Dachau:Eine Frage des Zutrauens

Behinderte des Franziskuswerks beweisen sich am Integrationstag

Von Andreas Förster, Dachau

Dass der erste Integrationstag des Franziskuswerks Schönbrunn am 5. Mai 2015 stattfindet, ist kein Zufall. Es ist der Europäische Protesttag für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Dieser Tag soll genutzt werden, um Unternehmen aus der Region Dachau die Chance zu geben, einem Menschen mit Behinderung ein eintägiges Schnupperpraktikum in ihrem Betrieb zu ermöglichen. Sich gegenseitig etwas zuzutrauen, das war Markus Tolksdorf, dem Geschäftsführer des Franziskuswerks, dabei besonders wichtig.

Der Integrationskindergarten Dachau hat die Möglichkeit beim Schopf gepackt. Ermutigt durch einen Artikel, in dem die SZ Dachau im März dieses Jahres das Projekt vorstellte, bewarb sich die private Elterninitiative. Insgesamt mehr als 60 Unternehmen und Arbeitgeber aus dem Landkreis Dachau wollten ebenfalls einem der 160 Beschäftigten der Werkstatt für Behinderte Menschen (WfbM) in Schönbrunn die Chance zu einem Schnuppertag im Betrieb geben.

Eine von ihnen ist Karola Hanselmann. Die 28-Jährige wurde mit Down-Syndrom geboren und lebt relativ selbst bestimmt gemeinsam mit acht ebenfalls gehandicapten Mitbewohnern in einer gemischten Wohngruppe des Franziskuswerks in Petershausen. Wochentags muss sie um 5.30 Uhr aufstehen, um rechtzeitig um 7.45 Uhr an ihrem Arbeitsplatz in Schönbrunn zu sein. Sie ist in der Hauswirtschaftsgruppe der Behindertenwerkstatt beschäftigt, hilft zum Beispiel beim Kochen und Backen in der Kantine des Franziskuswerks. Heute allerdings durfte sie etwas länger schlafen. Im Integrationskindergarten beginnt der Arbeitstag erst so richtig um 9 Uhr mit dem sogenannten Morgenkreis. Danach geht es allerdings rund bei den 30 Kindern. Zehn von ihnen haben eine leichte körperliche oder geistige Beeinträchtigung, sie werden von Heilpädagogen besonders gefördert. Ansonsten geht es zu wie in jedem anderen Kindergarten: lebendig, laut, fröhlich.

Menschen mit Handicap gehören für die Kinder hier praktisch zum Alltag. Karola fügt sich prächtig ein. Sie ist freundlich, liest, spielt und malt mit den Kindern, geht mit ihnen in den Garten und klettert sogar auf den Kletterseilen im Wäldchen. "Inklusion wird hier für die Kinder ganz natürlich erlebbar", sagt Kindergartenleiter Jochen Bormann, einer von vier Männern, die in der Elterninitiative als Erzieher und Kinderpfleger beschäftigt sind. Weil die Reaktionen von allen Seiten so positiv ausfallen, "könnte man überlegen, Karola oder einem anderen Bewohner des Franziskuswerks einen richtigen Praktikumsplatz anzubieten", so Bormann. Auch Karola könnte sich vorstellen, noch mal wiederzukommen, und wenn es nur für einen Tag ist. "Ich bin gerne mit Kindern zusammen", sagt sie und man spürt, dass es ihr wirklich Spaß macht.

Ob es einen zweiten Integrationstag geben wird, will das Franziskuswerk von den Rückmeldungen der Unternehmen und der Teilnehmer abhängig machen. Wenn es nach Karola Hanselmann geht, dann auf jeden Fall. "Das ist eine tolle Abwechslung", versichert sie, "und die Kinder sind sehr lieb." Bei Problemen hätte Karola eine Notfallnummer anrufen können. Doch an die hat sie gar nicht gedacht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: