Dachau:Anwälte der Arbeiterbewegung

Lesezeit: 2 min

Das Jugendzentrum Freiraum beteiligt sich kritisch an den Gedenkfeierlichkeiten in Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Die Assoziation autonomer Umtriebe in Dachau und eine Diskussion zur Zeitgeschichte im Freiraum

Von Maurice Stiehl, Dachau

Die zum linken Spektrum in Dachau zählende Gruppe "Assoziation autonomer Umtriebe" kritisiert zwei Wochen vor Beginn der offiziellen Feierlichkeiten zur Befreiung des Konzentrationslagers vor 70 Jahren die zu geringe Berücksichtigung des NS-Widerstands der Arbeiterbewegung im damaligen Deutschland - und speziell in Dachau. Beleg dafür ist ihrer Ansicht nach der noch immer viel zu wenig thematisierte Dachauer Aufstand. Auf einer Diskussion im selbstverwalteten Jugendzentrum Freiraum in Dachau erörterte sie dessen Geschichte.

"Hinweis auf Widerstand von Dachauern gegen NS-Regime (1945)." So steht es auf dem Straßenschild des Widerstandsplatzes in der Dachauer Altstadt. Erinnern soll der Platz an den 28. April 1945, jedoch ohne ihn genauer zu erklären. Wer hat Widerstand geleistet? Wann, warum, wie und weshalb? War dieser gar erfolgreich? All diese Fragen bleiben am Ort unbeantwortet, von 1950 an fehlte das Schild sogar, es wurde erst 1980 erneuert. "Die offizielle Doktrin der Stadtpolitik war lange Jahre das Vergessen", sagte Thomas, einer der Sprecher der antifaschistischen Gruppe Assoziation autonomer Umtriebe. Er will, wie alle anderen der Gruppe, den vollen Namen nicht nennen. Die Gruppe möchte nach eigenen Angaben einen Kontrapunkt "zur offiziellen, eindimensionalen Geschichtsschreibung" setzen. Sie betont, "dass der Widerstand gegen den Nationalsozialismus oft aus der Arbeiterbewegung kam, von Kommunisten, Gewerkschaftern und Antifaschistinnen."

Deshalb ist ihnen der Dachauer Aufstand so wichtig, weil sich an ihm ungefähr 60 KZ-Häftlinge beteiligten, die von Dachauern versteckt worden waren; darunter ehemalige Spanienkämpfer. Am 28. April 1945 stürmten sie gemeinsam mit Bewohnern von Stadt und Landkreis das Rathaus und hielten es für mehrere Stunden besetzt - mit dem Ziel, bis zum Eintreffen der US-Streitkräfte standzuhalten und weitere Morde der SS zu verhindern. Der Aufstand wurde von der SS jedoch blutig niedergeschlagen, sechs Menschen starben. Am 29. April wurde das KZ-Dachau befreit.

Der Aufstand sei ein Akt des Widerstandes, der in der Geschichte kaum Erwähnung findet, der ohne das Wirken Einzelner in Vergessenheit geraten wäre. "Im Effner wurde der Dachauer Aufstand in Geschichte nie erwähnt", ruft ein Zuhörender in den Raum. Damit meint er das Dachauer Josef-Effner-Gymnasium.

Bei dem Vortrag präsentierte die Antifa-Gruppe nicht nur den von SZ-Redakteur Hans Holzhaider recherchierten Hergang des Dachauer Aufstandes, sondern beleuchtete auch die Rolle der Stadt während der Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Bis in die 1980er Jahre sei vieles verschwiegen worden. Das erste offizielle Gedenken an den Aufstand habe 1988 stattgefunden, 43 Jahre später.

Bis in die 1980er Jahre hinein habe es erheblichen Widerstand aus Politik, Behörden und Bevölkerung gegen Dachau als Gedenkort gegeben. So wurde 1955 aus Reihen der CSU und der Bayernpartei der Abriss des Krematoriums gefordert. Erst 1965 wurde die KZ-Gedenkstätte in Dachau offiziell eröffnet. Noch im Jahr 1986 kündigte der CSU-Politiker Georg Englhard, zweiter Bürgermeister Dachaus von 1984 bis 2002, bei einer Abstimmung in einem Bierzelt an, die Eröffnung des Jugendgästehauses verhindern zu wollen. Die Antifa-Gruppe folgert daraus: "Es gilt, das Erinnern selbst in die Hand zu nehmen, gegen das Vergessen und für eine emanzipatorische Gesellschaft."

Auf die Frage der SZ, wie dies geschehen soll und was für eine Art des Gedenkens die Gruppe denn nun vorschlage, verwiesen deren Sprecher auf die bereits stattgefundenen Mahnwachen. Sie sollen fortgesetzt werden. Außerdem wollen sie mehr Vorträge anbieten, in denen die Arbeiterbewegung in den Fokus rückt.

Die Gruppe betonte ausdrücklich die Leistung des SZ-Redakteurs Holzhaider, der in den frühen Achtzigerjahren die Geschichte des Dachauer Aufstandes recherchiert hatte. Er hat eine Ausstellung konzipiert, die am Dienstag, 28. April, 70 Jahre danach, im eigens vor dem Rathaus aufgestellten KVD-Ausstellungskubus eröffnet wird.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: