Dachau:"Als Anwalt kann man dabei viel lernen"

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Juristin Cristina Giner Rommel gibt bedürftigen Bürgern Tipps, wie sie bei Rechtsstreitigkeiten vorgehen sollen. (Foto: oh)

Cristina Giner Rommel über den Sinn der kostenlosen Rechtsberatung und die Voraussetzungen, dass sie bewilligt wird

Interview von Robert Stocker, Dachau

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, unabhängig von ihrem sozialen Status oder ihrem Vermögen. Ein hehrer Grundsatz, der in der Praxis an seine Grenzen stößt. Denn wie kommen Bürger zu ihrem Recht, wenn sie sich keinen Anwalt leisten können? In solchen Fällen bietet der Münchner Anwaltverein in Kooperation mit dem Dachauer Amtsgericht eine kostenlose Rechtsberatung an. Wer beispielsweise Streit mit seinem Arbeitgeber oder Vermieter hat, kann sich an die Antragsstelle für Beratungshilfe im Amtsgericht wenden. Wer einen Antrag stellen will, muss seine Einkommensverhältnisse offen legen. Auch Unterlagen zu den Fällen sind erforderlich. Beratung gibt es in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten, vom Straf- bis zum Asylrecht. Neben anderen Kollegen gibt auch die Anwältin Cristina Giner Rommel bedürftigen Bürgern Tipps, wie sie bei Rechtsstreitigkeiten vorgehen sollen. Beratungszeiten sind am Dienstag von 9 bis 12 Uhr.

SZ: Frau Giner Rommel, wer seinen Job verloren hat, kann sich wahrscheinlich keine hohen Summen für einen Anwalt leisten. Nehmen solche Fälle zu?

Cristina Giner Rommel: Ich mache auch am Münchner Amtsgericht eine Rechtsberatung. In Dachau ist es diesmal sehr ruhig, in München hatte ich am Montag drei Fälle in drei Stunden. Auch bei meiner letzten Beratung in Dachau war die Sprechstunde voll. Die Anzahl der Mandanten hängt auch vom Wetter ab. Aber die Tendenz ist steigend. Generell kommen viele Ausländer. Sie bringen oft Übersetzer mit.

Welche Rechtsstreitigkeiten kommen besonders häufig vor?

Wir beraten in fast allen Rechtsgebieten, im Strafrecht, Miet- oder Arbeitsrecht. In München geht es häufig um Mietrechtsfälle, etwa, wenn der Vermieter gekündigt hat. Auch Kündigungen des Arbeitgebers beschäftigen uns oft. Wir beraten die Mandanten, wie sie auf solche Kündigungen reagieren sollen und formulieren Antwortschreiben. Das müssen wir allerdings handschriftlich machen, weil es im Büro keinen Computer gibt.

Können Sie konkrete Fälle nennen?

Am Montag habe ich in München drei Beratungen gemacht. Es ging um einen Strafrechtsfall und ums Asyl-und Arbeitsrecht. Ein Ausländer hatte einem Polizisten einen Finger gebrochen. Im zweiten Fall wollten Eltern wissen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft für ihr Kind beantragen können, wenn es in Deutschland geboren ist. Im dritten Fall ging es um die Frage, ob eine Frau vor dem Ablauf der Elternzeit in ihren Job zurückkehren kann.

Wer kann die kostenlose Beratung in Anspruch nehmen?

Ein Hartz-IV-Empfänger ist zum Beispiel automatisch berechtigt. Er muss aber dafür einen Nachweis bringen. Wer einen Antrag auf Beratungshilfe stellen will, muss seine Bedürftigkeit belegen. Etwa mit seiner letzten Lohn- oder Gehaltsabrechnung, mit seinem aktuellen Rentenbescheid, mit dem Nachweis über den Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. Auch ein Schüler- oder Studentenausweis und ein gültiger Lehrvertrag ermöglichen eine Rechtsberatung. Auch Unterlagen zum Vermögen sind erforderlich. Mitzubringen sind auch Reisepass oder Personalausweis sowie Unterlagen, die zum Fall gehören.

Wie erhalten die Leute einen Termin?

Die Mandanten müssen persönlich in der Antragsstelle erscheinen, ihre Unterlagen vorlegen und den Antrag ausfüllen. Eine Rechtsauskunft am Telefon gibt es nicht. Über die Bewilligung der Kosten entscheidet die Antragsstelle für Beratungshilfe. Wir Anwälte stellen einen Schein dafür aus. Wenn es zu einem Verfahren kommt, vermittelt die Beratungshilfe einen Pflichtverteidiger. Die Kosten dafür übernimmt der Staat.

Wie wird die Rechtsberatung finanziert?

Für die Beratung wird ein Kostenbeitrag von sechs Euro erhoben. Die Anwälte erhalten nur eine minimale Vergütung, die in keinem Verhältnis zum Aufwand steht. Aber die Beratung macht auch Spaß. Als Anwalt kann man dabei viel lernen. Es kommen auch seltene Rechtsfragen vor, über die man sich erst informieren muss. Auch von den Mandanten kann man viel lernen, zum Beispiel, wenn es um das Asylrecht geht.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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