Dachau:Die "Handmarie" rettete viele Leben

Lesezeit: 2 min

Eine Ausstellung mit 350 Exponaten vermittelt einen Einblick in die Geschichte des Roten Kreuzes.

Von David-Pierce Brill

Beatmungsgeräte, Defibrillatoren, Übungspuppen, Verbandskästen und andere Exponate zeigt eine Austellung im Rot-Kreuz-Haus. (Foto: Toni Heigl)

Eine dünne über den Kopf gespannte Stoffschicht schützt den regungslosen Patienten vor Regen. Knapp einen halben Meter über dem Boden liegt er auf einer etwa 1,75 Meter langen Holzfläche. Auf halber Länge wird die Menschen-Puppe von zwei massiven Metallrädern flankiert, die den Durchmesser moderner Fahrradräder haben und sehr stabil erscheinen. Am Fußende der Liegefläche sind zwei Holzgriffe angebracht, um die fahrbare Krankentrage ziehen zu können. Einen Motor gibt es, wie auch der Name verrät, nicht: Die "Handmarie" wird zusammen mit 350 anderen Exponaten noch bis einschließlich kommenden Sonntag im Rotkreuz-Haus am Rotkreuzplatz 3 - 4 in Dachau ausgestellt.

Die Exponate im BRK-Museum sind Teil einer historischen Ausstellung, die dem Besucher nicht nur die Geschichte des Roten Kreuzes näherbringt, das in diesem Jahr sein 150-Jähriges Bestehen feiert, sondern ihn auch in eine Zeit entführt, in der die BRK-Helfer mit einfachsten Mitteln ohne Computer-Technik Leben gerettet haben. In dieser analogen Zeit kam auch ein eiserner Verbandskasten zum Einsatz, eines der Lieblingsstücke von Ernst Hübl, der die Ausstellung seit 2012 ehrenamtlich betreut. Die Kiste, die Verwundete versorgen soll, ist groß, schwer und sperrig. Sie ist noch originalbestückt und auf der Verpackung eines kleinen Päckchens ist der Schriftzug "Wismut-Brandbinde" immer noch gut zu erkennen. Der Verbandskasten stammt aus dem Jahr 1936.

Der Fortschritt im Rettungswesen fasziniert Hübl: "Das war damals schon gut, aber im Vergleich zu heute ist das ein gewaltiger Unterschied." Er zeigt auf einen modernen Verbandskasten, der deutlich kleiner und leichter ist als seine Vorgänger. Für den Rotkreuzler Hübl ist die ganze Ausstellung eine Zeitreise: "Vor 30 Jahren habe ich mit dem allen schon gearbeitet", sagt Hübl und zeigt auf die große Sammlung von Beatmungsgeräten und Defibrillatoren. Die älteren analogen Modelle, die es seit den 1950er Jahren gibt, sind allesamt schwer, klobig und sehen mit den vielen Schläuchen und Pumpen martialisch aus. Einiger Meter weiter dann ein fast vollautomatischer digitaler Defibrillator aus rotem Kunststoff. Ein Modell, das heute an öffentlichen Orten und U-Bahn-Stationen verwendet wird, wie Hübl erklärt. Sie sind so einfach konzipiert, dass jeder Helfer im Notfall damit arbeiten kann. Erst die Kabel auf die Brust des Opfers kleben, dann genügt ein einfacher Knopfdruck um den lebensrettenden elektrischen Impuls zum Körper zu leiten. Auch sogenannte Übungsphantome sind im Laufe der vergangenen 50 Jahre immer moderner geworden. An ihnen kann man die Wiederbeatmung durch Druckmassage üben. Die eingebauten Messgeräte wurden verfeinert und die Puppen erhielten Haare. Neben den Übungsphantomen und großen Geräten zeigt das Museum auch alte Uniformen, Blutdruckmesser und sogar einen alten Brutkasten für Säuglinge. Bücher wie "Die Frau als Hausärztin" oder "Das Büchlein für die Mutter" eröffnen einen Einblick in die Geschichte des Rettungswesen. Aus längst vergangener Zeit stammt auch die zweirädrige Handmarie: Schon vor mehr als einem Jahrhundert rettete die alte Dame Leben und ist heute immer noch gut in Schuss.

© SZ vom 20.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: