Dachau:Der künstlerische Durchbruch

Dachau: Tobias Hermanutz ist Kirchenmusiker im Pfarrverband München-Haidhausen und künstlerischer Leiter der Liedertafel in Dachau.

Tobias Hermanutz ist Kirchenmusiker im Pfarrverband München-Haidhausen und künstlerischer Leiter der Liedertafel in Dachau.

(Foto: oh)

Die Liedertafel führt Arthur Honeggers "König David" auf

Nach den großen Erfolgen der Dachauer Liefertafel unter ihrem Dirigenten Peter Frank stellt sich schon die Frage, wo und wie sein Nachfolger Tobias Hermanutz an diese Ära anschließen will. Die entscheidende Antwort geben Chor und Dirigent am Sonntag, 18. Oktober, im Dachauer Schloss. Eine vorläufige lässt sich aus der Wahl des Werks ableiten - des Oratoriums "König David" des Schweizer Komponisten Arthur Honegger (1892 -1955). Hermanutz und der SZ-Musikkritiker Andreas Pernpeintner, selbst Mitglied der Liedertafel, haben für dieses Konzert einen Musikführer geschrieben, der den Zugang zum Werk erleichtern hilft. Darin heißt es:

"Honegger war Mitglied der 1918 gegründeten "Groupe des Six", einem Komponistenbündnis, das sich der Ästhetik einer "reinen" französischen Musik verschrieben hatte. Dieses Credo brachte Honegger durchaus in Verlegenheit, denn er bewunderte auch die Musik deutscher Komponisten (Beethoven, Wagner, Strauss, Pfitzner). Honeggers stilistisch breites Interesse spiegelt sich in seinem Schaffen wider: Er war ein überaus experimentierfreudiger Komponist, widmete sich den verschiedensten Gattungen (Oper, Operette, Ballett, Symphonik, Klavier- und Orgelmusik, Kammermusik, Chormusik, Lied, Filmmusik). Barocke Stilmittel griff er ebenso auf wie Elemente des Jazz.

Bemerkenswert ist Honeggers Hinwendung zum Oratorium. Zu einem Mitglied der "Groupe des Six" scheint sie nicht zu passen. Bedenkt man, dass in Honeggers Musiksprache oft klare, ja strenge Formen vorherrschen, erscheint sie schlüssig. Fast am Anfang dieser Reihe sakraler Kompositionen, die Honegger unter manchen Zeitgenossen, die seine Auswahl "humanistisch-historischer Themen" missbilligten, auch starke Kritik einbrachte, steht das Oratorium "Le Roi David" ("König David"). Dieses Werk bedeutete für Honegger 1921 den internationalen Durchbruch.

David gilt als erster und bedeutendster König in der Geschichte Judas und Israels. Er regierte etwa von 1000 bis 960 v. Chr. Die unterschiedlichen Erzählstränge der David-Geschichte finden sich vor allem in den Samuelbüchern des Alten Testaments. In der Aufstiegsgeschichte kommt David je nach Erzählstrang durch sein therapeutisch wirkendes Saitenspiel oder durch seinen Sieg über Goliath an den Hof des Königs Saul und gewinnt die Herzen aller. Saul aber sieht ihn als Rivalen. Aus christlicher Perspektive gilt David als Prototyp des vorbildlichen Herrschers, kunstsinnigen Dichters und musisch begabten Psalmisten. Gemäß der biblischen Vorlage ergibt sich für Honegger eine dreiteilige Gesamtanlage: Aufstiegsgeschichte, Ladeerzählung (David holt die Bundeslade nach Jerusalem) und Thronfolge.

1908 erbaute der Schweizer Dichter René Morax in dem kleinen Ort Mézières bei Lausanne ein Freilufttheater nach griechischem Vorbild. Von ihm stammte auch die Idee, ein biblisches Drama zur Aufführung in diesem Theater zu verfassen. Er benutzte dazu Stellen aus dem Alten Testament, in denen das Leben des König David geschildert wird. Der Orchestergraben des Theaters in Mézières war für ein Symphonieorchester viel zu klein. Honegger wandte sich Hilfe suchend an Igor Strawinsky. Dieser empfahl ihm, das Werk so zu komponieren, als sei es von vornherein nur für kleines Orchester gedacht. So komponierte Honegger die erste Fassung für nur 17 Instrumentalisten, aber 100 Chorsänger.

Diese erste Fassung wurde als "Drama" mit Spielszenen aufgeführt. Da Honegger jedoch die Bedingungen in Mézières als zu restriktiv für die Verbreitung seines Werkes empfand, arbeitete er das Werk in einen "Symphonischen Psalm" für konzertante Aufführungen um. Die Spielszenen wurden durch Erzähltexte ersetzt. Diese Fassung wurde 1923 zum ersten Mal in Winterthur aufgeführt.

Dem Sprecher kommt eine wichtige Rolle zu. Er schildert die Handlung und treibt sie voran. König David wird wechselnd von den Solostimmen Sopran, Alt und Tenor dargestellt. Der Chor übernimmt verschiedenste Rollen. Mal verkörpert er das Volk Israel, mal die Propheten, mal das israelitische Kriegsheer, mal die Klageweiber, mal einen himmlischen Chor, wobei die jeweiligen Rollen lautmalerisch, besonders aber durch die Harmonik verdeutlicht werden.

Ist die Musik, die Honegger 1921 komponierte, modern? Ja und Nein. Honegger war ein ambivalenter Komponist. Einerseits beklagte er sich darüber, dass das Publikum nur Klassisches und Romantisches hören wolle; besonders das Dogma der Dur-Moll-Tonalität erschien ihm überholt. Sich selbst sah er als eine Art konservativen Freigeist. Diese Ambivalenz spiegelt sich im "König David" wider. Um die Welt des Alten Testaments heraufzubeschwören, zieht Honegger sämtliche Register der Tonkunst: Archaische Wirkung erzielt er durch Pentatonik, monotone Vokalisen und Ostinati. Grelle polytonale Klänge und sphärische, impressionistische Harmonik veranschaulichen Ermutigung, Klage und Lob. In den Halleluja-Teilen sind Anklänge an Johann Sebastian Bach zu hören, aber auch an Fauré oder Debussy. So entsteht ein leuchtendes Bild unterschiedlichster musikalischer Farben. Zu diskutieren, ob dies nun "konservative", "moderne" oder "nicht genügend moderne" Musik sei, ist müßig.

Liedertafel Dachau: König David, Oratorium von Arthur Honegger, Sonntag, 18. Dezember, 17 Uhr an im Dachauer Schloss. Karten online: www.liedertafel-dachau.de.

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