Bürgerversammlung:Dachauer sind genervt vom Lärm

Die Bürger in der Altstadt bewegen besonders zwei Themen: der Lärm durch den Verkehr und der geplante Neubau des Landratsamts.

Von Petra Schafflik, Dachau

Einen Nachtzuschlag, wie er ihn mit Blick auf die fortgeschrittene Stunde augenzwinkernd einforderte, wird Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) vermutlich nicht erhalten. Doch der Gedanke an so eine Prämie war nicht abwegig bei der Bürgerversammlung für die Altstadt, die mit einer intensiven Debatte sogar die lebhafte Veranstaltung von voriger Woche in Dachau-Ost überbot. Vor den Bürgerfragen informierte wie bereits bei der Versammlung in Dachau-Süd erneut Experte Roland Hoepffner über den Staudamm-Bau an der Amper. Im Winter hatte das Projekt wegen intensiver Baumrodungen für Unmut gesorgt. Nun ist der erste Abschnitt abgeschlossen und die Kritik verstummt. Viel mehr bewegen die Bürger jetzt andere Themen. Neben alltäglichem Ärger über Müll, Falschparker und fehlende Ruhebänke sind das zwei Aufreger: Gegen die Neubau-Pläne für die Kreisbehörde gehen die Anwohner des Landratsamts auf die Barrikaden. Und die Bewohner der Innenstadt nervt die steigende Verkehrs- und Lärmbelastung. Eine nächtliche Tempo-30-Zone, die der Verkehrsausschuss des Stadtrats für Mittermayer- und Teile der Ludwig-Thoma-Straße beschlossen hat, geht Manfred Wickjürgen nicht weit genug. In einem Bürgerantrag, den die Versammlung billigte, forderte er Tempo 30 "ab Mittermayer Straße bis zur Festwiese, besser bis zur Münchner Straße an der Einmündung Hermann-Stockmann-Straße."

Wo lauschig der Mühlbach plätschert, übertönen auch mitten in der Nacht röhrende Motoren die Ruhe, erklärte Manfred Wickjürgen im Namen seiner Nachbarschaft. Motorrad-Rennen würden ausgetragen, Lärmwerte jenseits von 90 Dezibel seien keine Seltenheit im "schwarzen Loch des Lärms", wie der Anwohner der Ludwig-Thoma-Straße unter Applaus der Versammlung erläuterte. Auch die äußere Münchner Straße "verkommt zur Rennstrecke", beklagte ein anderer Redner, der dort Schallmessungen durchführt und sagt: "Über Werte von 80 Dezibel wäre ich schon froh." Heike Stössel lebt an der Amperbrücke. "Dort können wir wegen des Lärms unseren Balkon nicht mehr nutzen." Wohnungen würden gebaut "ohne schlüssiges Verkehrskonzept", klagt die Bürgerin. Dass es zu laut ist an den Durchgangsstraßen, hat auch ein Lärmgutachten der Stadt ergeben. Als Gegenmaßnahme hat der Verkehrsausschuss des Stadtrats im März ein nächtliches Tempo-Limit festgelegt, das aber auf Drängen der CSU nur für eine kurze Strecke der Mittermayer-Straße bis zum Fabrikberg gelten soll.

"Neue Straßen zu bauen ist in der Stadt unmöglich"

Das geht Manfred Wickjürgen nicht weit genug. "Dieser Beschluss ist ohne Vision und deshalb falsch." Das sehen offenbar mehr Bürger so. Der Antrag von Wickjürgen, die Tempo-30-Zone in den Nachtstunden möglichst weit, nämlich bis zur äußeren Münchner Straße auszudehnen, wurde im Saal von einer Mehrheit befürwortet, nur wenige Teilnehmer stimmten mit Nein. Dieser Bürgerantrag wird nun von Ausschuss oder Stadtrat behandelt. Doch ganz allgemein sei es "schwierig, das Thema Verkehr in Dachau anzugehen", erklärte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). "Neue Straßen zu bauen ist in der Stadt unmöglich, man kann einzig das Busangebot ausbauen und den Radverkehr fördern." Ein übergreifendes Verkehrskonzept für den Landkreis, das gerade erstellt wird, mache Sinn, "geht aber auch nur sehr langsam voran." Und mit Umgehungsstraßen sei in Kürze nicht zu rechnen. Weil es an Entschiedenheit fehle, monierte Edi Hörl. Die Stadt sollte "Geld in die Hand nehmen und das vorantreiben." Verkehrsprobleme seien in der Metropolregion München mit Straßenbau oder Verkehrsmaßnahmen überhaupt nicht zu lösen, hielt der ehemalige CSU-Stadtrat Christian Stangl entgegen. Er plädierte dafür, "das Konzept Metropolregion kritisch zu hinterfragen". Nur so ließen sich Verkehrsströme entflechten, die Belastung reduzieren.

Aber die Bürger drücken weitere Sorgen: Stocksauer sind die Anwohner des Weiherwegs über die Neubau-Pläne des Landratsamts. Erst habe die Behörde ihr für eine Erweiterung gedachtes Grundstück an die Sparkasse verkauft. "Jetzt plant das Landratsamt, die noch freie Fläche mit Monsterbauten zu verschandeln", klagte Uschi Kohl. Eine Erweiterung des Landratsamts führe für die Anwohner zu mehr Verkehr, steigendem Parkdruck und einem Verlust der Wohnqualität. Am Bahnhof, findet die Bürgerin, wäre ein neues Landratsamt besser aufgehoben. An die Stadträte appellierte Kohl "zum Wohle der Bürger zu entscheiden, Parteiinteressen hinten anzustellen." Zudem entsprächen die Neubau-Pläne des Landkreises, die der Bauausschuss mit CSU-Mehrheit in einer Version per Vorbescheid gebilligt hat, in keiner Weise der umliegenden Bebauung, betonte Alexander Böswirth. Folglich sei der Bescheid "schlicht rechtswidrig." Böswirth forderte, die Entscheidung der Regierung von Oberbayern zur Prüfung vorzulegen. Auch die Bürger wissen, "dass das Landratsamt Platz braucht", plädieren aber für ein Bebauungsplanverfahren, wie es Landrat Stefan Löwl (CSU) jetzt ebenfalls anstrebt.

Ärger über Staudamm-Sanierung an der Amper hat sich gelegt

Wo Verkehr und neue Bauvorhaben Dauerbrenner sind, hat sich die Wut über die Staudamm-Sanierung an der Amper offenbar gelegt in der Stadt. Nachdem Experte Hoepffner erklärt hatte, dass laut rechtlichen Vorgaben an einem Staudamm eigentlich kein einziger Strauch oder Baum wachsen darf, gab es aus der Versammlung keine Kritik mehr. Manfred Schuster fragte, ob nicht der Fluss tiefer gelegt werden könnte statt teure Staudämme zu errichten. Doch für die Stromerzeugung am Kraftwerk sei die Fallhöhe ausschlaggebend, eine Vertiefung "bringt nichts", erklärte der technische Leiter der Stadtwerke, Gerald Nübel. So viel Energie wie das Kraftwerk erzeugt könnte auch das geplante Windrad in Pellheim liefern, informierte Nübel auf Nachfrage von Helmut Geißler. Dann sei im Vergleich zur 1,2 Millionen Euro teuren Staudamm-Sanierung der Aufwand für das Windrad "ja eher gering", so Geißler.

Auch alltägliche Ärgernisse nerven die Dachauer: Wenn der vom Franziskuswerk Schönbrunn betriebene Lebensmittelladen am Widerstandsplatz im Sommer schließt, fehle in der Altstadt die Nahversorgung, klagte Regina Doll. Allabendliche Parker am Schrannenplatz kritisiert Margot Heinze-Ehrlich. "Der Platz ist jeden Abend zugeparkt". Die kommunale Verkehrsüberwachung kontrolliere, wenn auch nur selten, so der OB. "Aber die Strafzettel interessieren die Leute nicht." Ärgerlich findet Heike Peters, wenn in der Stadt Müll herumliegt. Doch die Bürgerin geht die Sache aktiv an und sammelt den Unrat einfach auf. Allerdings hätte sie jetzt gerne gewusst, wo sie die gefüllten Plastiksäcke dann kostenlos abgeben kann. Der Rathauschef will eine Lösung suchen. "Dass Sie für den Müll von anderen auch noch zahlen sollen - das geht ja nicht."

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