Dachau:Arzt aus Überzeugung

90. Geburtstag

Es braucht Überredungskunst, um Turba fotografieren zu dürfen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Als Kind wollte er Förster werden, zum Glück für die Dachauer entschied er sich anders. Zum 90. Geburtstag von Hans Turba

Von Jeannette Oholi, Dachau

Schon um acht Uhr in der Früh stehen die ersten Gäste vor der Tür. Ein richtiger Trubel herrscht in dem alten Pollnhof in Dachau. Immer wieder stoßen neue Gratulanten hinzu, die im hellen Esszimmer im ersten Stock des Hauses Platz nehmen. Neben dem langen Esstisch stehen Geschenke und Glückwunschkarten aufgereiht. Ein schön verwobener Blumenkranz in Form einer 90 weist darauf hin, dass der Tag ein besonderer ist. Es ist der 90. Geburtstag von Hans Turba. Er freut sich sichtlich über die vielen Gäste.

Viele Dachauer kennen Hans Turba als Arzt. Tatsächlich ist er einer der prägendsten Figuren der Dachauer Nachkriegszeit.

Er ist ein herzlicher und bescheidener Mensch, der sich für andere einsetzt, ohne großes Aufheben um sein jahrzehntelanges Engagement zu machen. Turba arbeitete in mehreren Krankenhäusern in München und andern Orten in Oberbayern. So auch im Klinikum Dritter Orden und im Krankenhaus in Burghausen. Mehr als 40 Jahre betrieb Hans Turba als Allgemeinmediziner eine eigene Praxis, die er 1958 in Dachau eröffnet hatte. Mehrere Generationen Dachauer gingen bei ihm ein und aus. Vor allem die Geburtshilfe hat dem Arzt immer viel Freude bereitet. Im Jahr 1976 war er einer der ersten Notärzte im Landkreis, die vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in das damals bayernweit einmalige und erstmals in Dachau eingeführte Notarzt-Rendezvoussystem eingebunden wurden. Ein Rettungswagen und der Notarzt mit eigenem Fahrzeug werden gleichzeitig alarmiert, so dass beide unabhängig voneinander und dadurch viel schneller zum Einsatzort gelangen. Das System ist heute Standard. Niedergelassene Ärzte leisteten in den Nächten und am Wochenende den Notarztdienst. "Zwei, drei Mal sind wir die ganze Nacht durchgefahren", erinnert sich Turba. Seit 1991 arbeitete er auch bei der Auslandshilfe des Bayerischen Roten Kreuzes mit und begleitete Hilfsgütertransporte in die Ukraine. Neben Kleiderspenden gelangten durch seine Hilfe Lebensmittel, Reinigungsmittel und ein Klinikset in den Südwesten der Ukraine. Viele Konvois folgten und medizinische Apparate wie Ultraschallgeräte wurden in die Ukraine transportiert. Dort erklärte Hans Turba den ansässigen Ärzten die Funktionen der Geräte. Bis zum heutigen Tag ist Hans Turba ehrenamtlich für das BRK tätig.

Dass sich Turba für den Arztberuf entschied, war ein Glück für Dachau und die Region. Eigentlich wollte er nämlich Förster werden. Da es in Turbas Kindheit in Dachau keine weiterführende Schule gab, besuchte er ein Internat in Neuburg an der Donau. Zum Internat gehörte ein Wald, den Turba zusammen mit einem Freund erkundete. "Dort habe ich meine Liebe zur Natur entdeckt", sagt Turba. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs konnte Turba sein Abitur nachholen. Seinen früheren Berufswunsch verwarf er, da er sich für den Forst als untauglich empfand. "Ich habe mich also auf die Medizin zurückbesonnen." Schon sein Urgroßvater und sein Großvater sind Ärzte gewesen. Rückblickend sei die Entscheidung, Arzt zu werden, richtig gewesen, sagt Turba.

Maria Turba, seine Frau, arbeitete viele Jahre mit in der Praxis. "Wir waren ein eingespieltes Team", sagt sie. "Ohne Maria wäre es nicht gegangen", sagt er. Die Familie liegt Turba sehr am Herzen. Gegenseitig umsorgen sich die einzelnen Familienmitglieder. Steht Hans Turba zu lang neben dem Tisch und erzählt aus seiner Vergangenheit, bietet ihm seine Frau ihren Stuhl an. Hans Turba war immer viel in Bewegung. Während seiner Einsätze in der Ukraine trug ihm das den Spitznamen "Dr. Turbo" ein. Zwar war es ein Fehler der Dolmetscherin, aber ein passender Name, wie auch die Familienmitglieder des aktiven Arztes bestätigen.

Auf dem Tisch stehen mittlerweile leere Sektgläser, die ersten Gäste verabschieden sich. "Wenn Doktor Turba 100 wird, sehen wir uns wieder", sagen sie. Langsam kehrt die Ruhe in den Pollnhof zurück - vorerst nur so lange, bis die nächsten Gäste kommen.

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