Dachau:Ein Abend lang Weltfrieden

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Beim 29. Klangwelten-Festival treten Künstler aus ehemaligen deutschen Kolonien auf - ihre Musik begeistert nicht nur, sie lädt das Publikum zum Dialog mit anderen Kulturen ein.

Von Angelika Aichner, Dachau

Mit nacktem Oberkörper und in Baströckchen stehen die drei Männer da. Einer von ihnen bläst in ein Muschelhorn, die beiden anderen übertönen ihn beinahe mit ihren archaisch klingenden Rufen. Später spielen sie auf ihren handgefertigten Instrumenten, ein Bass, eine Gitarre, eine Ukulele, und singen leise, melodisch.

Das Trio reiste aus Papua-Neuguinea an, um beim 29. Klangwelten-Festival im Thoma-Haus in der Dachauer Altstadt mitzuwirken - genauso wie die tansanische Zawose Family und der Chinese Cheng Xing Fu. Auch wenn sie weit voneinander entfernt leben, eint sie doch eine geschichtliche Erfahrung ihrer Völker: Sie alle stammen aus Gegenden der Welt, die einmal deutsche Kolonien waren. Deswegen hatte der Harfenist Rüdiger Oppermann sie darum gebeten, sich am Projekt "Musik der deutschen Ex-Kolonien" zu beteiligen. Es gehe auch um Wiedergutmachung, erklärte er dem Publikum im ausverkauften Saal des Thoma-Hauses. Zumindest doch um eine Anerkennung des Leids der kolonisieren Völker, vielleicht auch um eine längst fällige Korrektur des eurozentrischen Blicks.

Der Höhepunkt eines besonderen Abends: Cheng Xing Fu, Trio Papua, Terrence Ngassa, Rüdiger Oppermann und die Zawose Family musizieren gemeinsam. (Foto: Toni Heigl)

Die Musik der Papua sei für die Kolonialherren bloß Gekreische gewesen und die Musiker selbst keine Menschen, sagt Oppermann. "Weil die Deutschen es kaum aushielten, in fremden Kulturen zu leben, stülpten sie den Menschen ihre Vorstellungen über, auch das typisch Deutsche, wie gerade Straßen und geregelte Arbeitszeiten." Manche Lieder des Trios Papua klingen ein wenig wie volkstümliche deutsche Lieder - diese Melodien hätten sie aber bereits vor der Kolonialisierung gespielt, erklärte Oppermann. Er tat gut daran, zwischen den einzelnen Stücken über die Kolonialzeit zu referieren - damit das, was damals geschah, nicht in Vergessenheit gerät. So erzählte er auch von der tansanischen Stadt Bagamoyo. "Lass dein Herz fahren", bedeutet das Wort. Bagamoyo war ein wichtiges Handelszentrum für Sklaven; von dort wurden sie in arabische Länder verschleppt. Wer hier angekommen sei, habe gewusst, dass er nie mehr frei sein werde, sagte Oppermann. In dieser Gegend lebt die Zawose Family. Drei ihrer Mitglieder traten am Freitag nach dem Trio Papua auf. Sie zupften die metallenen Lamellen der Likembe, eines traditionellen afrikanischen Zupfzungenspiels. Gerade die dadurch erzeugten feinen Töne fand das Publikum gut. Ein paar klatschten zum Lied, die meisten starrten stumm auf die Bühne, fasziniert von dem, was da geboten wurde.

Die feinen Töne der Zawose Family aus Tansania gefielen dem Publikum. (Foto: Toni Heigl)

Ähnlich leise war es, als Cheng Xing Fu auf der chinesischen Flöte Hulusi das herzzerreißend schöne "Liebeslied im Bambuspavillon" vortrug. Der Musiker lebt in der Nähe der Hafenstadt Qingdao, die auch von deutschen Kolonialherren beherrscht wurde. Dort ließen sie eine Brauerei errichten, weil sie nicht auf ihr Bier verzichten wollten. Die Brauerei Tsingtao ist mittlerweile die größte in China. Das Trio Papua, die Zawose Family und Cheng Xing Fu begeisterten das Publikum mit ihren Auftritten. Der großartigste Moment des Abends aber war jener, als sie gemeinsam mit dem Harfenisten Oppermann und dem Jazz-Trompeter Terrence Ngassa musizierten. So verschieden die einzelnen Auftritte auch waren - der musikalische Dialog gelang. Musiker aus verschiedenen Kulturen kombinierten ihr Spiel zu einem stimmigen Ganzen. Und man begriff, dass es an diesem Abend nicht bloß um die Musik ging, es war im Grunde ein politisches Programm. "So sieht Weltfrieden aus", sagte eine Konzertbesucherin.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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