Dachau:Die Angst vor dem Fremden

Dachau: Sie hätten nichts gegen Asylbewerber, aber der Standort sei ungeeignet: Mitterndorfer beim Besuch im großen Sitzungssaal des Rathauses.

Sie hätten nichts gegen Asylbewerber, aber der Standort sei ungeeignet: Mitterndorfer beim Besuch im großen Sitzungssaal des Rathauses.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Mitterndorfer lassen sich bei einem Besuch im Rathaus nicht von ihrem Protest gegen eine Flüchtlingsunterkunft abbringen

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Und dann sprach August Haas, Liegenschaftsreferent im Stadtrat, Landwirt von Beruf, Mitglied der CSU und Bürger im Stadtteil Mitterndorf. Er sagte: "Des werd ma grad noch aushalten." Wenig später: "Des werd mer grad noch schaffa, als Mitterndorfer." Dramaturgisch betrachtet kam dieser Appell im großen Sitzungssaal des Dachauer Rathauses zur rechten Zeit. Denn die Debatte über die Frage, kann oder soll, darf oder muss in Mitterdorf auf dem Gelände der ehemaligen griechischen Schule eine Unterkunft für 75 bis 100 Flüchtlinge gebaut werden, war an einem Punkt angekommen, an dem sie sich um sich selbst zu drehen begann.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hatte die Bürger des Stadtteils eingeladen, um sie über den Stand der Planungen zu informieren. Er zitierte ein Schreiben von Landrat Stefan Löwl (CSU), wonach das Areal der ehemaligen Schule möglicherweise schon im Jahr 2016 benötigt werden könnte, um dort Flüchtlinge mutmaßlich in Wohncontainern unterzubringen. Dagegen formierte sich eine Gruppe von Mitterndorfer Anliegern und sammelte 200 Unterschriften gegen ein solches Projekt in ihrem noch eher dörflichen Umfeld mit vielen Villen und Einzelhäusern. Ihnen wollte der Oberbürgermeister die Gelegenheit zur Aussprache geben.

Die einen betonten in ihren Einlassungen, dass sie nichts gegen Asylbewerber in ihrer Nähe hätten, aber den Standort nicht besonders geeignet fänden. Besonders hoben sie hervor, dass das Gelände eigentlich für ein großes, durchaus soziales Wohnprojekt vorgesehen sei. Somit würden die Pläne der Stadt denen des Landratsamts widersprechen. Einer ihrer Wortführer brachte das Areal in der Nähe des Stadtweihers ins Spiel und will seinen Vorschlag dem Oberbürgermeister und dem Landrat noch eigens unterbreiten.

Großen Applaus erhielten andere, die sich um ihre Kinder sorgten, wenn sie "in der Dämmerung" unterwegs seien. Einer der Wortführer warnte vor einem Anstieg der Gewaltkriminalität, wenn junge Männer über Jahre in Wohncontainer gepfercht würden. "Da ist es egal, ob es Ausländer oder Deutsche sind. Bei denen wäre es vielleicht sogar noch schlimmer." Der ehemalige Redaktionsleiter der Dachauer Nachrichten, Kurt Göttler, gab zu überlegen, ob all die Bürger, die nicht aus Mitterndorf stammten Rederecht erhalten dürften oder sogar aus der Versammlung ausgeschlossen werden sollten. Einer von ihnen, Matthias Gramlich von der unabhängigen Betriebsgruppe an den Amperkliniken mit Verwandtschaft in Mitterndorf, kritisierte die Debatte scharf. Er finde es "erbärmlich", keine Flüchtlinge in der Nachbarschaft haben zu wollen.

Der Dachauer Oberbürgermeister versuchte sich als Diplomat, der den Mitterndorfer Kritikern den enormen Druck zu vermitteln suchte, der auf den Kommunen lastet. Aber die Zuhörer forderten von ihm beständig Informationen, die vorausgesetzt hätten, dass die Anzahl der zu erwartenden Flüchtlinge und deren Verteilung über den Landkreis hinweg langfristig planbar wären. Die Leiterin der Caritas-Asylzentrale, Irmgard Wirthmüller, sprang Hartmann zur Seite und berichtete, dass die Bezirksregierung drei Tage vor der Ankunft des nächsten Flüchtlingskontingents das Landratsamt informiere. Die Behörde müsse dann reagieren und die Kommunen, also auch Dachau, zu schnellem Handeln anleiten. Trotzdem pochte die Mehrheit der Zuhörer auf klare Informationen und warf dem Oberbürgermeister vor, dass kein Vertreter des Landratsamts zugegen sei.

Deswegen schaltete sich CSU-Stadtrat Gustl Haas ein. Seine persönliche Stellungnahme wäre eigentlich dazu geeignet gewesen, die Versammlung auf den Kern des Themas zu bringen: "Es ist mir ehrlich ernst", sagte er. Er legte dar, dass die Hauptlast mit 200 Flüchtlingen das Viertel rund um die Rosenstraße auf dem ehemaligen MD-Parkplatz zu tragen habe. Er legte offen, dass der Vorschlag des Mitterndorfer Standorts von ihm stamme, um die "Lasten innerstädtisch zu verteilen". Und er appellierte an die Kritiker, doch zu sehen, dass "wir Stadträte uns ernsthaft und nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden". Kein Applaus. Nur der Zwischenruf, dass er nun "lang genug geredet" habe.

Schon zu Beginn hatte Anna Röthe aus Mitterndorf gebeten, doch nicht darüber zu debattieren, wie Flüchtlinge aus Mitterndorf herausgehalten werden könnten, sondern nachzudenken, wie man sie empfangen könnte. Dann bauten sich auch die meisten Ängste ab. Sie sagte: "Wir brauchen eine Willkommenskultur." Kein Applaus.

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