Winterzeit:Es wird wieder an der Uhr gedreht

Lesezeit: 3 min

Wenn in der Nacht zum Sonntag auf die Winterzeit umgestellt wird, wirkt sich das laut ADAC, Schlafforscher und Bauernpräsident kaum negativ aus. Und doch wünschen sich zwei Drittel der Bayern eine einheitliche Zeit

Von Anna-Sophia Lang und Jean-Marie Magro, Dachau

In der Nacht von Samstag auf Sonntag dreht ganz Deutschland buchstäblich am Rad. In dieser speziellen Nacht muss der Wecker um eine Stunde zurückgestellt werden. Während einige sich über eine Stunde mehr Schlaf freuen, geht den anderen das ständige Vor- und Zurückstellen der Uhren gehörig auf den Zeiger.

Das Thema Abschaffung der Zeitumstellung hat durch eine Petition von Bayerns Staatsministerin Ilse Aigner wieder Fahrt aufgenommen. Unnötige Kosten für die Wirtschaft entstünden durch die Zeitumstellung, so Aigner. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit beauftragte das Forsa-Institut, eine repräsentative Umfrage vorzunehmen. Ergebnis: Mehr als zwei Drittel der Bayern möchten die Umstellung abschaffen. 59 Prozent hätten gerne dauerhaft die Sommerzeit.

Die Zeitumstellung wurde 1980 eingeführt, um Energie zu sparen. Das Tageslicht sollte effizienter genutzt werden. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. So stellte das Bundesumweltamt klar, dass zwar abends elektrisches Licht eingespart, dafür aber mehr geheizt wird. Auch für Katja Buchta, Projektleiterin Energie beim Freien Energie Forum, einem Unterprojekt des Regionalentwicklungsvereines Dachau Agil, ist Energiesparen durch Zeitumstellung kein relevantes Thema. "Keiner kommt deshalb zu uns", sagt sie.

Probleme durch die Umstellung auf die Winterzeit ergeben sich laut ADAC dadurch, dass dann sowohl Morgen- als auch Abenddämmerung in die Zeit des Berufsverkehrs fallen. Also in die Zeit, in der Wildtiere - besonders Wildschweine - auf Futtersuche gehen und vermehrt Straßen überqueren. Die Gefahr eines Zusammenstoßes mit Wildtieren ist nach Angaben von ADAC und Deutschem Jagdverband (DJV) in den Monaten Oktober und November sowieso besonders hoch. Weil die Tiere durch das Abmähen von Maisfeldern ihren Schutz verlieren, überqueren sie auf der Suche nach neuer Deckung die Straßen.

Abgesehen davon entstehen laut ADAC durch die Umstellung auf die Winterzeit keine Probleme. Müdigkeit am Steuer und körperliche Probleme seien ausschließlich eine Konsequenz der Umstellung auf die Sommerzeit, so eine Verkehrsmedizinerin. Die Sehkraft von Autofahrern sei zwar durch den früheren Einbruch der Dunkelheit vermindert, die Statistik des ADAC weise aber keine erhöhte Unfallzahl aus, sagt ein Sprecher.

Auch bei der Deutschen Bahn löst die Umstellung auf die Winterzeit kein Chaos aus: Die Umstellung der Uhren an den Bahnsteigen funktioniert automatisch und auch Aufläufe in den Servicezentren wegen verpasster Züge seien die Ausnahme, sagt ein Sprecher der Bahn für Bayern. Die einzigen Auswirkungen: Nachtzüge blieben eine Stunde in geeigneten Bahnhöfen stehen, damit sie am nächsten Morgen nicht eine Stunde zu früh am Zielbahnhof ankommen. Die S-Bahn in München fahre außerdem in der "doppelten" Stunde zwischen zwei und drei Uhr nur einmal. "Wer zum Beispiel um 2.30 Uhr mit der S-Bahn fahren will, kann das nur beim ersten Mal 2.30 Uhr tun, aber nicht beim zweiten Mal, nachdem die Uhr zurückgestellt wurde", so der Sprecher. Deshalb seien in München nicht mehr Züge und Personal im Einsatz als normalerweise. Einer der Gründe für Aigners Petition war eine erhebliche Kosteneinsparung bei der Deutschen Bahn.

Einzig die Sonnenuhr an der Stadtpfarrkirche Sankt Jakob muss nicht umgestellt werden. Sie steht schon richtig. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Gesundheitliche Schwierigkeiten gibt es laut Experten bei der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit nicht. Nur Ausnahmegruppen wie Schichtarbeiter, beispielsweise Krankenschwestern, sind Leidtragende. Ihre Schicht verlängert sich um eine Stunde. Auch Bauern sind betroffen: Sie müssen besonders Acht auf ihre Kühe geben. Wenn diese eine Stunde länger als gewöhnlich im Stall stehen bleiben, ohne gemolken zu werden, erleiden sie große Schmerzen. Doch die Landwirte stellen sich darauf ein. "Das klappt bei uns ohne Probleme. Innerhalb von vier bis fünf Tagen ist der Übergang geschafft", sagt der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands Anton Kreitmair.

Schwerwiegende gesundheitliche Probleme bekommen Menschen jedoch eher bei der Umstellung auf die Sommerzeit. Dann hat ein Drittel der Bayern Konzentrationsschwierigkeiten. Ein Viertel ist gereizt, so die Ergebnisse der Forsa-Umfrage. "Wir sparen also keine Energie ein und jeder Fünfte hat ernsthafte Probleme. Da sollte doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit gestellt werden", sagt ein Sprecher der DAK.

Der Schlafforscher Andreas Eger vom Dachauer Klinikum ist auch für eine Abschaffung der Zeitumstellung. Im Gegensatz zur Mehrheit der Bayern möchte er jedoch die Winterzeit beibehalten, weil sie für den menschlichen Organismus die natürlichere ist. Wenn jemand Schwierigkeiten wegen mangelndem Licht habe, weil er tagsüber im Büro sitzt, könne er eine Lichttherapie machen. Diese ersetzt das Defizit an Sonnenlicht. Die Behandlungskosten werden allerdings nicht von der Krankenkasse übernommen.

Aigners Ansatz ist nicht neu. Beim Volk stößt er - wenn auch verhalten - auf Sympathie. Doch selbst ihr CSU-Parteifreund Anton Kreitmair sagt: "Wir haben zur Zeit so viele wichtigere Probleme."

© SZ vom 25.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: