Dachau:Bauern protestieren gegen Schleuderpreise

Lesezeit: 2 min

  • 70 Landwirte protestieren vor Dachauer Discounter gegen die Schleuderpreise der großen Handelsketten.
  • Bauern spenden gekaufte Billigprodukte der Dachauer Tafel.
  • Polizeibeamter nimmt Personalen von Bauern-Obmann und Landtagsabgeordneten Anton Kreitmair auf.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Dienstag, 10.30 Uhr, fahren auf dem Parkplatz des Aldi-Markts im Dachauer Industriegebiet plötzlich große Traktoren vor. Es bildet sich eine Menschentraube aus der rote Plakate emporgehoben werden. "Schleuderpreise zerstören bäuerliche Familienbetriebe."

Schließlich betreten die 70 Landwirte und Bäuerinnen aus dem Landkreis Dachau die Filiale des Discounters in der Fraunhoferstraße. Im dichten Gedränge beladen sie Einkaufswagen mit Milch, Fleisch, Eiern und Gemüse, allesamt Produkte, die in ihren Augen viel zu billig veräußert werden - zu Lasten der Landwirtschaft.

"Unsere Landwirtschaft wird ans Messer geliefert"

Anton Kreitmair, CSU-Landtagsabgeordneter und Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband, hat erst am Sonntag zu der spontanen Protestaktion aufgerufen. "Die Rabattschlacht der Discount-Märkte muss endlich ein Ende haben", fordert er. "Ansonsten wird unsere Landwirtschaft ans Messer geliefert."

Kreitmairs Aufruf - "damit hätte ich im Traum nicht gerechnet" - sind am Dienstag 70 Bäuerinnen und Bauern aus dem Landkreis gefolgt. Ihnen ist klar, dass die Protestaktion das Preis-Dumping der großen Discount-Märkte nicht von heute auf morgen zu stoppen vermag. Dennoch bekunden sie öffentlich ihren Protest. "Wir wollen die großen Konzerne zum Nachdenken bewegen", sagt Kreitmair. Er will, wie er sagt, nicht einzelne Handelsketten anklagen, sondern die allgemeine Preispolitik.

"Schleuderpreise zerstören unsere Heimat!" Die 70 Bäuerinnen und Bauern demonstrieren ihren Unmut über die Billigpreise für Milch, Fleisch und Gemüse. (Foto: Toni Heigl)

Andrea Bernhard, Landwirtin aus Weitenried, nimmt eine Packung Schweineschnitzel aus dem Kühlregal, Kilopreis 5,98 Euro. "Das liegt absolut unter dem Normalpreis", sagt die Bäuerin und schüttelt den Kopf. Bernhard führt mit ihrem Mann einen Mastschweinbetrieb. Über die Preise ist sie fassungslos: "Wie sollen unsere ortsansässigen Metzger da noch ein Geschäft machen? Kein Wunder, das einer nach dem anderen schließt."

Pudding für 19 Cent

Stefan Krimmer, der in Ried einen Milchviehbetrieb bewirtschaftet, nimmt indes einen Schoko-Sahne-Pudding aus der Kühlung. "Das ist Wahnsinn", sagt er, als er auf dem Preisschild 19 Cent liest. "Diese Preise gefährden mein Einkommen. Wenn die Molkerei nicht mehr bekommt, kann sie mir auch nicht mehr geben. Ich bin der letzte in der Kette. Trotzdem muss ich meinen Betrieb am Laufen halten."

Krimmer und seine Kollegen kritisieren, dass die Discounter mittlerweile Preise anbieten, die deutlich unter den Produktionskosten liegen. Die großen Handelsketten bestimmen den Preis. "Am Ende sind wir Landwirte die Verlierer dieser Preisschlacht", glaubt Kreisbäuerin Emmi Westermeier. Zumal der Höhepunkt der Preisschlacht in eine Zeit fällt, in der die Bauern sich zunehmend mit existenzgefährdenden Problemen konfrontiert sehen. "Seit Wochen leidet die Landwirtschaft unter der extremen Hitze und Trockenheit", sagt Kreisobmann Kreitmair. Bei Kartoffeln, Mais und Grünland sei wegen der anhaltenden Hitze mit enormen Ernteeinbußen zu rechnen. "Der heiße Sommer hat uns Landwirten extrem zugesetzt. Und gleichzeitig sind die Preise, die wir für Milch und Fleisch, insbesondere Schweinefleisch bekommen, bereits seit einiger Zeit nicht mehr kostendeckend. Deshalb gehen wir jetzt auf die Straße", sagt Kreitmair.

Zehn große Traktoren fuhren am Dienstagvormittag auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarkts im Dachauer Industriegebiet vor. (Foto: Toni Heigl)

Einkäufe werden der Tafel gestiftet

Gemeinsam mit den anderen trägt Kreitmair Plakate durch den Einkaufsmarkt und klebt Aufkleber auf die Kartons, denen sie die Produkte entnehmen. Die Aufkleber leuchten so grell wie die unzähligen Rabattschildchen, die auf einer Großzahl der Milchprodukte haften. "Dieser Schleuderpreis zerstört", lautet die Botschaft der Bauern. Er zerstört "unser Leben", "das Leben unserer Tiere", "unsere Heimat", "unsere Zukunft".

Keine 200 Meter weiter betreten die Landwirte eine Lidl-Filiale. Eine Angestellte ruft die Polizei, weil sie befürchtet, es könnte geklaut werden, außerdem stört sie sich an den Traktoren auf dem Parkplatz. Die Bauern beenden ihre Einkäufe, die später der Dachauer Tafel gestiftet werden, trotzdem.

Ein Polizist nimmt Kreitmairs Personalien auf

Andreas Schuhbauer, ein Kunde des Geschäfts, hat Verständnis für die Protestaktion. "Die Bauern sollen ja auch etwas verdienen." Der Polizeibeamte, der inzwischen eingetroffen ist, nimmt vom Landtagsabgeordneten Anton Kreitmair die Personalien auf. Vielmehr aber erstaunt Kreitmair etwas anderes: Als er mit seinem halb vollen Einkaufswagen an der Kasse stand, befürchtete er, sein Geld würde nicht reichen. "Das kostet bestimmt 80 Euro", glaubte er. Kreitmair konnte zahlen: Es waren nur 24,24 Euro.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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