest der Einstieg ins Arbeitsleben könnte sich bald leichter gestalten: Seit Dezember dürfen auch anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Bis zum 31. Dezember 2018 werden bundesweit 10 000 Stellen für die neu geschaffene Kategorie "Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug" bereit gestellt. Das heißt, die Stelle soll in der Flüchtlingsarbeit angesiedelt sein oder durch Flüchtlinge besetzt werden. Grundsätzlich können sich Einheimische und Flüchtlinge bewerben. Auch das Landratsamt Dachau nimmt solche Stellen in Anspruch und sucht bereits zwei Freiwillige zur Unterstützung bei den Asyl-Aufgaben. Für Bewerbungen von anerkannten Flüchtlingen sei man offen, sagt Wolfgang Reichelt, Pressesprecher im Landratsamt. Vertreter von Maltesern, Caritas, Arbeiterwohlfahrt (Awo) und Bayerischem Roten Kreuz (BRK) im Landkreis sehen die neue Regelung ebenfalls überwiegend positiv. Doch nicht für alle eignet sich das Konzept.

Irmgard Wirthmüller, Leiterin des Fachbereichs Asyl bei der Caritas, glaubt, dass alle Flüchtlinge von einem Freiwilligendienst profitieren würden. "Für den ein oder anderen ist der Bundesfreiwilligendienst sicher eine gute Möglichkeit, Kompetenzen zu erwerben und sich weiter zu integrieren", sagt sie. Als Chance sieht sie nicht nur, dass die Flüchtlinge durch den Freiwilligendienst noch besser Deutsch lernen könnten und die deutsche Gesellschaft besser kennenlernen würden. Durch einen geregelten Tagesablauf, sagt Wirthmüller, könnten Flüchtlinge der Warteposition entgehen, in der sie sich häufig befänden. Insbesondere eine Tätigkeit im sozialen Bereich könnte außerdem ein Gefühl von Sinnhaftigkeit vermitteln, glaubt sie. Für manchen sieht sie den Bundesfreiwilligendienst auch als potenziellen Berufseinstieg. Die Erfahrung zahlreicher Einsatzstellen, auch im Landkreis, hat gezeigt, dass viele Freiwillige einige Zeit nach ihrem Dienst als hauptamtliche Mitarbeiter im jeweiligen Berufsfeld einsteigen.

Bei den Maltesern, deren zentraler Standort zwar in Gräfelfing im Landkreis München liegt, die aber auch in Dachau tätig sind, arbeiten bereits mehrere Flüchtlinge auf geringfügiger Basis. Peter Ortner vom Fahrdienst kann sich auch sehr gut vorstellen, Flüchtlinge als Freiwillige einzustellen. Solange die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt seien sowie ausreichende Deutschkenntnisse vorhanden sind, "wüsste ich nicht, was dagegen spricht", sagt er. Zum Tätigkeitsspektrum gehört bei den Maltesern etwa das Essen auf Rädern, der Hausnotruf oder der Besuchs- und Begleitdienst. Eine fehlende Fahrerlaubnis ist dabei kein Hindernis, denn die Malteser sind beim Fahrdienst meist zu zweit unterwegs. "Flüchtlinge sind bei uns herzlich willkommen", sagt Ortner. Beim BRK werden die Freiwilligen in ähnlichen Bereichen wie bei den Maltesern eingesetzt. Samuel Kreysler, Leiter des Bereichs Soziale Dienste, steht dem Einsatz von Flüchtlingen als Freiwillige offen gegenüber. Gewisse Sprachkenntnisse sollten vorhanden sein, sagt er. Allerdings erwarte er nicht, dass die Flüchtlinge perfekt Deutsch sprechen. Sollte sich ein Flüchtling auf eine Stelle als Bundesfreiwilligendienstleistender (Bufdi) bewerben, würde wie bei jedem anderen Bewerber seine Eignung für die spezifische Stelle geprüft, sagt Kreysler. So seien zum Beispiel manche Stellen in der Verwaltung mit regulären Arbeitszeiten angesiedelt, andere verlangten größere zeitliche Flexibilität.

Auch Thilo Wimmer, Fachdienstleiter der Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung bei der Caritas, kann sich vorstellen, Flüchtlinge als Bufdis einzustellen. "Wenn die sprachliche Barriere nicht zu groß ist, halte ich das für möglich", sagt er. Man müsse im Einzelfall entscheiden, ob Bewerber und Stelle zusammenpassen, doch er sei "grundsätzlich offen dafür".

Maria Raabe, Leiterin der Sozialstation bei der Awo, ist zurückhaltender. "Ich lehne es nicht ab, aber ich weiß von vorneherein, dass es schwierig wäre", sagt sie. Die Mitarbeiter der Sozialstation betreuen Senioren in Dachau und Karlsfeld ambulant und sind den Tag über alleine mit dem Auto unterwegs. Das setzt nicht nur einen Führerschein voraus, sondern auch gute Ortskenntnis. Bei Flüchtlingen, die noch nicht lange im Landkreis leben, seien beide Voraussetzungen nicht gegeben, glaubt Raabe. Auch mangelnde Deutschkenntnisse sieht sie als Problem. Aus Erfahrung wisse sie, dass die von der Sozialstation betreuten Senioren häufig misstrauisch auf Personal reagierten, das nicht fehlerfrei Deutsch spreche. Es sei auch schon vorgekommen, dass die Betreuung aus diesem Grund abgelehnt worden sei.

Eine ganz andere Erfahrung teilt Raabe aber mit vielen sozialen Einrichtungen im Landkreis: Sie hat zunehmend Probleme, genügend Freiwillige für alle zu vergebenden Stellen zu finden. Im vergangenen Jahr hat sich bei ihr gar niemand beworben. Immer mehr Stellen für Freiwillige werden deshalb im gesamten Landkreis gar nicht besetzt. Ob Flüchtlinge diese Lücke schließen könnten, mag niemand voraussagen. In den meisten Einrichtungen beginnt der Bundesfreiwilligendienst im September. Die Bewerbungsphase jedenfalls läuft schon.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: