Dachau:Aufatmen

Die "Lange Nacht der Wälder" genossen etwa 200 Besucher. Sie begaben sich auf die Spuren der Fledermäuse, erfuhren, warum der Biber keine Migräne bekommt und aßen Stockbrot am Lagerfeuer.

Von Petra Neumaier

Das unglückliche Weinen des kleinen Mädchens hallte durch den ganzen Wald. Trotzig und wie angewurzelt stand es am Ausgang zwischen ihren ratlosen Eltern und schluchzte nach Worten. "Ich will aber nicht gehen! Hier ist es viiieel schöner!" Recht hatte die Kleine, war doch die vierte und dank der Fußballweltmeisterschaft auch ruhigste Lange Nacht der Wälder im Dachauer Stadtwald ein Traum. Für all diejenigen, die statt Fernsehen einem romantischen Abend bei Lagerfeuer, Stockbrot, spannender Fledermaussuche, lustigem Theater, besinnlichen und interessanten Spaziergängen den Vorzug gaben.

Kein Schild wies den Weg, keine Schlangen parkender Autos säumten die Straße. Fast wie ausgestorben war es im Stadtwald und am Weiher - zumindest im Vergleich zum Vorjahr. Damals kamen etwa 600 Kinder und Erwachsene zur Langen Nacht der Wälder. Diesmal war es vielleicht gerade einmal ein Drittel. Fast schien es da, als atme der Wald auf: Herrlich frisch und würzig war die Luft und gespickt mit dem fröhlichen Gezwitscher unzähliger Vögel. Und mit ihm atmeten auch die Besucher auf, die den Andrang gar nicht vermissten. "Diesmal gibt es wenigstens noch genug Stockbrot", freuten sich zum Beispiel Florian Peters, 9, und sein vierjähriger Bruder Alex. Im vergangenen Jahr war der begehrte Teig trotz der 600 Portionen schon um 21 Uhr aufgeputzt. Und auch Mama Christiane war höchst zufrieden. "An den Info-Ständen kann man sich in Ruhe unterhalten", schwärmte sie.

Tatsächlich waren auch die Vertreter der Natur- und Tierschutzorganisationen, wie dem Landesbund für Vogelschutz (LBV), genauso glücklich über das Weniger an Besuchern. Begeistert gaben sie ihr Wissen gezielt weiter und freuten sich über jeden Interessierten. Aus der Biberberaterin Barbara Karcher sprudelten gar die Geschichten und Fakten über die possierlichen wie zerstörerischen Gesellen nur so heraus. Wie die ihrer ungebremsten Vermehrung, "dank des Fruchtwechsels auf den Feldern finden Biber jetzt ganzjährig einen gedeckten Tisch". Auch löste Barbara Karcher das Geheimnis um die Schachtel Aspirin auf, die zwischen den Fellen auf ihrem Tisch lag. Da des Bibers Hauptnahrung die Salicylsäure haltige Rinde von Weiden ist, sind die Tiere regelrecht mit dem Hauptbestandteil des Schmerzmittels vollgepumpt. "Migräne", schmunzelte die Fachfrau, "kennen Biber bestimmt nicht."

Dicht belagert, aber nicht wie sonst in zwei Reihen, war die Bastelstation des Integrationskindergartens im Wald. Eifrig rubbelten die Kinder seifenlaugendurchtränkten Filz zu Fledermäusen oder klebten aus Rinde, kleinen Ästen, Blättern und Zapfen traumhaft schöne Schiffe. An der Seite ihrer Sprösslinge vergaßen sogar die Papas vor lauter Kleben und Sägen die Fußball-WM.

Auf den weichen Pfaden - vom Forstamtmitarbeiter geführt oder auf eigene Faust - entdeckten Eltern wie Kinder den dunklen Wald mitsamt einigen ausgestopften Bewohnern. Ein Eldorado für kleine Abenteurer, die mit ihren Taschenlampen ins Dickicht leuchteten und bei jedem entdeckten Tier vor Glück aufjauchzten. Ein erfolgreiches Debüt hatten am Fuße des Rodelberges die drei Köpfe der Organisation "kreativo" (Michaela Soiderer, Stefan Asenbeck und Erhard Neumann) mit ihrem lustigen wie lehrreichen Theaterstück. Am 27. September laden sie erneut in den Stadtwald, um mit dem Bau eines Weiden-Tores den "Wald der Vielfalt" ins Leben zu rufen.

Höhepunkt war aber wieder die Fledermausführung von Hartmut Lichti (LBV). Und nicht erst jetzt atmete auch der Mitinitiator und Förster Franz Knierer, zuständig für den Dachauer Stadtwald, glücklich auf. Freilich habe er mit der Stadtverwaltung überlegt, die Veranstaltung wegen der WM zu verlegen. Aber so, mit den wenigen und dafür umso interessierteren Besuchern, gefiel es ihm viel besser: "Wir wollen ja keinen Rummel haben", sagte er und hofft, dass die Lange Nacht der Wälder in Dachau weiterhin ein Geheimtipp bleibt.

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