Dachau:Eine Stimme der Zukunft

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Agnes Huber hat Theologie an der Universität München studiert. (Foto: oh)

Agnes Huber wird an diesem Samstag zur Pastoralassistentin der katholischen Kirche Sankt Jakob in Dachau geweiht

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Agnes Huber betet jeden Abend. Dann schaut sie zurück auf den Tag, auf das Erlebte, die Menschen, denen sie begegnet ist. Und hält Zwiesprache mit Gott. "Da ist einer, vor dem bin ich, wie ich bin", sagt sie, "vor dem ich Dank sagen kann und in dessen Hand ich die Dinge zurücklegen kann." Huber gehört mit ihren 28 Jahren einer Generation an, für die Religion meist keine große Rolle mehr spielt. Huber hingegen macht daraus ihren Beruf: Sie wird Pastoralreferentin. Seit September 2013 arbeitet sie im Pfarrverband Sankt Jakob in Dachau. Dort hält sie Religionsunterricht, predigt und ist Seelsorgerin. An diesem Samstag wird sie geweiht. Dann kann der nächste Schritt ihrer Ausbildung beginnen.

Es ist ein langer Weg: Einem Diplom-Theologiestudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München folgte der fast zweijährige Vorbereitungsdienst im Pfarrverband. Nach der Weihe kann sich Huber dann offiziell Pastoralassistentin nennen, doch bis zum Titel "Pastoralreferentin" dauert es noch weitere drei Jahre. Ein langer Weg, doch Huber steht zu ihrer Wahl. "Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem der Glaube eine große Rolle spielt", sagt sie. Als Kind war sie Ministrantin, engagierte sich in ihrer Heimatgemeinde Markt Schwaben im Landkreis Ebersberg in der Jugendarbeit und später im Pfarrgemeinderat. Die Berufswahl folgte ganz logisch. "Mir ist wichtig, dass ich meinen Glauben leben kann, weitergeben kann" , sagt sie.

Agnes Huber ist klar, dass in Deutschland immer weniger Menschen in die Kirche gehen, beten oder überhaupt gläubig sind - und dass zahlreiche Skandale Spuren hinterlassen haben. Dennoch sagt sie: "Wir brauchen die katholische Kirche." Nicht nur, weil sie viel Arbeit im sozialen Bereich leistet, sondern auch als spirituellen Orientierungspunkt. "Für mich ist Gott ein Sinn im Leben", sagt Huber, "und Glaube kann eine Antwort auf die Suche nach dem Sinn sein." Ein Sinn, von dem sie spürt, dass er den Menschen immer häufiger fehlt. Huber ist deshalb froh, dass das Innehalten Teil ihres Berufs ist. "Ich kann immer wieder zur Ruhe kommen und überlegen, ob ich auf dem richtigen Weg bin."

Auch über den richtigen Weg der katholischen Kirche macht sie sich Gedanken. Manches müsse man überdenken, findet sie. Anderes soll bleiben. Die Kirche soll sich weiter politisch einbringen, wie sie es schon heute tut, findet Huber. Zum Beispiel in der Debatte um Sterbehilfe. "Die menschliche Würde ist von Gott gegeben", sagt Huber. Das ist der kirchliche Grundsatz. Aktive Sterbehilfe ist für sie damit nicht vereinbar. "Das Leben hat Vorrang." Beim Thema Abtreibung ist sie weniger entschieden. "Man muss den Menschen und die Situation genau betrachten", sagt sie. Vielleicht kann sie sich als junge Frau das Dilemma eines Schwangerschaftsabbruchs einfach besser vorstellen. Huber behält es sich vor, eine eigene Meinung zu haben. Im Zwiespalt fühlt sie sich nicht. Die Position der Kirche zu strittigen Themen kennt und respektiert sie. "Es ist ja nicht verboten, selbst zu denken. Es kommt darauf an, wie man die Dinge kommuniziert." Huber ist diplomatisch. "Man muss den Ehe-Begriff der Kirche im Kopf behalten", sagt sie zur Homo-Ehe. "Aber meine persönliche Meinung ist, dass die homosexuelle Partnerschaft gewürdigt werden muss."

Die junge Frau ist eine Stimme der Zukunft. Sie will eine Kirche, die in der Sprache der Menschen spricht, verständlicher wird. "Menschen werden nicht mehr automatisch in den Glauben hineingeboren, wie früher", sagt sie. "Sie brauchen Anknüpfungspunkte, die mit ihrem eigenen Leben zu tun haben." Dafür arbeitet Huber an der Basis, im Pfarrverband. Dort sieht sie sich auch in Zukunft. Priesterin kann sie nicht werden in dieser von Männern gemachten Kirche. Doch selbst wenn: Es wäre keine Option. "Ich liebe es, dass meine Arbeit vielfältig und kreativ ist. Deshalb bin ich sehr zufrieden", sagt sie. Der einzige Grund ist das jedoch nicht. "Das Zölibat ist nicht allgemein schlecht", sagt Huber zwar. "Es ist eine Lebensform, die ihre Berechtigung hat." Trotzdem macht sie die Kirchenregel nachdenklich. "Sollte das Zölibat verpflichtend sein? Das frage ich mich manchmal." Eines ist klar: Ohne Familie durchs Leben zu gehen, das kann sie sich nicht vorstellen. Sie ist Teil einer neuen Generation in der Kirche. Einer, die versteht, dass sich die Kirche auf die Menschen einstellen muss, so, wie sie heute leben. Agnes Huber will Wege finden, den Glauben an die Menschen des 21. Jahrhunderts weiterzugeben, ohne an ihrer Lebenswelt vorbei zu reden. Das ist ihr großes Ziel.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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