Dachau:Diagnose: Liebesentzug

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Großartige Pläne standen am Beginn der Kooperation zwischen Amperklinikum und Kaplan Center in Israel. Aber seit zwei Jahren herrscht Funkstille - und die Initiatoren fragen sich, ob das Dachauer Krankenhaus überhaupt noch will

Von Helmut Zeller, Dachau

Fernbeziehungen haben, so sagt man, kaum Aussicht auf Dauer. Auch nicht in Zeiten von Skype, Facebook und WhatsApp. Irgendwann herrscht Funkstille und dann kommt der Tag, an dem einer der Partner ausspricht, was längst vollzogen wurde - die Trennung. In welchem Stadium die Partnerschaft zwischen dem Amperklinikum in Dachau und dem israelischen Kaplan Medical Center steht, ist nicht ganz klar. Gehört haben sie jedenfalls schon lange nichts Substanzielles mehr voneinander - Gerüchten zufolge will der neue Klinikeigentümer, die Helios Kliniken GmbH, den Kontakt gar einschlafen lassen. Aber das soll so nicht sein. Nur gibt es, wie auf Dachauer Seite gesagt wird, schwerwiegende Probleme. Deshalb liegen nach dem glanzvollen Auftakt mit einem Konzert im Dachauer Schloss im Mai 2013 alle Pläne auf Eis.

Wie es überhaupt zu so einem Gerücht über ein angebliches Desinteresse der Helios GmbH kommen konnte, versteht Erik Thiel, Leiter Unternehmenskommunikation Helios Region Süd, überhaupt nicht. Daran ist wirklich absolut nichts dran, wie der Unternehmenssprecher auf Nachfrage der SZ erklärt. Vielleicht liegt es daran, dass die neuen Krankenhausbosse sich seit der Übernahme des Amperklinikums vor eineinhalb Jahren nie öffentlich dazu geäußert haben. Aber jetzt. Die fast leidenschaftliche Liebesbeteuerung verdient es, in vollem Umfang zitiert zu werden: "Das Helios Amper-Klinikum Dachau sowie die Amper Kliniken AG unterstützen weiterhin die Bemühungen zur Förderung der Partnerschaft zwischen dem Dachauer Klinikum und dem Kaplan Medical Center in Israel. Es hat weder einen Aufsichtsratsbeschluss noch einen Beschluss eines anderen Klinikgremiums gegeben, der die geplante Partnerschaft in irgendeiner Weise in Frage stellt. Ganz im Gegenteil: Es ist allen Beteiligten ein Anliegen, den gemeinsamen Austausch mit Leben zu füllen."

Das hört der Dachauer Förderkreis, der sich 2013 gründete, gerne. In der Ära Helios wurde, wie Firmensprecher Thiel einräumt, von Klinikseite noch nicht so viel getan, um den Austausch mit Leben zu füllen. Allerdings sagt Thiel auch, dass der Förderkreis die Aufgabe des Inkubators habe. "Solange er nicht die Aufgabe wahrnimmt, ist das Rad eckig." Michael Weber, früherer ärztlicher Direktor des Amperklinikums, leitet den Förderkreis, dem die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt angehört wie auch Landrat Stefan Löwl (CSU), Altlandrat Hansjörg Christmann und der ehemalige Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel sowie der frühere Klinik-Vorstandsvorsitzende Bernward Schröter.

Leider, sagt Weber, stehe der Verein noch immer vor der hohen Hürde, die sich gleich zu Beginn aufgetan hat. Das Finanzamt Freising erkennt die Gemeinnützigkeit des Förderkreises nicht an. Solange kann der Verein keine Spenden sammeln, da er ja nicht einmal eine Spendenquittung ausstellen kann. Nun muss aber auch noch das Kaplan Medical Center in Rehovot den Nachweis erbringen, dass es keine Gewinnabsicht verfolge. Gerda Hasselfeldt hat die deutsche Botschaft in Tel Aviv eingeschaltet: Aber die brachte bisher den notwendigen Bescheid nicht her. Dass der "wichtige Schritt zur Intensivierung der deutsch-israelischen Beziehungen" (Hasselfeldt) an dem steuerlichen Aspekt scheitern soll, das halten Förderkreis-Mitglieder für nahezu unerträglich.

In Rehovot indes hörte man die erste offizielle Erklärung der Berliner Helios Kliniken GmbH mit Freude. Nicht deshalb, weil etwa die israelische Klinik, eine der führenden im Land, auf die Kooperation so stark angewiesen wäre. Dachau braucht - politisch gesehen - die Partnerschaft. Das hat seine wohlbekannten Gründe, die in der Geschichte der Stadt liegen. Christmann, Bürgel und Schröter wollten ein politisches Signal setzen. Sie waren sich darin einig mit den Holocaust-Überlebenden Moshe Tal, Mitglied des Aufsichtsrats der Klinik, und Abba Naor, die die Partnerschaft gegen einige Widerstände initiiert hatten. Der Kaufering-Überlebende Abba Naor, der im Stiftungsrat der Stiftung Bayerische Gedenkstätten sitzt, erklärt dazu: "Wir wollten eine Brücke zwischen Dachau und Israel bauen." Das größte Hindernis dafür, so Moshe Tal, ist das ehemalige Konzentrationslager in Dachau. Doch: "Was könnte besser zusammenbringen als zwei Institutionen, die nur existieren, um Menschen zu helfen."

Die politische Bedeutung des Projekts scheint noch nicht überall angekommen zu sein. Der Landkreis Dachau hält nach wie vor fünf Prozent der Anteile an der Amper Kliniken AG. Landrat Löwl sitzt im Aufsichtsrat. Über die Partnerschaft wurde in diesem Gremium noch nicht gesprochen, wie Thiel erklärte. "Das liegt an mir", sagt Vereinsvorsitzender Weber. Vor weitergehenden Gesprächen brauche der Förderkreis die Anerkennung als gemeinnütziger Verein. Weber betont aber auch, dass man gleich zu Beginn der Helios-Geschäftsführerin Karin Gräppi die Kooperation ans Herz gelegt hat. Sorgen erregte im Förderkreis schon im Juli 2014 ein Spiegel-Interview mit Ulf Schneider, Chef von Deutschlands größtem Klinikkonzern Fresenius. Die dazu gehörende Klinikkette Helios hatte 40 Krankenhäuser des Rhön-Konzerns, darunter das Dachauer, gerade übernommen. In Dachau nahm man aufmerksam zur Kenntnis, dass Schneider nur über Gewinnmaximierung in seinen Häusern sprach, aber kein Wort über irgendein gesellschaftliches Engagement oder eine Einbindung in die lokalen Verhältnisse an den jeweiligen Standorten äußerte.

Es hängt nicht nur am Finanzamt. Ohne eine finanzielle Unterstützung durch die Helios Kliniken GmbH hat die Klinik-Partnerschaft mit Israel ohnehin keine Zukunft. So sehen das Mitglieder des Förderkreises. Das Unternehmen müsste etwa bereit sein, für den geplanten Austausch von Ärzten und Pflegekräften Geld in die Hand zu nehmen. Etwa zur Finanzierung der Reisekosten beitragen und dem betreffenden Personal Sonderurlaub gewähren. Auch geht es nicht nur um Spenden. Der fachliche Austausch stand im Zentrum der Pläne. Von dem medizinischen Know How der israelischen Kollegen hatte sich Bernward Schröter Impulse sowie Vorteile für die Dachauer Patienten versprochen. Das Kaplan verfügt über 535 Betten, betreut ein Gebiet mit 700 000 Menschen, versorgt täglich Hunderte Notfallpatienten. In der Kinderklinik kümmert sich ein Team aus Ärzten, Krankenschwestern, Kinderpsychologen und Pädagogen um Eltern und Kinder - auch Patienten aus dem Gazastreifen werden versorgt.

Daneben lag den Begründern der politische Aspekt am Herzen: Dachau, so hatte Abba Naor gedacht, könnte über die Kooperation eine Partnerkommune in Israel finden. Dieses Ziel verfolgt auch Bürgels Nachfolger Florian Hartmann (SPD). Aber wer in Israel sollte sich mit einer Stadt, deren Name für die Nazigräuel steht, befreunden wollen, zumal wenn jetzt die ausgestreckte Hand ausgeschlagen wird.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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