Dachau:Ehrenamtsempfang gegen die soziale Kälte

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Dachaus Oberbürgermeister bezieht klar Position und beeindruckt die 166 Besucher der SPD-Veranstaltung im Ludwig-Thoma-Haus.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Zunächst freute sich der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll, dass 166 ehrenamtlich tätige Menschen aus dem ganzen Landkreis, also "Sie alle zu uns", er meinte seine Partei, in das Ludwig-Thoma-Haus gekommen waren, "damit ich mich bedanken kann". Mit dieser kleinen Ansprache war der Sinn des Abends in Dachau für Ehrenamtliche aus dem ganzen Landkreis vollends erfüllt. Denn die Zuhörer genossen die Ansprache des Politikers, der in Hilgertshausen lebt und selbst ehrenamtlich engagiert ist. Mehr Ansprachen hätte es eigentlich nicht gebraucht, um das Buffet zu eröffnen.

Außerdem gestaltete das Team um den Landtagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden das Ambiente so parteiunabhängig wie möglich. Dabei war der Veranstalter nicht nur die Dachauer SPD, sondern auch die bayerische Landtagsfraktion. Eine Ausstellung des Landratsamts mit dem Titel "Gesicht zeigen" signalisierte, dass die SPD dieses Treffen nicht als Forum der Parteipolitik verstand.

Vereine aus dem kulturellen und sozialen Bereich

Zusätzlich sang Constanze Müller, begleitet von Marcus Steinlechner, bekannte Songs (Beyoncé und Lorde) in einer ganz eigenen stillen Form, die in der Paraphrasierung teilweise jazzig war und damit Hits wie "Dancing in the moonlight" (King Harvest) das Aufgeregte nahm. Dass Güll zu Beginn die Zuhörer bat, sich zunächst noch ein Lied anzuhören, bevor es ans Reden ging, passte dazu, dass er vornehmlich Vereine aus dem kulturellen und sozialen Bereich eingeladen hatte. Die Rettungsorganisationen bekommen unter dem Titel "Blaulicht" noch einen eigenen SPD-Empfang.

Die Rede von Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann war das große Gesprächsthema auf dem SPD-Ehrenamtsempfang. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Stimmung war also dezent gelöst und nicht weiter erwartungsvoll, als der zweite Redner ans Pult auf der Bühne trat. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sollte ein Grußwort sprechen. Ihm gelang die Rede des Abends. Nicht, weil er damit kokettierte, kein kurzes, sondern ein langes Referat über die Grundbedingungen des Ehrenamts in heutiger Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Dachau halten zu wollen. Nicht nur, weil er sich wie Güll artig für das Engagement der Anwesenden bedankte. Vielmehr trafen seine Worte über eine zunehmend fehlende Wertschätzung des Ehrenamts die Gefühlslage der meisten Zuhörer. Und die zeigten sich von dem jüngsten Oberbürgermeister Deutschlands beeindruckt.

Wenn Ehrenamtliche für ihr Engagement angegriffen werden

Hartmann berichtete von Mails an ihn, in denen er aufgefordert wurde, dafür zu sorgen, dass Ehrenamtliche "Flüchtlinge absaufen lassen sollten" anstatt ihnen zu helfen. Und er fragte: "Wie steht es um unsere Gesellschaft, wenn Ehrenamtliche angegangen werden?" Unabhängig von solchen, wie er sagte, "Extrembeispielen", warnte er vor einem politischen und sozialen Klima, welches geeignet sei, das Zusammenleben massiv zu verschlechtern. Dass eines der reichsten Länder der Welt über einen Mindestlohn von 8,50 Euro überhaupt debattierte, bezeichnete er als bestürzend und als Indiz für eine aufkommende soziale Kälte. Dagegen kämpfen die vielen Ehrenamtlichen insbesondere im sozialen und kulturellen Bereich gerade an. Sie wollen den Zusammenhalt stärken.

Der Empfang der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag für Ehrenamtliche in Stadt und Landkreis Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Viele hatten Hartmann noch nie gehört, weil sie nicht in Dachau leben. Seine kurze Rede war das Gesprächsthema des Ehrenabends. Allerdings musste und wollte auch noch der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Markus Rinderspacher, reden. Weitschweifig dozierte er über die soziale und politische Lage in der Welt. Dabei hätte sein Hinweis völlig gereicht, dass in Bayern jedes Jahr 7,1 Millionen Arbeitsstunden ehrenamtlich geleistet werden. Bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro sind das an die 60 Millionen Euro. Die Daten sind Beleg genug, dass anscheinend noch andere Werte gelten als die sogenannte "Selbstoptimierung", vor der Rinderspacher warnte.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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