Dachau:Die resche Kruste

Form und Aussehen, Geruch und Geschmack: Brotprüfer Manfred Stiefel testet mit allen Sinnen. Fünf Bäckereien im Landkreis lassen ihre Waren beurteilen. Und erhalten den Stempel für gute Qualität

Von Benjamin Emonts, Dachau

Wie nennt man eigentlich das Innere des Brotes? Man nennt es Krume, klärt Spezialist Manfred Stiefel auf. Mit einem beherzten Schnitt teilt er das Münsterländer-Brot entzwei. Eine der Hälften presst er mit beiden Händen zusammen und riecht daran. Dann schneidet er eine dünne Scheibe ab, entnimmt ein kleines Stück aus der Krume und kostet. Das Münsterländer der Bäckerei Kornprobst erhält die volle Punktzahl. Ein "sehr gutes Brot", lautet damit das Urteil von Qualitätsprüfer Stiefel, der selbst Bäcker ist.

Der Ehrenobermeister Georg Kornprobst quittiert die Expertise mit einem zufriedenen Kopfnicken. Wie jedes Jahr ist er nach Dachau gekommen, um die Qualität seiner Brote von einem echten Experten überprüfen zu lassen. Manfred Stiefel übernimmt diese Aufgabe bereits im zehnten Jahr, er ist Abgesandter des Instituts für die Qualitätssicherung von Backwaren, kurz IQBack. Stiefel betreut den gesamten süddeutschen Raum. "Ich habe in meinem Leben schon 70 000 Brote getestet", sagt er und lächelt.

Die Zahl der Probanden ist an diesem Donnerstagvormittag in der Hauptfiliale der Dachauer Sparkasse überschaubar. Teilnahmeberechtigt an der Qualitätsprüfung sind alle zur Innung zählenden 23 Bäckereien des Landkreises. Gekommen sind lediglich fünf: Seidl aus Markt Indersdorf, Polz aus Ampermoching, Denk aus Dachau, Kloiber aus Petershausen und Kornprobst aus Hilgertshausen. Für jeden Laib Brot, den sie dem Tester vorlegen, zahlen sie stattliche 22 Euro. Im Gegenzug erhalten die Bäcker Gewissheit, ob ihre Produkte qualitativ hochwertig sind. In jedem Fall bekommen sie von Prüfer Stiefel wertvolle Tipps. Am Ende der Probe händigt er den Bäckern schließlich eine Urkunde aus, die sie in ihren Filialen aushängen können. So profitiert auch der Kunde von der jährlichen Qualitätsprüfung.

Was also macht ein gutes Brot aus? Stiefel orientiert sich an sechs Kriterien: Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität sowie, für die Bewertung besonders entscheidend, Geruch - und Geschmack. Eine resche Kruste, erklärt Stiefel, ist wichtig für den Geschmack und die Frischhaltung des Brotes. Die Bohrung, sprich die Löchrigkeit des Brotinneren, soll schön gleichmäßig sein, damit das Brot gut bestreichbar ist. Ebenfalls wichtig ist die Elastizität. "Produkte, die man gut kauen kann, lassen sich auch gut verdauen", erklärt Stiefel. Für ihn besonders ausschlaggebend ist jedoch der Geschmack: "Das schöne Äußere nutzt ja nichts, wenn's nicht gut schmeckt." Die Mehrzahl der Brote - vom klassischen Bauernbrot über das Siebenkorn bis hin zur ausgefallenen Dinkel-Joghurt-Variation - erhält das Siegel "gut" oder "sehr gut". Die Bäcker im Landkreis Dachau machen einen guten Job, bestätigt Stiefel.

Dass die jährliche Güteprüfung dazu beiträgt, davon ist Bio-Bäcker Thomas Polz überzeugt: "Das ist für mich wie der TÜV für das Auto. Die Prüfung gibt mir Sicherheit, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde." An diesem Tag hat Polz 14 Brotsorten und seine Brezen mitgebracht. Auf einem Papier listet er die einzelnen Sorten auf und beziffert auswendig den jeweiligen Getreideanteil. Das Resultat spricht für sich: Er erhält acht Mal sehr gut und sieben Mal gut. "Des passt scho", sagt er.

Qualitätsprüfer Stiefel stellt freudig fest, dass sich das Brot in seiner ursprünglichen Form jüngst wieder auf dem Vormarsch befindet. "Es hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden. Die Leute befassen sich wieder mehr mit ihrer Ernährung und legen mehr Wert auf hochwertige Lebensmittel", sagt er.

Euphorie löst dies bei den Bäckern nicht aus. Franz Seidl aus Indersdorf beklagt, dass immer mehr Menschen ihre Backwaren in den Discountern beziehen. Der Geschmack der Produkte aus den Backautomaten präge sich dadurch bei den Konsumenten ein. "Und wir stehen in der Nacht auf und sind die Deppen." Thomas Polz ist besorgt, dass immer mehr Bäckereien wegen der Konkurrenz durch den Großhandel und Nachwuchsmangel von der Bildfläche verschwinden. Immerhin, sein Sohn wird das eigene Geschäft übernehmen. Der TÜV ist bereits bestanden.

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