ASV-Bühne:Großartiger Opern-Wahnsinn

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Zwei Otellos auf einer Bühne Michi Blum (links) und Thomas Lehmeier machen das Chaos perfekt. (Foto: Toni Heigl)

In "Otello darf nicht platzen" zeigt das Theater am Stadtwald eine der seit Jahren besten Aufführungen.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Geschlechterkampf kann auch so gehen: Vier Frauen - von ganz jung bis schätzungsweise in dem Alter, in dem gelebtes Leben sichtbar wird - jagen einem Mannsbild hinterher. Selbiges ist ein berühmter Operntenor und ein Westentaschen-Don-Giovanni in Personalunion. Er scheitert zwangsläufig an der geballten Frauenpower und steht am Schluss wie ein begossener Pudel da.

Das wäre eine Möglichkeit, die geniale Komödie "Otello darf nicht platzen" auf die Bühne zu bringen. Die zweite wäre, den Plot so zu inszenieren, wie ihn Autor Ken Ludwig geschrieben hat: als umwerfend komische Verballhornung der Maxime "the show must go on" im täglichen Opernhaus-Wahnsinn. Keine Frage, dass sich Ingrid Zellner, selbst viele Jahre an der Bayerischen Staatsoper tätig, für Version zwei entschieden hat. Herausgekommen ist eine der seit Jahren besten Aufführungen des Theaters am Stadtwald. Die Darsteller übertreffen sich selbst, überzeichnen ihre Rollen mit Lust und Leidenschaft.

Die Gags überschlagen sich

Im herrlichen Bühnenbild von Adi Morgott, Jürgen Sigrüner und Brigitte Günzel-Sigrüner sowie den fabelhaft-eleganten Kostümen aus der Hand von Fanny Lehmeier, Hermine Gruber und Christl Thurner rocken sie den voll besetzten Theatersaal binnen Minuten. Zum Brüllen komische Karaoke-Szenen zu Opernarien vom Band, knallende Türen, Maskeraden und Verwechslungsspielchen ohne Ende: Die Gags überschlagen sich - das Publikum tobt. Und weiß nach knapp drei Stunden Komödienhochgenuss, warum Otello nicht platzen darf.

Und zwar aus diesen (nur live wirklich nachvollziehbaren) Gründen: In einer luxuriösen Hotelsuite wartet das Empfangskomitee ungeduldig auf den Startenor Tito Merelli. Den spielt Thomas Lehmeier umwerfend gut als selbstgefälligen Gockel, der zum armen Würstchen mutiert. Merelli soll die Titelrolle in Giuseppe Verdis Oper "Otello" singen. Das Empfangskomitee wird angeführt von Operndirektor Saunders. Ernst Konwitschny spielt dieses Unikum als göttlich fluchenden, aber ansonsten ganz auf Gentleman getrimmten durchtriebenen Fuchs. Seine Tochter Maggie, gespielt von Lisa Hingerl als köstliche Mischung von Naivität und zielstrebiger Weiblichkeit, hat schon längst eine mehr als harmlose Zuneigung zum Star der Opernszene gefasst. Ihr Freund Max (gesprochen Mäx) ist das "hauseigene Faktotum und Mädchen für alles". Michi Blum zeigt liebenswert-charmant und mit hintergründigem Witz, dass hinter der Fassade des geduldig-duldsamem Assistenten viel mehr steckt.

Lautstarke Gefühlsausbrüche

Einer der unzweifelhaften Höhepunkte dieses Abends lässt nicht lange auf sich warten: der Auftritt des Ehepaars Merelli. Gattin Maria ist sozusagen der Prototyp der temperamentvollen italienischen Gattin - und Marion Peccolo die Idealbesetzung für diese Rolle voller lautstarker Gefühlsausbrüche. Stundenlang könnte man ihr zuhören und zusehen, wie sie im Designerfummel und auf lila-glänzenden High Heels jeden aufmischt, der in Reichweite ist. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hat sich der tenorale Gatte auch noch überfressen und leidet nun an Blähungen und Flatuli. Diese Ouvertüre strapaziert die Lachmuskeln schon fast bis zur Erschöpfung. Doch es geht noch mehr. Nun greifen weitere Personen ins Geschehen ein. Mehr als ein Sidekick ist der namenlose Hotelpage. Marcel Jahn spielt den servilen Jüngling mit ansteckender Begeisterung und leicht tuntigem Gehabe. Der Page entpuppt sich als durchtriebenes Bürschchen, der von Merellis Sangeskunst mindestens so angetan ist wie die Vorsitzende der Operngilde, die taffe Julia. Monika Trejo-Lidl parodiert diesen Prototypen der dominanten Mäzenin so gekonnt, dass man sich in eines dieser unsäglichen Adabei-Opern-Events versetzt fühlt.

Da wäre aber auch noch Sängerin Diana, für die der Tenor zum Objekt ihrer Begierde wird. Stephanie Turner macht in ihren feuerroten Roben aus dem Sternchen am Opernhimmel eine fast bemitleidenswerte Frau. Und was macht derweil der ziemlich genervte Tenor Merelli? Er betrinkt sich, schläft ein, die Vorstellung droht zu platzen. Assistent Max, eigentlich ein verhinderter Sänger, nutzt die Chance seines Lebens, singt den Otello und triumphiert. Merelli erwacht, wirft sich ins Kostüm - und das Chaos ist komplett. Wie die Geschichte ausgeht, was sich Regisseurin Zellner noch so alles hat einfallen lassen, muss man gesehen haben. Dann wird auch nachvollziehbar, warum es im Theater am Stadtwald selten einmal so viel (Zwischen-)Applaus gab wie bei "Otello darf nicht platzen".

Weitere Vorstellungen: Freitag/Samstag, 16./17. März, Freitag/Samstag 23./24. März, jeweils um 20 Uhr

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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