Bürgerhaus in Schönbrunn:Die große Zuversicht

Das Franziskuswerk demonstriert auf der Einweihungsfeier des Bürgerhauses W 5 in Schönbrunn seinen entschiedenen Willen, von seinem Weg in die Inklusion nicht abzurücken. Das Unternehmen hofft auf den Zuspruch der Landkreisbevölkerung für das neue Zentrum

Von Wolfgang Eitler, Schönbrunn

Jetzt steht das Bürgerhaus ganz selbstverständlich in Schönbrunn. Die Außentreppen, mit denen es eine ganz besondere Bewandtnis hat, verleihen dem Haus in Weiß den Charakter einer Werkstatt. Das ist Absicht. Denn das Haus nennt sich in lakonischer Untertreibung "W 5" , weil es sich in der Werkstattstraße in Schönbrunn, Hausnummer fünf, befindet. Aber nichts ist an diesem Gebäude selbstverständlich. Nicht das lichte Maleratelier oben im ersten Stock, nicht der Bewegungsraum und die Büros, nicht das Bistro mit Café mit 55 Sitzplätzen, nicht die Seminarräume und schon gar nicht die wunderbaren Bodenturnen Fensterfronten. Die ganze Offenheit ist außergewöhnlich. Hätte der Dachauer Architekt Siegfried Khuon die Sicherheitstreppen mitten ins Haus verlegt, es würde nicht so weitläufig wirken.

Vier Millionen Euro kostet das Bürgerhaus

Vor allem ist die Idee dieses Bürgerhauses mitten in Schönbrunn alles andere als gängig. Man kann sagen, sie liegt quer zu Zeitströmen in der heute gültigen Behindertenpolitik. Denn Bund, Länder oder auch caritative Organisationen wie Aktion Mensch würden am liebsten solche Einrichtungen wie Schönbrunn auflösen, auf dass die Bewohner wegziehen und mitten in dörflichen und städtischen Wohngebieten leben. Das gemeinnützige Franziskuswerk würde sich dann komplett zu einem Dienstleister wandeln, der diese Wohnungen betreut und den behinderten Menschen in deren Alltag assistiert. Hilfe zur Selbsthilfe also. Aktion Mensch ist dem Franziskuswerk eng verbunden und unterstützt deren Wohnprojekte. Für das W 5 verweigerte die Aktion einen Zuschuss. Vier Millionen Euro kostet es insgesamt.

4 Millionen

Ursprünglich sollte ein Feldstadl in Schönbrunn zu einem großen Treffpukt umgebaut werden. Aber die Idee scheiterte an der baufälligen von Schädlingen befallenen Substanz. Außerdem hatten die Menschen in dem Dorf ganz eigene Ideen, die jetzt in dem neuen Haus mit Café, Bistro samt Terrasse oder Maleratelier für die Schönbrunner Künstlergruppe verwirklicht wurden. Die Gesamtkosten liegen bei vier Millionen Euro.

Aber womöglich ergänzt oder überspringt das Franziskuswerk mit diesem Bürgerhaus W 5 den Trend hin zu einer Inklusion: Das gemeinnützige Unternehmen will zeigen, dass Offenheit auch anders herum möglich und gleichwertig ist. Denn es gibt Behinderte, die den Schutzraum eines Dorfs zu schätzen wissen. Wenn aber die Menschen aus dem Landkreis und der Gemeinde Röhrmoos, zu der Schönbrunn gehört, das Bürgerhaus so attraktiv fänden, dass sie dorthin zum Kaffeetrinken fahren oder die Räume für Feste, Veranstaltungen und kulturelle Aufführungen anmieten, dann, ja dann würde eine ganz andere Atmosphäre entstehen. Dann könnte Schönbrunn ein Modell des Zusammenlebens werden.

Röhrmoos Schönbrunn Franziskuswerk Einweihung Bürgerhaus

Rainer Wildgruber leitet das W 5.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

"Wir beschreiten Neuland"

Darauf hofft das Franziskuswerk um Geschäftsführer Markus Tolksdorf gemeinsam mit der Viktoria-von-Butler-Stiftung der Franziskanerinnen, welche die Schönbrunner Einrichtung gemeinsam mit der Gräfin aus Haimhausen Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten. Deshalb sagte Tolksdorf am Dienstagabend auf der Einweihung des W 5: "Wir beschreiten Neuland." Er wünscht sich, dass die Menschen hierher kommen, "nicht als Heimbewohner", "nicht als Kunden des Franziskuswerks oder Nutzer sozialer Dienste", sondern als "Bürgerinnen und Bürger". Deshalb stelle sein Unternehmen dieses "Bürgerhaus" allen zur Verfügung, "damit gesellschaftliches Leben, kulturelles Leben hierher nach Schönbrunn kommt". Tolksdorf wünscht sich solche Begegnungen in einer "neuen Selbstverständlichkeit".

Dazu braucht es vorbildhafte Aktionen. Die wünscht er sich von den Bürgermeistern und Kommunalpolitikern, die zahlreich erschienen. Ausdrücklich erwähnte er den Haimhausener Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), der als Vorsitzender des Regionalentwicklungsvereins Dachau Agil dieses Anliegen einer neuen Offenheit unterstütze. Landrat Stefan Löwl (CSU) versprach, sich im Sinne Schönbrunns engagieren zu wollen. Dazu könnten Tagungen und Beratungen des Landratsamts auch mal in dem W 5 stattfinden. Der Vorsitzende des Kulturkreises Röhrmoos, Michael Wockenfuß, denkt bereits über Veranstaltungen dort nach und hat die Räume bereits begutachtet. Gäste der Einweihungsfreier diskutierten schon darüber, was denn in dem Bürgerhaus möglich werden könnte. "Meine Frau sucht einen Raum für ihren 50. Geburtstag." Damit dieser Wunsch nach einem Zentrum der Begegnung nicht versandet, hat das Franziskuswerk einen neuen Arbeitsbereich gegründet mit dem Titel "Kultur und Gesellschaft". 25 Mitarbeiter mit Rainer Wildgruber an der Spitze stehen als Team bereit. Sie betreiben das Bistro und kümmern sich um die Logistik des Hauses. "Teilhabe", sagte er, "ist für uns das ganz große Anliegen." Also die selbstverständliche Zusammensein von behinderten und nicht behinderten Menschen.

Vor einem Jahr haben die Franziskanerinnen ihr gesamte Vermögen der Viktoria-von-Butler-Stiftung übertragen. Der Orden will die Zukunft von Schönbrunn sichern und den kompletten Umbau des Dorfs nach dem Ergebnis des städtebaulichen Ideenwettbewerbs im Sinne eines Modells für eben diese Teilhabe vorantreiben. Das Stiftungsfest am Dienstagabend war dazu schon ein guter Beitrag.

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