Dachau:"Das kann jeden treffen"

Weil es kaum noch preiswerte Wohnungen gibt, werden immer mehr Dachauer obdachlos. Die Stadt will intervenieren, findet aber selbst keine Immobilien für Notunterkünfte.

Von Petra Schafflik

Die Wohnungsnot steigt: Immer mehr Dachauer werden obdachlos und müssen von der Stadt untergebracht werden. "Die Unterkünfte sind randvoll", erklärte jetzt im Familien- und Sozialausschuss Markus Roth, der bei der Stadt in Not geratene Bürger betreut.

Wurden früher etwa 45 Bürger im Jahr in eine Notunterkunft einquartiert, standen 2013 schon 86 Dachauer plötzlich auf der Straße. Die Fallzahlen steigen weiter, trotz intensiver Präventionsarbeit. Aktuell sind 53 der vorhandenen 60 Wohneinheiten in städtischen Unterkünften belegt, dort leben momentan 106 Bürger, darunter 37 Kinder. Gleichzeitig stehen "mehrere Dutzend" Räumungsfälle an. Die Stadt soll daher auch an nicht optimalen Unterkünften wie der Anlage Am Schießplatz festhalten und den geplanten Umbau für zwölf Zimmer am Kräutergarten realisieren, so der Appell der Verwaltung. "Wir müssen den Menschen ohne Obdach etwas anbieten können", bekräftige Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Parallel sollen weiter dezentrale Unterkünfte gesucht werden.

"Eine Zeitenwende" markiere der Sommer 2012, erklärte Markus Roth im Familien- und Sozialausschuss. Diesem Gremium legte die Verwaltung jetzt einen Bericht zur aktuellen Situation der Obdachlosenunterbringung vor. Seit Mitte 2012 steige drastisch die Zahl der Bürger, die in Unterkünfte eingewiesen werden müssen, so Roth. Und zwar trotz intensivster Bemühungen der Präventionsstelle. Eine Entwicklung, die verschiedene Ursachen, aber doch einen gemeinsamen Kern hat. Und zwar den massiven Druck auf dem Wohnungsmarkt, der es für Bürger mit geringem Einkommen unmöglich macht, rasch eine reguläre Mietwohnung zu finden. "Das kann jeden treffen", betonte Sylvia Neumeier (SPD), die eindringlich vor einer Stigmatisierung der Betroffenen warnte. "Da stehen Schicksale dahinter." Wer den Arbeitsplatz verliere, seine Wohnung mit Arbeitslosengeld nicht halten könne, sehe sich rasch mit einer Zwangsräumung konfrontiert. Und lande in der Obdachlosigkeit, weil keine preiswerten Wohnungen auf dem Markt sind. Räumungen sind keine Seltenheit in der Stadt. Auf dem Schreibtisch der Präventionsstelle liegen derzeit "mehrere Dutzend Fälle, die ihre Wohnung zu verlieren drohen", erklärte Ordnungsamtsleiter Stefan Januschkowetz auf Nachfrage der Stadträte. Verschärft hat sich die Situation in der Stadt noch 2013 durch einen Brand in der Kufsteiner Straße, der 22 Bürger plötzlich obdachlos werden ließ. Auch immer mehr anerkannte Asylbewerber gilt es unterzubringen, da Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung neuerdings sofort die Sammelunterkunft verlassen müssen. Weil sie auf dem freien Markt so schnell kein reguläres Dach über dem Kopf finden, "gehen sie direkt in die Obdachlosigkeit", so Roth. Zugenommen habe auch die Zuwanderung aus Osteuropa, vor allem aus Bulgarien und Rumänien seien Einzelpersonen oder Familien untergebracht. Die Betroffenen leben unterschiedlich lange in den Notquartieren, zwei Wochen bis zu Jahren oder Jahrzehnten. "Die Verweildauer wird angesichts der prekären Lage aber immer länger."

Die Bilanz sähe ohne Prävention trister aus. So konnten durch intensive Betreuung, durch Gespräche mit Vermietern oder dem Jobcenter im vorigen Jahr in 46 Fällen Wohnungsräumungen verhindert, Obdachlosigkeit vermieden werden. Auch gelinge es immer wieder, Menschen aus den Notunterkünften in reguläre Wohnungen zu vermitteln. "Wir sind erfolgreich", betonte Roth. Aber angesichts der steigenden Fallzahlen werde die Arbeit immer schwieriger, die Prävention sei an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen.

Angesichts dieser prekären Situation will sich die Stadt sämtliche Optionen offen halten. Alle Kapazitäten, auch weniger geeignete Standorte wie die Anlage Am Schießplatz, die nicht einmal über eine Heizung verfügt, will man halten. Am Kräutergarten soll wie geplant umgebaut werden, um Platz für zwölf Obdachlose zu gewinnen. Dieses Vorhaben ist umstritten, weil es mit der vorgesehenen Ausweitung der Gedenkstättenarbeit am ehemaligen SS-Wirtschaftsbetrieb Kräutergarten kollidiert. "Aber wir habe keine bessere Lösung", sagte CSU-Stadtrat Florian Schiller. Alternativen fehlen tatsächlich. Kurzfristig lassen sich städtische Gebäude wie Ziegler-Villa oder Mitterndorfer Schule definitiv nicht als Obdachlosenunterkunft nutzen, wie es Michael Eisenmann (Bündnis für Dachau) im Ausschuss anregte. Vor allem der Brandschutz erfordere "erhebliche Investitionen, die sich nur bei einer langfristigen Dauernutzung lohnen", erläuterte Hauptamtsleiter Josef Hermann den Stadträten. Auch weiterhin will die Verwaltung aber versuchen, private Wohnungen als dezentrale Unterkünfte anzumieten. Aber geeignete Objekte zu finden, das bestätigte Rechtsamtsleiter Anton Putz im Gespräch mit der SZ, werde wegen steigender Mieten und hoher privater Nachfrage nach Wohnungen immer schwieriger.

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