Nachwuchsprobleme bei der Feuerwehr:Alarm!

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Die Feuerwehren im ganzen Landkreis sorgen sich um den Nachwuchs. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der jungen Mitglieder um 30 Prozent auf insgesamt 330 Jugendliche gesunken. Wie aber kann dieser Abwärtstrend gestoppt werden?

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die Freiwilligen Feuerwehren sind immer noch tief verankert in der dörflichen Struktur. Der Gesellschaft erweisen sie einen überlebenswichtigen Dienst, indem sie voll gelaufene Keller auspumpen, Unfallstellen absichern oder eingeklemmte Personen aus Autowracks befreien. Ganz nebenbei veranstalten sie auch noch Fahnenweihen, Dorffeste oder stellen Maibäume auf, wie kürzlich in Dachau geschehen. Für Jugendliche, so denkt man, müsste ein solches Ehrenamt doch sehr reizvoll sein. Doch die vergangenen Jahre haben gezeigt: Die Zahl der Jugendlichen, die sich in den Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis engagieren, wird kontinuierlich kleiner. Der Dachauer Kreisbrandrat Franz Bründler sagt: "Es ist eine bedenkliche Situation. Und wir kennen noch keine Lösung."

Bei einem Brand in Ampermoching im Herbst vergangenen Jahres waren zahlreiche Feuerwehren des Landkreises im Einsatz. (Foto: Toni Heigl)

Der Jahresbericht 2016 der Kreisbrandinspektion und des Kreisfeuerwehrverbands spricht eine eindeutige Sprache. Die Zahl der jungen Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner in den 67 Feuerwehren des Landkreises lag Ende des vergangenen Jahres nur noch bei 330 Mitgliedern. Im Vergleich zu 2007 ist die Zahl um 146 Jugendliche gesunken, das entspricht einem Rückgang von mehr als 30 Prozent. Der stete Abwärtstrend bereitet den Feuerwehren große Sorgen. Wer soll in Zukunft bei Unfällen oder Bränden ausrücken, wenn keine jungen Ehrenamtlichen mehr nachkommen?

Überangebot an Sportvereinen

Kreisbrandrat Bründler klingt wehmütig, wenn er über frühere Zeiten spricht. Damals, so betont er, sei es als junger Bursche noch selbstverständlich gewesen, bei der Freiwilligen Feuerwehr dabei zu sein. Wer auf dem Land aufgewachsen ist, weiß wovon er spricht. Fast alle Freunde versammelten sich im Burschenverein, der Feuerwehr und dem Sportverein zugleich. Die Vereine waren der gesellschaftliche und soziale Mittelpunkt des Dorfes. Heute, so glaubt Bründler, fehle den Jugendlichen durch die steigenden Anforderungen durch Schule und Berufsausbildung schlicht die Zeit. Sport und Feuerwehr unter einen Hut zu bringen, sei kaum mehr darstellbar, sagt Bründler. "Wenn du zum Sport und zur Feuerwehr gehen willst, dann ist die Belastung massiv. Und die meisten Eltern würden das gar nicht erlauben." Bei der Entscheidungsfindung ziehe die Feuerwehr meist den Kürzeren gegen das "Überangebot an Sportvereinen", beklagt Bründler.

Einen anderen Grund sieht der Kreisbrandrat in der Nähe des Dachauer Landkreises zur Landeshauptstadt München, die eine Vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten biete. Den Kinobesuch oder den Abstecher in eine Bar ziehen junge Menschen einem Vereinsabend heutzutage oftmals vor. Das soziale Miteinander habe sich vom Dorf zunehmend in die Stadt verlagert, was die Jugendarbeit zunehmend erschwere. Und generell glaubt Bründler: "Die Jugendlichen sind vielleicht auch bequemer geworden und sitzen lieber zuhause am Computer, weil sie sowieso schon so viel Stress haben."

Schwer, die Jugendlichen zu halten

Der Kreisbrandmeister Maximilian Reimoser wurde schon als kleines Kind von seinem Vater, dem ehemaligen Kreisbrandrat Rudi Reimoser mit zur Feuerwehr genommen. Mit 14 Jahren trat er der Jugendfeuerwehr bei und legte eine steile Karriere bis zum Kreisbrandmeister hin. Ein Werdegang wie seiner wird allerdings immer seltener. "Selbst wenn man die Jugendlichen bekommt, ist es wahnsinnig schwer, sie bei der Feuerwehr zu halten", sagt Reimoser. Auch er führt als Ursache das immer größer werdende Unterhaltungsangebot an. Entscheidend ist in seinen Augen aber die neue Mobilität und Flexibilität, die Studium und Beruf erfordern. Besonders in einem Auspendlerlandkreis wie Dachau sei es nicht mehr üblich, dass die Dorfbewohner auch in der Ortschaft arbeiten und die nötige Zeit und Nähe haben, um sich bei der Feuerwehr zu engagieren. Junge Mitglieder gingen häufig weiter weg, um zu studieren und kämen erfahrungsgemäß nicht wieder zur Feuerwehr zurück, sagt Reimoser. "Die Gesellschaft hat sich total gewandelt."

Die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis unternehmen vieles, um dem Nachwuchsmangel entgegenzusteuern. Zahlreiche Feuerwehren besuchen bewusst die Grundschulen, wenn in der dritten Klasse Branderziehung auf dem Lehrplan steht. Die Klassen werden zudem eingeladen, die Feuerwehrhäuser zu besuchen. Die Kleinen dürfen sich dann ins Feuerwehrauto setzen und die verschiedenen Geräte erforschen. Hauptsache, ihre Begeisterung wird irgendwie geweckt. Hinzu kommen vielfältige Werbeaktionen. Veranstaltungen wie Tage der Offenen Türe werden gezielt dazu genutzt, um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Andere Feuerwehren wie beispielsweise die Petershausener schreiben alle Jugendlichen der Gemeinde über eine Postsendung an, um sie zu einem Aktionstag einzuladen. Erschienen waren in Petershausen am Ende des Tages aber nur zwei Kinder, wie Kreisbrandrat Bründler ernüchtert bilanziert.

Erste Kinderfeuerwehr im Landkreis

Auch die Kommunalpolitik will dabei helfen, den Abwärtstrend zu stoppen. Das Eintrittsalter zu den Jugendfeuerwehren wurde vielerorts bereits herabgesetzt. Nachdem es oftmals Unsicherheiten und Bedenken gab, ist mittlerweile gesetzlich geregelt, dass die Kommunen die Unfallversicherungen für die jungen Feuerwehr-Mitglieder übernehmen. In Lauterbach in der Gemeinde Bergkirchen hat die Freiwillige Feuerwehr vor sechs Jahren die erste Kinderfeuerwehr im Landkreis Dachau gegründet. Die Resonanz ist sehr gut. Kreisbrandrat Bründler befürwortet derartige Initiativen. Er sagt aber mit Blick auf die große Belastung der Ehrenamtlichen: "Das ist ein massiver Aufwand."

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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