Dachau:Die Teilzeit-Chefin

Dachau: Bei ihr macht jede Mitarbeiterin das, was sie kann, und so viel, wie sie Zeit hat: Madlon Graßmann, Inhaberin und Gründerin einer IT-Jobbörse.

Bei ihr macht jede Mitarbeiterin das, was sie kann, und so viel, wie sie Zeit hat: Madlon Graßmann, Inhaberin und Gründerin einer IT-Jobbörse.

(Foto: Toni Heigl)

Madlon Graßmann kann nach der Elternzeit bei ihrem Arbeitgeber nicht flexibel arbeiten. In der Not gründet sie selbst erfolgreich ein Unternehmen - und stellt andere Mütter ein.

Von Andreas Förster, Dachau

Madlon Graßmanns Weg in die Selbständigkeit beginnt mit einer Enttäuschung: Die angestrebte flexible Beschäftigung findet beim Arbeitgeber keinen großen Anklang. Nach der zweijährigen Elternzeit ist sie in ihrem Pharma-Unternehmen irgendwie verzichtbar geworden. Obwohl sie zu den besten gehört, Auszeichnungen bekam, mit 31 Jahren die jüngste Regionalleiterin wurde. "Aber in zwei Jahren kann eine Menge passieren", sagt Graßmann, und es klingt so, als hätte die 37-Jährige Verständnis für ihren Arbeitgeber. Im Pharma-Geschäft wird eben mit harten Bandagen gekämpft.

Von wegen flexible Arbeitszeiten. Viele Unternehmen setzen auf Vollzeit. Wie schwierig eine Teilzeitstelle zu finden ist, weiß Madlon Graßmann auch aus Erzählungen ihrer Freundinnen. Madlon Graßmann steht vor einer existenziellen Frage: "Wie wird es weitergehen mit meinem Leben?" Beruf und Karriere waren ihr immer wichtig. Schon früh verdiente sie mit Babysitting, als Messe-Hostess und in der Gastronomie ihr eigenes Geld. Das Medizin-Studium in Leipzig brach sie nach dem Physikum ab, wurde Arzthelferin und Pharmaberaterin. In Stuttgart bekommt sie ihren ersten Fulltime-Job im Vertrieb. Kurze Zeit später bietet man ihr die Chance, die Regionalleitung für Oberbayern zu übernehmen - inklusive einem Team von zehn Leuten. Madlon Graßmann greift zu und zieht mit ihrem Mann nach Dachau.

Nur Mama sein reicht ihr auf Dauer nicht

Dann der bewusste Einschnitt: 2011 kommt die erste Tochter zur Welt, 2012 die zweite. Doch nur noch Mama sein, das reicht ihr auf Dauer nicht. Warum also nicht etwas Eigenes auf die Beine stellen? Ihre Vision: "Etwas, das Spaß macht, bei dem ich mein Vertriebs-Know-how einbringen kann und zeitlich flexibel bin." Durch ihren Mann, der sich mit einem Startup-Unternehmen selbständig gemacht hatte, weiß sie, was eine Unternehmensgründung mit sich bringt. Durch ihn kennt sie auch die Probleme, gute, seriöse und bezahlbare IT-Fachkräfte zu finden. Daraus entsteht die Idee, eine spezielle Jobbörse zu entwickeln, um dieser Personalnot gezielt Abhilfe zu schaffen. Die Idee von AllDevs ist geboren. "AllDevs steht für All Developers, also alle Entwickler", erklärt Madlon Graßmann den Namen ihres Job-Portals. "Unser Anspruch ist es, die besten Software-Entwickler zu vermitteln, die es in Deutschland gibt."

Dass das keine One-Woman-Show werden würde, ist ihr von Anfang an klar. Schon bald scharen sich mehr und mehr Freundinnen und befreundete Mütter um Madlon Graßmann: ein Netzwerk von derzeit sieben Frauen, die sie auf dem Weg in die Selbständigkeit unterstützen und auf lange Sicht davon profitieren wollen. "Die eine ist Personalerin und coacht mich im Umgang mit den Personal-Abteilungen der Unternehmen, die andere ist Programmiererin und hilft mir bei der Pflege der Website." Andere helfen ihr bei der Kunden-Akquise oder der Erstellung von Werbematerial. Wieder andere übernehmen die Beratungsleistungen für die Kunden, laden die Anzeigen hoch oder kümmern sich um die Kinder, wenn Madlon Graßmann einen Nachmittagstermin hat. "Jede macht das, was sie kann, und so viel, wie sie Zeit hat. Mit dem Ziel einer späteren Anstellung", so die Jungunternehmerin. Eine habe sogar nur während des Mittagsschlafs ihrer Kinder Zeit. "Auch das ist willkommen", versichert Graßmann. Für alle sei es der Traum, in einem Unternehmen mitzuarbeiten, das man von Anfang an selbst mitgestalten könne. Einmal pro Monat treffen sich die Frauen zu einem gemeinsamen Mama-Frühstück und resümieren, visionieren und brainstormen.

Es geht aufwärts

Fast eineinhalb Jahre sind seit der Gründung inzwischen vergangen. "AllDevs wird gut angenommen", versichert Madlon Graßmann. "Wir haben große Kunden wie Check24, die bei uns buchen." Ihr Unternehmen könne spezielle Wünsche des Kunden oder auch des Entwicklers sofort weitergeben. Madlon Graßmann liebt es, mit beiden Seiten zu kommunizieren. Bei ihr klingt das so: "AllDevs soll ein Dating-Portal für ITler und Firmen sein, wo am Ende jeder genau sieht, ob man wirklich zueinander passt." Irgendwann soll aus AllDevs mal eine Büro-Gemeinschaft werden, in der es möglich ist, seine Kinder mitzubringen, wo es locker und flexibel zugeht. Noch arbeiten alle von zu Hause aus. Madlon Graßmann ist derzeit auf der Suche nach einer geeigneten Location, die zentral, nicht zu groß und bezahlbar ist. Wer weiß: Vielleicht ist das ja eine Gründer-Idee für ein neues Start-up: eine Suchmaschine speziell für günstige Gewerbeimmobilien in zentraler Lage. Interesse gibt es sicher genug.

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