Dachau:Brücke der Verständigung

Asylbewerber und Dachauer Musiker demonstrieren beim Toleranz Jam in der Schranne, dass Musik eine Weltsprache ist

Von Andreas Förster, Dachau

Die Kultur-Schranne im Alten Schulhaus in Dachau ist so voll wie schon lange nicht mehr. Und nicht nur das: Die Stimmung ist prächtig wie auf einer Silvesterparty. Auf der Bühne wird ein Feuerwerk der guten Laune abgebrannt, die Gäste klatschen, singen und tanzen, als gäbe es kein Morgen. Anlass ist der Toleranz Jam, eine Musikveranstaltung des Kulturamts Dachau im Rahmen der Kampagne "einer für alle, alle für bunt".

Bei einem Jam gehen die anwesenden Musiker spontan auf die Bühne und spielen drauf los. Manchmal wird ein bekannter Song gecovert, manchmal einfach nur improvisiert. Der Toleranz Jam will Musiker aus dem Asylbewerberheim in der Kufsteiner Straße mit der Dachauer Musikszene zusammenbringen. Und damit ein möglichst breites Publikum anlocken. Ein paar Musiker aus dem Kongo haben sich sofort bereit erklärt, bei dem Projekt mitzuwirken. Soundcheck ist Freitagabend um 17 Uhr. Sofort wird losgejammt. "Die Jungs wollten gar nicht mehr aufhören und waren erst mal enttäuscht, als wir sie unterbrochen haben", berichtet Conny Miller. Die frühere Sängerin der Dachauer Band Orange Fizz hat den Abend musikalisch mitorganisiert. "Im Kongo gibt es keinen Soundcheck, da wird einfach Musik gemacht." Da prallen schon Welten aufeinander.

Am Abend ist davon nichts mehr zu spüren. Auch wenn das Leben der Flüchtlinge in einer Asylbewerberunterkunft nicht einfach ist, hier und heute sind sie glücklich. Ob als Sänger oder als Percussionist, am Bass oder am Schlagzeug, als Tänzer oder als Zuschauer. Frauen mit und ohne Kopftuch sitzen und stehen einträchtig nebeneinander, viele haben Kinder dabei. Endlich geht es mal raus, endlich können die Männer zeigen, was in ihnen steckt, und die Frauen ihrer Lebensfreude freien Lauf lassen. Die Freude der Asylbewerber steckt irgendwann auch das steife deutsche Publikum an. Brücken werden geschlagen. Brücken der Verständigung, auch wenn nicht viel gesprochen wird. Die Liebe zur Musik ist es, die verbindet, und die an diesem Abend eine interkulturelle Familie entstehen lässt.

Dachau: Pure Lebensfreude: Asylbewerber aus der Sammelunterkunft Kufsteiner Straße machten bei der Jam-Session begeistert mit.

Pure Lebensfreude: Asylbewerber aus der Sammelunterkunft Kufsteiner Straße machten bei der Jam-Session begeistert mit.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Toleranz Jam ist eine Initiative von Tanja Jörgensen-Leuthner vom Dachauer Kulturamt. "Ich hatte vorher ganz schön Bauchweh", gesteht sie. Doch die Zweifel erweisen sich als unbegründet. Der Funke springt alsbald über. Schon bei der Bluenote Band um Markus Faiss, die den Abend mit einem kurzen Set eröffnet und das Equipment zur Verfügung stellt. Serge, Sarvie und Pitchou trommeln auf der Djembe und den Congas. Jack Mulumba singt hingebungsvoll ein Lied in seiner Landessprache, Kituba. Die Ballade geht unter die Haut, auch wenn man den Text nicht versteht. In dem Lied, sagt er später auf Deutsch, gehe es um eine Frau, die ihr Leben für ihre Familie aufgibt und am Ende des Tages fragt: Ist das Liebe? Der Text trifft den Nerv überall auf der Welt.

Danach stehen zwei talentierte Nachwuchsmusiker, David Huss und Nicolas Münster, Schüler am Dachauer Josef-Effner-Gymnasium, auf der Bühne. Die beiden repräsentieren sozusagen Dachaus musikalische Zukunft. Mehr Erfahrung haben Dominik Kretschmer und Simon Männlein von der Dachauer Funkband Orange Fizz, die mit Kumpel Adam Haranghy und eigenen Songs im Stil der irischen Kultband U2 die Bühne rocken. Nach ihrem Set bitten sie die Afrikaner, mit ihnen gemeinsam zu jammen. Dem schließen sich auch Sascha Seelemann von der Dachauer Kombo Lupin, Conny Miller und weitere Dachauer Musiker an. Ihre Version von "Get Lucky" ist, um im Bild der Silvesterparty zu bleiben, der Schampus um Mitternacht - einfach prickelnd. Europe Funk meets World Music, da kann einfach keiner mehr ruhig sitzen bleiben. Kulturamtschef Tobias Schneider und Bluenote Musicschool-Leiter Markus Faiss sind sich einig: "Das müssen wir unbedingt wiederholen."

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