Bettina Kreppold:Auf der Schokoladenseite

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Vom Dachauer Hinterland in die Modemetropole Paris: Die 21-jährige Bettina Kreppold läuft als Model auf internationalen Fashionshows über die Laufstege - obwohl sie lieber Süßes isst als Obst.

Von Julian Erbersdobler, Dachau

Bettina Kreppolds Karriere beginnt mit einer ordentlichen Portion Mousse au Chocolat. Sie hätte an jenem Tag auch zur Obstschale greifen können. Wer weiß, ob diese Geschichte dann an dieser Stelle zu lesen wäre. Aber das Leben ist kein Konjunktiv.

Ein Model-Casting, irgendwo in München, Ende 2011. Bettina ist gerade mal 17, als sie am Buffet von der besagten Mousse au Chocolat nascht und die Jury zum Lachen bringt, weil sie anders ist. Anders als die vielen anderen gut aussehenden, dünnen Mädchen, die Obst bevorzugen. Es ist ihr erstes Casting in der Branche. Das war vor vier Jahren. Im Gespräch in Halle D auf der Regionalmesse Diva muss Bettina Kreppold, 21, rote Nägel, schwarze Stiefel, immer wieder schmunzeln, als sie darüber nachdenkt. Die Mousse au Chocolat, ihre Tollpatschigkeit, aber vor allem über ihren Karrierestart, der aus der Feder eines amerikanischen Drehbuchautors stammen könnte.

Bettina stand früher nie vor dem Spiegel und hat Catwalk-Training gemacht und Heidi Klums Fernsehmodels angehimmelt. Sie kommt aus einem Dorf im Dachauer Hinterland. Den Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Vielleicht auch, weil sie immer noch in diesem Dorf im Dachauer Hinterland lebt. Wenn sie ein Wort beschreibt, dann: bodenständig. "Ich hatte als Kind schiefe Zähne und immer schon sehr lange Beine", sagt sie bei einer Cola, während nebenan eine Modenshow in der Messehalle startet. "Ich war eine Exotin, unscheinbar." Als sie ihrem Vater damals erzählt, dass sie mit 17 nach Paris fliegen wird, um auf der Fashionweek zu laufen, sagt der nur: "Da können wir gerne später drüber reden, gerade läuft Sportschau."

Mittlerweile hat sich die "Exotin" in der Modelszene einen Namen gemacht. Sie glänzt in Magazinen wie der Cosmopolitan, posiert für Fotoshootings, läuft auf Fashionweeks in Berlin, Mailand, Paris. Sogar im Fernsehen war sie schon zu sehen, 2012, bei der ProSieben-Show "Fashion Hero", die niemand Geringeres als Claudia Schiffer präsentierte.

Das Timing passt

Aber wie hat alles angefangen? Wie kam es zum ersten Casting? Wieder eine lustige Geschichte, natürlich. Sie spielt im Münchner Olympia-Einkaufszentrum: Bettina Kreppold hat sich für einen Modelcontest beworben, läuft einmal, fliegt in der Vorrunde raus. Im Publikum wird sie angesprochen. Von einem Mann, der ihre Maße wissen will. Bettinas Antwort: "Weiß ich nicht." Der Mann wird ihr erster Agent. Danach soll sie schon bald in Paris auf der Fashionweek laufen. Vom Dachauer Hinterland ohne Umwege in die europäische Modemetropole. Bettina geht noch zur Schule, als die Mitschüler ihre Homestory in der Bravo lesen und ihre Lehrer sie auf die Fashionweek-Bilder ansprechen. Gerade läuft "Happy" von Pharell Williams über die Boxen in Halle D. Das Timing passt. Wie so oft in ihrem Leben.

Bettina Kreppold liebt ihren Job; sie lebt den Traum vieler junger Menschen, schwärmt von der Arbeit und doch ist sie auch eine Frau, die heute sagt: "Das ist ein gefährliches Geschäft. Man muss aufpassen." Nicht nur bei den Angeboten, sondern auch bei der Auswahl der richtigen Agentur. Es geht um viel Geld. In einigen Fällen sogar um sehr viel Geld. Und das nehmen einige Agenturen besonders gerne von besonders blauäugigen Mädchen. Bettina kennt Agenturen, die mehr als die Hälfte der Gage kassieren. Mit anderen Worten: "Man wird verarscht, wenn man nicht aufpasst."

"Es ist nicht so, dass du zweimal im Monat arbeitest und dann hast du deine Miete zusammen." Aber natürlich lasse sich bei bestimmten Jobs auch gutes Geld machen, sagt sie. Der Preis: Dafür darf man sich auch jede Menge anhören. Mal zu dick, mal zu dünn, mal zu groß, mal zu klein. "Das muss man wegstecken können." Sie erzählt von einem Casting in Mailand. Das Dachauer Model hat einen Zentimeter mehr auf den Hüften als in ihrer Setcard. Die Reaktion der Agentur: Paris, Athen, auf Wiedersehen.

Berufsziel: Anwältin

Bettina Kreppold hat noch ein Leben neben dem Modeln, ein Privat-Leben. Drei Nichten, die allen erzählen, wie toll ihre Tante Betty ist. Das Fernstudium in Erding, Wirtschaftsrecht. Den Traum, später einen Master in London zu machen, einmal Model und Anwältin sein. Sie hat nie alles auf eine Karte gesetzt, nach der Mittleren Reife noch das Abi nachgeholt. Tippt man ihren Namen bei Google ein, finden sich nur wenige Bilder. Facebook? Twitter? Instagram? "Ich brauche so was nicht", sagt sie. "Manchmal arbeite ich auch unter einem anderen Namen." Nicht jedes Bild sei auch für die Nachbarn bestimmt. Auch, weil jeder jeden kenne.

"Im Frühjahr gehe ich wahrscheinlich wieder nach Mailand." Gerade spielt sie mit dem Gedanken, sich einer Pariser Agentur anzuschließen, erzählt das Model . Ihre beschauliche Heimat werde sie dafür aber nicht verlassen. "Das geht auch so." Die nächste Mousse au Chocolat könnte schließlich auch im Dachauer Hinterland auf sie warten.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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