Schokoladen-Ausstellung:Bittersüß

Von der Arznei zur Massenware: Passend zur Vorweihnachtszeit zeigt das Bezirksmuseum Dachau eine Schokoladen-Ausstellung.

Von Sebastian Jannasch, Dachau

Ob als Milchschokolade oder zartbitterer Riegel, ob als heißes Getränk oder knackige Praline - Schokolade ist die kleine tägliche Sünde, von der kaum einer lassen kann. Etwa zehn Kilo der braunen Süßigkeit lässt sich jeder Deutsche pro Jahr auf der Zunge zergehen. Das entspricht 100 Tafeln. Schokolade ist zur Massenware geworden. Historisch betrachtet ist das neu, wie die Ausstellung "Bittersüß - Vom Kakao zur Schokolade" zeigt, die am Freitag im Dachauer Bezirksmuseum öffnet. "Sehr lange wurde Schokolade nur in flüssiger Form konsumiert - und das ausschließlich vom höchsten Adel in Europa", wie Ursula Nauderer erklärt, die die Ausstellung konzipiert hat.

Das Luxusprodukt Kakao musste aus Südamerika importiert und anschließend aufwendig zubereitet werden. Während in den vergangenen Jahren scheinbar exotische Schokoladensorten mit Chili-Aroma in den Regalen deutscher Supermärkte für Aufregung sorgten, standen sie bei den Maya bereits vor 1500 Jahren auf der Speisekarte. Den Weg nach Europa fand die Kakao-Spezialität infolge der Entdeckungen und Kolonialisierung von Amerika im 16. Jahrhundert. "Die örtliche Schokolade war den Europäern allerdings viel zu bitter, also mischten sie Zucker hinzu, um es für den Geschmack der Alten Welt genießbar zu machen", erläutert Museumsleiterin Nauderer. Um das Jahr 1600 kam die Schokolade schließlich auch an die Fürstenhöfe Deutschlands. Wegen ihrer vermeintlich lebensverlängernden Wirkung wurde Schokolade vor allem als Arznei in Apotheken verkauft. Erst durch die Industrialisierung und eine effizientere Herstellung konnten sich auch einfache Bürger die Spezialität aus Übersee leisten.

Auch in Dachau gab es einen Schokoladenhersteller

Museumsleiterin Nauderer kam auf die Idee, eine Schoko-Ausstellung zu organisieren, nachdem sie erfahren hatte, dass es vor Jahrzehnten auch in Dachau eine Schokoladenproduktion gegeben hatte. Die aus Böhmen stammenden Brüder Franz und Hans Liebl kamen 1946 in den Landkreis und begannen bald darauf, eine Schokoladen-Fabrik an der Freisinger Straße in Dachau aufzubauen. In Spitzenzeiten sollen jeden Tag vier Tonnen Schokolade hergestellt worden sein. Die Süßigkeiten wurde unter der Marke "Estorial" verkauft. Allerdings fand die Dachauer Schokoherstellung bereits 1952 ein jähes Ende, nachdem Misswirtschaft und Finanzbetrug den Betrieb in den Ruin getrieben hatten.

Im Dachauer Bezirksmuseum können Besucher den Prozess der Schokoherstellung nachvollziehen - und auch geschmacklich erleben. Denn Gäste dürfen die rohe Kakaobohne probieren, um festzustellen, dass erst durch die Fermentierung der charakteristische Geschmack erlangt wird. "Wir wollen auch erreichen, dass Kinder nicht glauben, die Schokolade käme von der lila Kuh", wie Ursula Nauderer schmunzelnd berichtet.

Bittere Kehrseite

Doch nicht nur die süße Seite der beliebten Nascherei findet im Museum Beachtung. "Zur bitteren Wahrheit gehört, dass die Kakaobohnen teilweise unter schwersten Bedingungen und von Kindern auf den Plantagen geerntet wurden und werden", erklärt Nauderer. Die Bohnen, die im Bezirksmuseum verkostet werden können, stammen dagegen alle aus fairem Handel. Das gilt auch für das Stück Schokolade, dass jeder Besucher mit seiner Eintrittskarte erhält. Zudem veranstaltet das Museum in den kommenden Wochen Kurse, die sich jeweils an Erwachsene, Jugendliche oder Kinder richten. Teilnehmer lernen zum Beispiel, aus Rohkakao Schokolade zu machen sowie Pralinen herzustellen und individuell zu verpacken. Auch weihnachtliche Führungen werden angeboten. Die Adventszeit ist für die Schokoproduzenten übrigens ein besonderes Fest: So wurden im Jahr 2014 96 Millionen Nikoläuse und Weihnachtsmänner in Deutschland ausgeliefert, wie der Branchenverband BDSI mitteilt. 2015 wird es wohl ähnlich viel sein.

Durch die neuen Erkenntnisse bei der Vorbereitung der Ausstellung hat auch Museumsleiterin Ursula Nauderer ihren Schokoladenkonsum verändert. "Ich esse jetzt eher bittere Schokolade. Das ist bekömmlicher", sagt sie.

Die Ausstellung "Bittersüß - Vom Kakao zur Schokolade" findet von Freitag, 27. November, bis Sonntag, 17. April, im Bezirksmuseum statt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: