Bundesjugendspiele:Die Kunst des Verlierens

Eine Mutter aus Konstanz hat die Debatte über die Abschaffung der Bundesjugendspiele angestoßen. Sportlehrer und Eltern von Dachauer Schülern kann sie allerdings nicht für ihre Petition gewinnen.

Von Manuel Kronenberg

Dachau - Christiane Finke, eine Mutter aus Konstanz, hat vor Kurzem eine Petition zur Abschaffung der Bundesjugendspiele gestartet. Im Netz erntet sie dafür viel Beifall, aber auch Kritik. Im Landkreis Dachau lehnen viele Sportlehrer und Eltern die Petition ab. Diesen Schluss lässt zumindest eine kleine Umfrage beim diesjährigen Kreissportfest und unter Vertretern von Sportvereinen zu. Sie halten die Argumente der Konstanzerin für falsch.

Die Idee zur Petition entstand, nachdem Finkes Sohn nach den Bundesjugendspielen weinend nach Hause gekommen war, weil er nur eine Teilnahmeurkunde erhalten hatte. In der Petition kritisiert Finke, dass der Wettkampf nicht mehr zeitgemäß und der Zwang zur Teilnahme sowie der Wettkampfcharakter überholt seien. Unsportliche Schüler mit schlechten Leistungen werden laut Finke demotiviert, weil sie auf dem Sportplatz beim direkten Vergleich unter großem sozialen Druck stünden. Die Bundesjugendspiele "sorgen bei vielen Schülern für das Gefühl, vor der Peergroup gedemütigt zu werden", schreibt Finke in der Petition, die sie an Familienministerin Manuela Schwesig und an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Brunhild Kurth, gerichtet hat.

Kreissportfest

Nicht jeder kann gewinnen: 108 Schülerinnen und Schüler messen sich beim Kreissportfest der Grundschulen im Laufen, Werfen und Springen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Wenn die Bundesjugendspiele schon nicht abgeschafft werden, dann sollen sie zumindest auf Freiwilligkeit umgestellt werden, fordert Finke. Mehr als 20 000 Menschen haben die Petition bereits unterzeichnet. Eine Gegenpetition gibt es auch schon, doch die hat nur knapp 6000 Unterstützer. Sind also tatsächlich diejenigen in der Mehrheit, die Finkes Position nachvollziehen können?

Die Sportlehrerin und stellvertretende Vorsitzende des TSV 1865, Gabriele Siegl, kann es nicht. "Hat die Frau nichts zu tun?", empört sie sich. "Dann müsste man ja den Sport als Leistungsprinzip abschaffen, und das geht nicht. Eine Fünf in Mathe ist auch demotivierend. Irgendwo gibt's halt immer die Besseren und die Schlechteren." Zumindest in einem Punkt sind sich Siegl und Finke einig: dass die Teilnahmeurkunde nicht sinnvoll ist. Während aber Finke sagt, sie schütze nicht vor Demütigung, pocht Siegl auf das Leistungsprinzip: "Nur weil jemand teilnimmt, sollte er doch keine Urkunde bekommen." Eine gute Leistung und nicht nur die bloße Teilnahme solle gewürdigt werden. "Als Sportlehrer ist man natürlich für die Bundesjugendspiele", sagt Angelika Herold, Sportlehrerin der Grundschule Hebertshausen. Sie zeigt sich ein wenig verständnisvoller: "Für einen kurzen Moment kann eine Niederlage natürlich demotivieren, aber man muss auch lernen, damit umzugehen." Auch Markus Keck, Sportlehrer am Ignaz-Taschner-Gymnasium, ist gegen eine Abschaffung der Bundesjugendspiele. "Ich bin ein großer Fan. Das ist ein fairer Wettkampf, und im Leben ist es eben so, dass man nicht immer gewinnen kann." Auch die Idee, den Wettkampf auf Freiwilligkeit umzustellen, kommt bei den Dachauer Sportlehrern nicht gut an. Keck dazu: "Der Sport kommt generell zu kurz, dabei ist er eine wichtige Sache. Das rechtfertigt, dass der Wettkampf verpflichtend ist."

Auch Eltern aus dem Landkreis teilen Finkes Position nicht. Brigitte Renner zum Beispiel, die eine Tochter auf dem Josef-Effner-Gymnasium hat, sagt: "Die meisten Schüler finden es doch toll, wenn sie sich messen können. Die mögen die Herausforderung. Außerdem müsste man dann das ganze Notensystem abschaffen, denn auch dabei geht es ja um Leistung." In Mathe sei das Problem laut Renner viel schlimmer. "Ich denke, mindestens 50 Prozent der Schüler sind von ihren Mathenoten demotiviert."

Die zweifache Mutter Piroska Kneuer sieht das ähnlich. Sie betont vor allem, dass Kinder lernen müssen, mit Niederlagen umzugehen. "Man kann sein Kind nicht in Watte packen. Und wenn eine Mutter ein Problem damit hat, wenn das Kind 120 Kilo wiegt, dann schreibt sie halt eine Entschuldigung. Wenn ich wüsste, dass mein Kind leidet, dann hat es halt an dem Tag Kopfschmerzen oder Übelkeit oder sonst was, bevor ich eine Petition einreiche." Finkes Gesuch ist also übertrieben, ist man sich in Dachau einig. Die Zahlen von Gegnern und Befürworten, von Unterstützern der Petition und Gegenpetition, entsprechen auch nicht den tatsächlichen Größenverhältnissen. Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab, dass 56 Prozent der Befragten gegen die Abschaffung der Bundesjugendspiele sind, nur jeder Dritte ist dafür. Brigitte Renner plädiert dafür, ein bisschen lockerer zu sein und fasst zusammen: "Wenn ich mich an meine eigene Schulzeit erinnere, war der Sport immer eine lustige Geschichte. Wir sind auf der Wiese herumgehüpft und fanden das wirklich lustig. Man sollte das auch als Spaß ansehen und nicht überbewerten oder sogar todernst nehmen."

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