Dachau:Gedenken an ermordete Kommunisten und Juden

Landesbischof Bedford-Strohm erinnert an die ersten Opfer im KZ Dachau und kritisiert das kirchliche Versagen.

Helmut Zeller

Dachau: Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bei seiner Predigt am Sonntag in der evangelischen Versöhnungskirche in Dachau.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bei seiner Predigt am Sonntag in der evangelischen Versöhnungskirche in Dachau.

(Foto: Toni Heigl)

Kommunisten und Juden waren die ersten Mordopfer der SS im Konzentrationslager Dachau. Daran erinnerten am Sonntag die Kirchen an der KZ-Gedenkstätte in einer Veranstaltung, die sie erstmals gemeinsam mit dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern ausgerichtet hatten. Am 22. März vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Dachau errichtet, am 11. April übernahm die SS das Kommando über das Lager. Am nächsten Tag führten SS-Männer vier Juden aus dem Lager, um sie "auf der Flucht" zu erschießen. Im Gedenkgottesdienst mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in der Versöhnungskirche an der KZ-Gedenkstätte wurde der vier Opfer namentlich gedacht.

24 Jahre alt waren die KPD-Mitglieder Rudolf Benario und Ernst Goldmann aus Fürth, als sie wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem heute die Versöhnungskirche steht, erschossen wurden. Als Teilnehmer einer politischen Versammlung war der 21-jährige Würzburger Medizinstudent Arthur Kahn im März 1933 auf eine Gestapo-Liste von Kommunisten gelangt. Am 16. März wurde er exmatrikuliert und am 11. April mit einem Transport politischer Häftlinge nach Dachau gebracht. Die drei wurden sofort getötet, der Münchner Kaufmann Erwin Kahn, der keiner politischen Partei angehörte, überlebte zunächst. Er wurde in einer Notoperation in der Chirurgischen Klinik in der Nußbaumstraße in München gerettet. In der Nacht auf den 16. April wurde der 32-Jährige von seinen SA-Bewachern als lästiger Zeuge erwürgt. Sie waren die ersten der mehr als 40 000 Todesopfer des Konzentrationslagers Dachau und von Millionen Opfern des KZ-Systems in den folgenden zwölf Jahren.

Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erinnerte in seiner Predigt an das kirchliche Versagen: Das Stuttgarter Evangelische Sonntagsblatt habe im Mai 1933 die KZ-Haft als Ausdruck barmherziger Liebe beschrieben. "Das ist ein sprechendes Beispiel dafür, dass Christen nicht nur nicht gegen das Konzentrationslager protestierten, sondern es auch noch verbrämten." Der Landesbischof ehrte den politischen Widerstand: In der KZ-Haft seien oft die Besten und Tapfersten gewesen, die sich für eine bessere Welt eingesetzt hätten. Auch wenn viele nicht den Glauben an Jesus Christus geteilt hätten, sie hätten doch das deutlichere Zeichen für die Würde des Menschen gesetzt.

Deutlich prangerte er das christliche Versagen an: Wie war es möglich, dass Gläubige zwei Tage vor Karfreitag in den Kirchen der Passionsgeschichte Jesus gedachten und gleichzeitig die Augen vor dem Mord an Kommunisten und Juden verschlossen. Es gehe heute nicht um eine moralische Verurteilung derjenigen, die damals wegsahen. "Aber wir leben mit ihnen in einer Verantwortungsgemeinschaft und wir müssen uns fragen, wo wir als Kirche heute anderen das Zeugnis schuldig bleiben", sagte Bedford-Strohm. Heute würden Sündenböcke für soziale Verwerfungen gesucht, die andere Ursachen hätten. Beunruhigend sei es, dass Juden in Deutschland sich wieder unsicher fühlen müssten, ihre Repräsentanten Personenschutz nötig hätten. Der Landesbischof forderte auf, in den bevorstehenden Wahlkämpfen "sehr genau hinzuschauen", wer versuche, bei politisch schwierigen Fragen die Schuld in andere Schuhe zu schieben.

Der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer, Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees, forderte ein Verbot der rechtsextremen NPD. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit müssten geschützt werden. Max Mannheimer warnte vor der Zunahme rechtsextremer Straftaten, die zeige, dass die Naziideologie noch heute wirke. Die Zahl ist um circa vier Prozent auf rund 17 600 gestiegen, wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in diesen Tagen bekannt gab. Es sei, sagte Max Mannheimer, für uns KZ-Überlebende schmerzhaft: "Die Welt hat zu wenig aus der Geschichte gelernt."

Der Holocaust-Überlebende kritisierte die Bundesregierung, die beschlossen hat, anders als der Bundesrat keinen eigenen NPD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu stellen. Er appellierte eindringlich an die Abgeordneten des Bundestags, die noch über einen Verbotsantrag beschließen werden, ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

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