Bürgerinitiativen:Politisch sensibler werden

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Die Geschichte der städtischen Bürgerentscheide und die Frage, warum ganz Dachau über bloß ein Windrad abstimmen soll

Von viktoria großmann, Dachau

Wie stark das Thema Energieversorgung die Dachauer bewegt, hat der bisher erfolgreichste Bürgerentscheid gezeigt: Im Juli 2010 sollten sie entscheiden, ob sich die Stadtwerke weiterhin an Kohlekraftwerken beteiligen sollen. Die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 34 Prozent, 6481 Dachauer stimmten damals für den Ausstieg aus der Kohle. Ein Erfolg für die Bürgerinitiative (BI) Kontra-Kohlestrom, die das Bürgerbegehren angestrengt hatte. Nicht durchsetzen konnte sich im Mai 2010 die Bürgerinitiative "Rettet den Schlossberg" und auch nicht die BI "Raum für Kinder" im März 2012.

Die Frage, ob die ehemalige Flaschenabfüllerei der Schlossbergbrauerei in der Altstadt abgerissen werden sollte, interessierte knapp 21 Prozent der Wahlberechtigten, eine deutliche Mehrheit stimmte für den Abriss. Nur 17 Prozent der zur Wahl Aufgerufenen gaben eine Stimme zum Neubau eines Kindergartens in Dachau Süd ab. Einige Bürger hatten sich gegen die Pläne des Stadtrats gewendet, dieser konnte sich mit seinen Ansichten letztlich durchsetzen. Das Kinderhaus Mariä Himmelfahrt wurde anderthalb Jahre nach dem Entscheid, im September 2013, eröffnet.

Alle drei Entscheide gingen auf Bürgerbegehren zurück, Bürgerinitiativen hatten zuvor Unterschriften gesammelt und ein ausreichend großes Interesse der Bevölkerung nachgewiesen. Nun geht es um ein Ratsbegehren, das heißt, der Stadtrat würde beschließen, die Bürger zum Thema Windkraft zu befragen. Bisher ist es in Dachau bei Anträgen geblieben. So wurde im Juli 2011 ein Ratsbegehren zur Zukunft des ehemaligen Seeber- oder Schuster-Geländes abgelehnt. Das ehemalige Industrieareal blieb Gewerbegebiet. Zurück gestellt wurde im Mai 2013 ein Antrag von Bündnis und Grünen, die Bürger über die Umgestaltung der Münchner Straße entscheiden zu lassen. Damals entschied man sich, zunächst einmal die Gutachter anzuhören. Derzeit läuft an der Münchner Straße ein einspuriger Probebetrieb mit Fahrradwegen, zu dem nach Ablauf die Bürger befragt werden sollen. Ebenfalls aus der vergangenen Legislaturperiode stammte die Idee der Bündnis-Fraktion, die Bürger über die kostspielige Aussiedlung des TSV 1865 abstimmen zu lassen. Mittlerweile haben sich die Stadträte auf ein Vorgehen geeinigt.

Im Sinne des Gemeinderats ging ein Ratsbegehren zur Umgestaltung der Lindenallee in Haimhausen aus. Traumatisch hingegen für die Karlsfelder, die sich im Dezember 2010 den Rückhalt der Bevölkerung für Gewerbeflächen an der Schleißheimer Straße einholen wollten. Doch die Bürgerinitiative Grünzug überzeugte die Wähler mit ihren Argumenten. Aus dem Gewerbegebiet wurde nichts.

Dass sowohl die Entscheide zur Flaschenabfüllerei wie auch zum Kindergarten wenig Interesse fanden, spricht aus der Sicht von ÜB-Stadtrat Peter Gampenrieder dafür, dass nur echte Grundsatzfragen von großem allgemeinen Interesse zur Entscheidung gestellt werden sollten. Wie etwa die Frage, ob das umweltpolitische Leitbild der Stadt konsequent umgesetzt werden soll. Über ein einzelnes Windrad müsse der Stadtrat nach umfassender Information und Abwägung allein entscheiden können, dafür sei er gewählt.

Norbert Winter (Bürger für Dachau) erklärte in der Stadtratssitzung Anfang Mai, das Windrad betreffe nur die Pellheimer. Es sei daher falsch, alle Dachauer darüber bestimmen zu lassen. Wolfgang Moll, der nun den Antrag auf ein Ratsbegehren gestellt hat, findet: "Man kann auch als Nicht-Pellheimer mit den Pellheimern mitfühlen." Aus seiner Sicht geht es um eine "nicht alltägliche Entscheidung" und eine "grundsätzliche Beeinträchtigung" für die Anwohner. Auch SPD und Bündnis sehen grundsätzlich die Chance, die Bürger von ihrer Meinung zum Windrad - sie sind dafür - zu überzeugen und sich für den Bau den Rücken stärken zu lassen. Sie wollen die Gutachten abwarten. Doch selbst ein erfolgreicher Bürgerentscheid muss nicht zu einer Umsetzung führen: Weil die Stadtwerke ihre Anteile an den Kohlekraftwerken nicht los werden, sind sie bis heute Teilhaber.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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