KVD Dachau:Gegen den Stillstand

KVD 1984

Der Raum des KVD-Chronisten Andreas Kreutzkam in der Ausstellung im ehemaligen MD-Verwaltungsgebäude erzählt vom großen Umbruch im Jahr 1984.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Ausstellung der Künstlervereinigung Dachau belegt, wie erforderlich eine zentrale Halle auf dem Areal der MD-Industriebrache ist.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Geschichte der Dachauer Kulturpolitik ist eine der glücklichen Zufälle, Seltsamkeiten und späten Einsichten. Man muss dazu nur den Raum von Andreas Kreutzkam in der aktuellen Ausstellung der Künstlervereinigung Dachau (KVD) auf dem Gelände der ehemaligen MD-Papierfabrik betrachten: Der Chronist der KVD hat einen ganzen Raum als eine Installation aus Zeitungsausschnitten und Dokumenten gestaltet. Schlag- und Reizworte lassen Debatten, heftige Auseinandersetzungen, gegenseitige Unterstützung und auch Verbrüderungen zwischen Kunst und Kommunalpolitik aufblitzen.

Das zentrale Reizwort ist eine Zahl: 1984

Das zentrale Reizwort ist bereits der Ausstellungstitel: "1984". In diesem Jahr begann der große Umbruch der KVD. Mit einer Ausstellung im Dachauer Schloss setzte sie sich von der Kunstauffassung der Nachkriegszeit in Stadt und Landkreis ab; vor allem von der offiziellen Bevorzugung all derjenigen, die Landschaften im Stil der ehemaligen Künstlerkolonie malten. Die damals jungen KVD-Mitglieder wie Bruno Schachtner, Heinz Eder, Karl Halt-Trossbach oder Hans-Jürgen Kleinhammes, ein damals schon prominenter Vertreter der neuen Landschaftsmalerei, gestalteten eine Ausstellung, bei der das Plakat Programm war. Es zeigte nicht das Schloss mit feudalem Herrschaftsblick auf die Ebene nach München, sondern einen Ausschnitt eines eher technischen, aber nicht minder wichtigen Details des Gebäudes: einen Lüftungsschacht in schwarz-weiß. Für sich genommen, erfüllte er den damals extrem umstrittenen Tatbestand der Abstraktion.

Der Umbruch wurde zum Durchbruch, auch weil das liberal-konservative Bürgertum, darunter zahlreiche Vertreter der Wirtschaft, die neue Atmosphäre als angenehm empfanden. Es entwickelte sich das zarte Pflänzchen einer Variante der ehemaligen Künstlerkolonie. Künstler und Kunstinteressierte bildeten eine Gemeinschaft, die sich von den früheren engen Zirkeln aus Honoratioren wie Eduard Ziegler von der Schlossbrauerei und Adolf Hölzel (Maler) durch die Offenheit des Kreises unterschied.

Die KVD bekam eine öffentlich geförderte eigene Galerie. Einige Jahre früher hatten einige Dachauer Bürger den Kunstbetrieb in einer Industriehalle in der Brunngartenstraße gegründet, der sich zu einem Treffpunkt über das Medium der bildenden Kunst entwickelte. Daraus entstand dann die noch heute bestehende kommunale Neue Galerie.

Zusätzlich entfachten Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Dachauer Künstler, der Förderkreis um die KVD und Kulturvereine wie das Forum Republik eine Debatte um eine Kunsthalle in Dachau. Es sollte ein Museumsbau entstehen, wodurch Stadt und Landkreis ihre Sammler- und Ausstellungstätigkeit um den zeitgenössischen Aspekt ergänzen sollten. Dadurch sollte der Slogan von der "Künstlerstadt Dachau" einen neuen, nicht mehr nur rückwärtsgewandten Sinn bekommen. Bei seinem ersten Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters warb Peter Bürgel (CSU) mit dem versprechen einer Kunsthalle.

Kulturpolitik der Offenheit

Das war im Jahr 2002. Die Welt in Dachau hatte sich verändert. Jetzt waren die ehemals strikten Gegner des KVD-Aufbruchs und einer Kulturpolitik der Offenheit von CSU und auch Überparteilicher Bürgergemeinschaft (ÜB) ebenfalls für mehr zeitgenössische Kunst. Jetzt waren alle für internationale künstlerische Begegnungen, wie sie die Gruppe D um Bruno Schachtner und Heinz Eder oder Heiko Klohn mühevoll und gegen Widerstände durchgesetzt hatten.

Erst vor wenigen Tagen haben die Landräte von Dachau und Oswiecim einen Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Dazu war die Überzeugungskraft von 26 Jahren Austausch zwischen den Künstlern beider Landkreise erforderlich.

Altstadt als dezentrales Kulturzentrum

OB Peter Bürgel gab die Pläne für eine Kunsthalle aus der Einsicht in neue Notwendigkeiten auf. Denn die Altstadt hatte sich wegen der wirtschaftlichen Entwicklung und in Konkurrenz zum Konsumgebiet Schwarzer Graben in Dachau-Ost zu einem Problem entwickelt. Bürgel sah die Chance, die gesamte Altstadt als dezentrales Kulturzentrum zu reaktivieren: mit der Gemäldegalerie für Freilichtmalerei, mit dem Bezirksmuseum, dazu der Kulturschranne in der einst zum (gescheiterten) kulinarischem Tempel umgebauten Kirchenschule, mit der Neuen Galerie in der Konrad-Adenauer-Straße, dem Café Gramsci, dem Wasserturm als Bürgerhaus für Kultur und dem Schloss Dachau. Dazu kommt noch das Ludwig-Thoma-Haus als einer der gängigen, multifunktionalen Bürgertreffpunkte ohne Charme.

Die Idee der Altstadt als eines zentral-dezentralen Kulturstandorts ist von den Bürgern in Stadt und Landkreis sehr gut angenommen worden. Jetzt aber hat die Künstlervereinigung Dachau mit ihrer Ausstellung unter den Besuchern der Vernissage eine Diskussion entzündet, ob es nicht doch sinnvoll wäre, der bildenden Kunst auf diesem Areal ein neue, als ideal empfundene Wirkungsstätte zu überlassen. Zurzeit bereiten Stadt Dachau und die DEG-Dachau Entwicklungsgesellschaft mbH die Konversion des 17 Hektar großen Areals zu einem neuen Stadtteil vor.

Die Kulturschranne ist nur ein Appendix

Aus Sicht der bildenden Kunst spricht einiges für eine solche Idee. Die Neue Galerie ist unzureichend untergebracht. Die beiden Wohnzimmer mit den großen Fenstern und der stickigen Atmosphäre könnten nur sehr aufwendig in eine agile Galerie umgewandelt werden. Die KVD-Galerie in der Kulturschranne ist ein Appendix an die dortige Bühne und die Gastronomie mit einem schrecklichen braun-meliertem Steinboden und provisorischen Stellwänden. Die KVD musste bereits mehrere Absagen von Künstlern hinnehmen, die den Raum mit den zahlreichen Säulen als geschmäcklerisch und betulich ablehnten.

Dazu noch das Schloss für die zentrale Ausstellung. Dort darf die KVD kulanterweise ihre Bilder und Skulpturen in braver Manier aufreihen, aber all die aktuellen Ausdrucksformen wie Installationen, Performances und gezielt architektonische Eingriffe sind nicht möglich. Nirgends - weder in der Neuen Galerie, noch in der KVD-Galerie, noch im Schloss - kann Bildende Kunst auf der Höhe der Zeit gezeigt werden. Der einfache technische Grund ist: Nirgends kann und darf gebohrt oder gehämmert und die Räumlichkeiten verändert werden. Auf der MD-Industriebrache eben schon.

Die Idee eines dezentralen Kulturzentrums in der Altstadt hatte der ehemalige Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel für sich beschlossen, während der eigentlich dafür zuständige Kulturausschuss des Stadtrats sich auf politisch problemlose Entscheidungen für Projektzuschüsse reduzierte. In den Diskussionen des Stadtrats oder auch der Bürgerbeteiligung zur Zukunft von MD spielt die Kultur nach anfänglich euphorisch vorgetragenen Anregungen (Jugendkulturzentrum, Bandräume) keine tragende Rolle mehr.

Der Status Quo ist Programm

Der Stillstand ist eingekehrt. Die Selbstzufriedenheit mit dem Status quo ist Kulturprogramm. Aber die Idee der Altstadt als dezentrales Kulturzentrum fordert geradezu heraus, das MD-Areal miteinzuschließen. Es ist die ganz große Chance. Auch und gerade angesichts eines herausragenden künstlerischen Nachwuchses, der sich wie Johannes Karl als KVD-Vorsitzender oder Agnes Jänsch als Kuratorin engagiert.

Deshalb ist es auch fraglich, ob Überlegungen, eventuell das gesamte untere Stockwerk der Kulturschranne in der Altstadt zu übernehmen, für die Künstlervereinigung tatsächlich so verlockend sind. Warum ist der sofortige Umzug auf das MD-Gelände keine Option? Die Konversion nimmt vermutlich noch sehr viele Jahre in Anspruch.

Die Ausstellung der KVD im MD-Verwaltungsgebäude ist noch bis Freitag, 18. September, zu sehen.

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