Dachau:Der Traum von der Unabhängigkeit

Ana T. möchte ihre spastisch gelähmte Tochter mit einem eigenen Auto befördern, doch noch reicht das Geld nicht

Von Petra Schafflik, Dachau

"Immer wieder schaffe ich es, ein Problem zu bewältigen, das mir zunächst wie ein unüberwindlicher Berg erscheint. Doch kaum bin ich oben, stehe ich schon vor dem nächsten steilen Anstieg." Kräftezehrend und oft frustrierend erlebt Ana T. den Alltag mit ihrer behinderten Tochter, für deren Teilhabe am Leben sich die Mutter rund um die Uhr unermüdlich engagiert.

Seit der Geburt leidet die 16-jährige Tina an einer spastischen Lähmung, kann nicht laufen oder stehen, Hände und Arme nicht voll einsetzen. Dennoch möchte die Mutter dem Mädchen möglichst viel Normalität bieten. Eine anstrengende Herausforderung, die ihre Spuren hinterlassen hat bei der blassen, zierlichen Frau, die sich trotz massiver eigener gesundheitlicher Probleme nicht unterkriegen lässt.

Gerade ist die Stimmung ausgelassen bei Familie T. Endlich scheint der größte Wunsch in Erfüllung zu gehen: Für eine behindertengerechte Wohnung hat Ana T. jetzt eine feste Zusage. "Ganz toll, sogar mit Garten." Bisher leben Mutter und Tochter in einem Appartement, das zwar per Lift erreichbar, aber nicht barrierefrei ist. "Tina war noch nie in der Küche, weil sie mit ihrem Rollstuhl nicht durch die Tür kommt." Dabei würde die Mutter gerne gemeinsam mit dem Mädchen Mahlzeiten zubereiten oder backen. Auch das Bad kann die behinderte Tochter nur eingeschränkt nutzen, jeder Gang zur Toilette ist für die Mutter ein Kraftakt. Der Lift im Haus streikt häufig, immer wieder steht die Tochter nach der Schule in ihrem Rollstuhl vor der Haustür. Dann muss die Mutter sehen, wie sie mit tatkräftiger Hilfe von Nachbarn Kind und Rolli in die obere Etage gehievt bekommt. Das alles wird nun bald vorbei sein. "Unser größter Traum wird Wirklichkeit."

Trotz der Freude über den bevorstehenden Umzug gibt es neue Aufgaben und Sorgen. Der Rollstuhl, in dem Tina seit Jahren sitzt, ist längst nicht mehr praxisgerecht. Selbständig kann das Mädchen das schwergängige Modell nicht manövrieren, ist immer auf Hilfe angewiesen. "Mit 16 Jahren muss man doch auch einmal eigenständig sein", sagt die Mutter. Mit einem leichtgängigen Elektrorollstuhl könnte die Tochter auch einmal ohne Begleitung der Mutter in der Nachbarschaft unterwegs sein, Kontakte knüpfen und Freunde treffen.

Der Antrag für ist längst gestellt, die Antwort der Krankenkasse wird noch Monate auf sich warten, weiß Ana T. aus Erfahrung. "Hilfsmittel zu bekommen, ist immer schwierig. Man braucht viel Geduld." Auch mit dem Transport zur Schule gibt es neuerdings Probleme. Tina wird jetzt nicht wie bisher im Rollstuhl in einem speziellen Bus geholt, sondern per Taxi gefahren. Vor der Haustür setzt die Mutter das Mädchen ins Auto, doch an der Schule fühle sich niemand zuständig. "Das kann doch nicht sein", schimpft Ana T. Wieder ein Problem, das es zu lösen gilt. Trotz immer wieder neuer Alltagssorgen verfolgt Ana T. mit viel Energie ihren Traum: ein eigenes Auto.

Flexibel wäre sie dann und unabhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln, die oft nicht barrierefrei zugänglich sind. Die Kosten für den Führerschein hat sie mühsam zusammengespart. Jetzt hofft sie auf Unterstützung zum Autokauf, denn ganz aus eigener Kraft kann sie sich ein Fahrzeug nicht leisten. "Für Tina wäre das herrlich, öfter einmal rauszukommen aus den vier Wänden."

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