Prozess:Aus Bagatelle wird schwerer Raub

Ein 45-Jähriger muss sich vor dem Landgericht wegen schweren Raubes verantworten. Der Wert seiner Beute: zehn Euro.

Der Prozess beginnt mit einem Disput. Michael G., 45 und Frührentner, will schon selbst bestimmen, wie er sich verteidigt. Der Ratschlag seines Anwalts Tim Eller geht ihm auf die Nerven. "Ruhe, Herr Eller", zischt Michael G. den Verteidiger an, als dieser ihm am Dienstagmorgen vor der 1. Strafkammer am Landgericht München II nahelegt, doch besser den Mund zu halten und nichts zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zu sagen. Doch Michael G. will reden. Ende Januar dieses Jahres ist der 45-Jährige in ein leer stehendes Haus in der Olchinger Straße eingebrochen. Seine Beute: ein Teppichmesser. Wert: ungefähr zehn Euro. Eine Kleinigkeit, möchte man meinen. Doch dem ist nicht so. Die Staatsanwaltschaft hat unter anderem Anklage wegen schweren Raubes erhoben.

Einen Tag nach dem Diebstahl war Michael G. wieder in das Haus eingestiegen. Als es ein 62-jähriger Dachauer am Morgen des 28. Januar betrat, sah er, dass eine Glastüre im Eingangsbereich eingeschlagen worden war. Daraufhin ging er in das Haus und entdeckte Michael G. Der 45-Jährige hatte es sich bequem gemacht, weil es in der Nacht empfindlich kalt geworden war. Als der Dachauer ihn aufforderte, er solle sofort das Haus verlassen, soll G. entgegnet haben, dass dies "sein Haus" sei. Es kam zu einer Rangelei. Dabei zog der Angeklagte dem 62-Jährigen die Brille von der Nase. Wegen der Rangelei wird Michael G. auch Körperverletzung zur Last gelegt. Und das, obwohl sein Opfer bereits der Polizei gesagt hatte und es vor Gericht nun wiederholte, dass es nicht verletzt worden sei und keinerlei Schmerzen erlitten habe.

Die Polizei hatte wegen des gestohlenen Teppichmessers lediglich Ermittlungen wegen Diebstahls aufgenommen. Das Teppichmesser war dem 62-jährigen Dachauer allerdings egal, deshalb hatte er auch keinen Strafantrag gestellt. "Ärgerlich", so der Mann, sei nur die eingeschlagene Glastüre am Hauseingang gewesen. Besonders schwer wiegt aus Sicht der Anklage, dass G. bei der Auseinandersetzung ein Springmesser am Gürtel trug. Vor Gericht sagte der 62-jährige Dachauer allerdings ausdrücklich, er habe sich durch den Angeklagten nicht bedroht gefühlt, und das Messer an dessen Gürtel habe er überhaupt nicht bemerkt. "Eine Bagatelle" sei das Ganze gewesen, er wolle sich entschuldigen, sagte Michael G. und fügte hinzu, dass er sich "ein paar Sozialstunden" als Strafe vorstellen könne. Da er drogensüchtig sei, lasse er sich aber durchaus auch für eine Therapie "breitschlagen". "Das war's schon wieder", meinte der zehnfach vorbestrafte Angeklagte. Das Urteil des Gerichts steht noch aus.

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