Vor dem Schöffengericht:Fahrkartenfälscher prellt Bahn um 200 000 Euro

Mit selbst gebastelten Tickets macht ein Karlsfelder jahrelang ein gutes Geschäft. Jetzt muss er dafür erneut ins Gefängnis

Von Benjamin Emonts, Dachau

Der Angeklagte ist leise und unscheinbar, ein Mittfünfziger, der auf der Straße nicht weiter auffallen würde. Die lange Vorstrafenliste und mehrere Gefängnisaufenthalte sieht man ihm nicht an. Und so unauffällig wie sein Äußeres verliefen lange Zeit auch seine unzähligen Urkundenfälschungen. Im stillen Kämmerlein präparierte der Karlsfelder in den vergangenen Jahren, durchaus begabt, Tausende Fahrkarten des Münchner Verkehrsverbundes (MVV). Er verkaufte sie weiter und verursachte der Deutschen Bahn damit einen Schaden von mehr als 200 000 Euro. Selbst ein Gefängnisaufenthalt, der 2014 endete, bewirkte keinen Wandel. Der Mann fälschte weiter und wurde wieder dabei erwischt. Das Dachauer Schöffengericht hat ihn jetzt zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Vergleich zu dem Schaden, den er vor einigen Jahren angerichtet hat, mögen die nun verhandelten zwölf tatmehrheitlichen Urkundenfälschungen mit einem Schaden von etwa 1600 Euro wie eine Lappalie erscheinen. Doch es ist das Gesamtbild mit seinem teils einschlägigen Vorstrafenregister, das den Karlsfelder vor dem Schöffengericht in eine ausgesprochen prekäre Lage bringt.

Durch Zufall erwischt

Eine Streife der Bahnsicherheit war im vergangenen September eher beiläufig auf den damals 54-jährigen Karlsfelder aufmerksam geworden. Im Zwischengeschoss des Münchner Hauptbahnhofs hatte der Mann auf Höhe der Fahrkartenautomaten unerlaubterweise eine Streifenkarte verkauft. Den Beamten kam das Verhalten des Mannes merkwürdig vor und sie riefen die Bundespolizei. Bei der Durchsuchung des Mannes tauchten 27 weitere Streifenkarten auf. Den Polizisten fiel auf, dass die Karten identische Seriennummer und unterschiedliche Formate hatten: Verdacht auf Urkundenfälschung.

In der Karlsfelder Wohnung des Angeklagten fanden die Ermittler Skalpelle, Papierschneider, Klebstoffe, Drucker, Fotopapier, einen PC und andere Utensilien, die der Mann zum Fälschen der Fahrkarten verwendet hatte. Vereinfacht gesagt, hatte er echte Streifenkarten gespaltet und die Rückseite vorne neu bedruckt. Auf Anhieb seien die Streifenkarten nicht als Fälschung zu erkennen gewesen, sagen alle Zeugen übereinstimmend.

Er hatte die Oberfläche mit Wachs präpariert

In der Wohnung wurden insgesamt 123 dieser Karten sichergestellt. Das Schöffengericht fasste sie zu Zehnerblöcken zusammen und legte dem Karlsfelder damit zwölf tatmehrheitliche Fälle der Urkundenfälschung in besonders schwerem Fall zur Last. Diebstahl und Betrug sind offensichtlich das Spezialgebiet des 55-Jährigen. Seit dem Jahr 1994 hat er acht Vorstrafen angesammelt. Er wurde mehrfach wegen Diebstahls, Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt und saß insgesamt mehr als vier Jahre im Gefängnis. Sein Lieblingsopfer war die Deutsche Bahn. Schon im Jahr 2005 war er Kontrolleuren in der Linie A aufgefallen, weil seine Streifenkarte merkwürdig aussah. Der Karlsfelder hatte die Oberfläche mit Wachs präpariert, damit er den Abdruck des Entwerterstempels entfernen und das Ticket immer wieder benutzen konnte. Und er wurde noch umtriebiger. Im Jahr 2012 wurden etliche gefälschte Fahrkarten bei dem Mann sichergestellt. Die Ermittlungen ergaben, dass er sich ein regelrechtes Verkaufsnetz für seine gefälschten Tickets aufgebaut hatte, insbesondere in der Münchner Drogen- und Alkoholikerszene. Über 18 Monate hinweg verschaffte sich der Karlsfelder nach Schätzung der Polizei ein Einkommen von mehr als 30 000 Euro. Der Deutschen Bahn soll in dieser Zeit ein Schaden von mindestens 200 000 Euro entstanden sein.

Der Karlsfelder verbrachte 17 Monate in Untersuchungshaft und kam anschließend auf Bewährung frei. Danach produzierte er sofort weiter. Ein ärztliches Attest bescheinigt ihm eine ausgeprägte Depression mit Leistungs- und Konzentrationsschwächen. "Mir geht es nicht sehr gut, seit ich die Anklageschrift bekommen habe und mir das alles bewusst geworden ist", sagt der Karlsfelder mit zitternder Stimme.

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