Dachau:Die Vielfalt zählt

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Der Landfrauenchor beeindruckt durch seinen Auftritt in Tracht und eine gelungene Liedauswahl. (Foto: Toni Heigl)

Auf dem Landfrauentag im Dachauer Schloss betont Kreisbäuerin Emmi Westermeier, wie wichtig es ist, geschlossen aufzutreten und die Zukunft zu gestalten. Festrednerin Ulrike Müller appelliert an die Landwirtinnen, Naturräume zu pflegen und Ressourcen zu schützen

Von Manuel Kronenberg, Dachau

Beim Outfit gab es ein kleines Problem. "Ich habe mich so gefreut, dass ich heute hier sein darf", sagt die Europaabgeordnete Ulrike Müller zu Beginn ihrer Rede auf dem diesjährigen Landfrauentag in Dachau. Und sie hatte schon geplant, wie sie sagt, sich in eine schöne Tracht zu kleiden. Doch das klappte leider nicht.

Ulrike Müller (Freie Wähler) ist ehemalige Oberallgäuer Kreisbäuerin und Ehrengast im Schlosssaal. Sie hält das Festreferat zum Thema "Vielfalt leben" und ist deswegen ausnahmsweise mal in Dachau zu Besuch. Normalerweise hält sie sich in Brüssel auf. Und dort geht wohl momentan ein Grippevirus um. "Jetzt bin ich total erkältet", sagt Müller mit deutlich angeschlagener Stimme. Trotzdem will sie es sich nicht nehmen lassen, im Dachauer Schloss zu den Landfrauen aus dem Landkreis zu sprechen. Da mussten eben ein Schal und eine Jacke her, eine Tracht war ihr wohl einfach zu luftig.

Nicht so ihren Landfrauen-Kolleginnen Emmi Westermeier, Kreisbäuerin, und Roswitha Göttler, Westermeiers Stellvertreterin. Ganz traditionell gekleidet eröffnen sie den Landfrauentag mit einer moderierten Grußwortrunde. Auch das hat mittlerweile Tradition. Vier Ehrengäste stellen sich den Fragen von Westermeier und Göttler, darunter Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU), Kreisrätin Marese Hoffmann (Grüne), Esther Veges vom Landschaftspflegeverband und Anton Kreitmair (CSU), Landtagsabgeordneter und oberbayerischer Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes. Sie sind nicht die einzigen Ehrengäste. Bäuerinnen aus dem Landkreis und Kommunalpolitiker sind zahlreich erschienen.

Bei der Fragerunde dreht es sich - wie das Motto der Veranstaltung schon verrät - um das Thema Vielfalt. Und darum, wie mit Vielfalt in der Landwirtschaft umzugehen ist. Der Tenor: Man müsse die richtige Balance finden, zwischen Werten wie Heimat und Tradition auf der einen und Pluralität und Offenheit auf der anderen Seite.

Westermeier betont in einer kurzen Rede nach der Fragerunde, wie wichtig es sei, als Bauernverband geschlossen aufzutreten, sich einzubringen und die Zukunft zu gestalten. Die Landwirtschaft habe viel geleistet, aber darauf dürfe man sich jetzt nicht ausruhen, sagt die Kreisbäuerin. Sie führt lange aus, wie wichtig und vor allem bereichernd das Ehrenamt sei. Zum Schluss ihrer Rede richtet sie einen Appell an die anwesenden Landfrauen: Im Herbst sind Verbandswahlen, "es werden viele Bäuerinnen und Bauern gebraucht". Nur so könne man die Herausforderungen der Zukunft meistern.

Ähnlich sieht das auch Europaabgeordnete Ulrike Müller, die selbst Erfahrung in der Landwirtschaft hat, da sie zusammen mit ihrer Familie einen Bauernbetrieb im Oberallgäu führt. Man müsse die Chancen der Vielfalt in der Landwirtschaft nutzen, sagt sie, aber auch die Herausforderungen erkennen und meistern. Denn nicht zuletzt hat die Landwirtschaft vor allem unter einem zu leiden: unter der Vielfalt der Konsummöglichkeiten für die Verbraucher, den immer sinkenden Preisen und dem bei vielen Menschen verloren gegangenen Wissen, was richtige Ernährung bedeutet. Deshalb, so fährt Müller fort, liege es an den Landwirten und Landfrauen, die vielfältigen Naturräume zu pflegen. Dazu bedürfe es Familienbetriebe, die die Entwicklung des Bauernhofes im Blick haben und sich mit kommenden Generationen abstimmen, um nachhaltig zu wirtschaften und Ressourcen schützen.

Beim Thema Familienbetrieb kennt sich Müller aus. Sie ist gerade Oma geworden, erzählt sie, und bei ihr Zuhause sind gleich vier Generationen unter einem Dach. Überhaupt plaudert sie viel Persönliches aus. Da ist zum Beispiel die Geschichte von einem Tanzkurs, den sie mit ihrem Mann besucht hat, nach 25 Jahren Ehe.

Für ihre humorvolle Art erntet sie viel Applaus. Müller geht aber auch auf ernste Fragen ein. Viele - vor allem junge Leute - haben eine ganz falsche Vorstellung davon, was Vielfalt überhaupt bedeutet, sagt sie. Man müsse den ideologischen Tunnelblick ablegen. Der ländliche Raum befinde sich in einem Spannungsfeld: Flächenverbrauch eindämmen, Artenvielfalt erhalten, dezentrale Energieversorgung und attraktive Arbeitsplätze schaffen. Alles Forderungen, die sich teilweise widersprechen, klagt Müller. Das liege daran, dass immer weniger Menschen mit Landwirtschaft in Berührung kommen. Der Bauernverband müsse deshalb geschlossen auftreten und ein Bewusstsein für die Interessen der Landwirte schaffen.

Zum Schluss zieht die ehemalige Kreisbäuerin eine Parallele zur Flüchtlingssituation. Sie will zwar keine Position beziehen, sagt sie, dennoch spricht sie lange über die derzeitige Uneinigkeit in der EU. In Vielfalt geeint, dieser Leitspruch müsse wieder gelten, fordert sie. "Denn Vielfalt ist eine Bereicherung. Und Vielfalt leben ist erfüllend."

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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