Bühne:Blut und Blubber

Bühne: Alles, was man braucht: eine Kiste, ein Kontrabass und Spielfreude.

Alles, was man braucht: eine Kiste, ein Kontrabass und Spielfreude.

(Foto: Toni Heigl)

"Moby Dick" mit nur drei Darstellern? Ja, das geht, wie man bei den Theatertagen sieht. Sehr gut sogar

Von Jana Rick, Dachau

"Schon mal mitten im Pazifik in einem zerschlagenen Boot gesessen?" Mit dieser Frage beginnt der Matrose Ismael seine Erzählung auf der Bühne. Schlagartig ist es still im Saal des Ludwig-Thoma-Hauses, etwa 150 Schüler blicken den Schauspieler mit der blauen Mütze neugierig an. "Ich schon", beantwortet Ismael die Frage schließlich selbst. Und er beginnt die weltberühmte Geschichte von Moby Dick zu erzählen, von der Jagd nach dem gefährlichen weißen Wal. "Ich möchte wissen, wie man Wale jagt", sagt der junge Matrose, als er an Bord der Pequod geht. Das Trio des Theaters "Triebwerk" aus Hamburg bringt den gleichnamigen Roman von Herman Melville im Rahmen der Dachauer Theatertage auf die Bühne - mit nur wenigen Utensilien, dafür aber mit viel Musik: Die tapferen Matrosen unterlegen ihre Texte mit Tönen, Rhythmen und Klängen und schaffen so mal eine ernste, mal eine lustige Atmosphäre. Mit Cello und Kontrabass spielen die Männer den Gegenwind auf dem Schiff und die wirbelnden Leinen, sodass man als Zuschauer von Anfang an mitgerissen wird in das Abenteuer auf hoher See. Selbst vom Kommentar "Ihr werdet nicht fürs Singen bezahlt!" lassen sich die musikalischen Matrosen nicht abbringen und singen beim Schrubben des Decks "Zehntausend Tage und Nächte auf See". Die Gruppe zeigt, dass auch die Musik selbst zum Erzähler werden kann.

Die Geschichte springt zwischen den Erlebnisschilderungen des Matrosen Ismael und szenischen Dialogen der Mannschaft an Bord, während die drei Schauspieler mal den ersten Steuermann Starbuck, mal Stubb als zweiten Steuermann, mal Ismaels Freund Queequeg verkörpern. Zusammen verbringen sie drei Jahre auf dem Walfangschiff, um die Meeresriesen zu jagen und Öl aus ihnen zu gewinnen. Kapitän Ahab geht es jedoch nicht ums Geld. Er hat nur eines im Kopf: sich an dem Wal zu rächen, der ihm einst im Kampf sein rechtes Bein abriss. Er wird die Reise nicht beenden, bevor er nicht Moby Dick, den weißen Pottwal mit der Narbe über der Stirn, erlegt hat. So kennen es die Schüler aus dem Roman; Leonhard Heffels, Lehrer an der Dachauer Montessori-Schule, hat seinen Schülern im Unterricht viele Teile des Jahrhundertbuches vorgelesen. Er lehrte sie außerdem die Unterschiede zwischen Walfang damals und heute. Ihr Wissen über die Meerestiere können die Schüler an diesem Vormittag vertiefen. Während die Matrosen in ihren engen Kabinen nachts Quartett spielen, lernt nicht nur Ismael, dass die Gesangsweite eines Wals bis zu 40 000 Kilometer betragen kann und dass ein Blauwal bis zu 200 Tonnen wiegt.

Doch auch die grausamen Details einer Waljagd bleiben den Schülern nicht erspart, es ist von "Fontänen von Blut" die Rede, als der erlegte Wal "Blut bläst". Die Wale enden in Lippenstift, Schuhlöffeln und Wachs. Allerdings gelingt es dem Trio auf der Bühne, die Zerlegung humoristisch zu verpacken: Stubb muss auf eine Kiste steigen, Hemd hoch, Bauch raus. Und Ismael erklärt fachmännisch, dass der "Blubber" in der Walfangszene "irrsinnig dicker Speck" ist und macht am Bauch seines Kumpels die Zerlegung vor. Etwas makaber, aber da müssen die Schüler schon mal lachen. Trotzdem - die brutalen Beschreibungen der Hatz auf Wale bleiben im Kopf, und man ist fast schon erleichtert, als Steuermann Starbuck seinen Kapitän fragt: "Warum muss dieses Tier gejagt werden?". Er spricht aus, was wohl viele denken: "Rache an einem Tier?" Doch Kapitän Ahab ist unerbittlich, nennt Starbuck einen Feigling und gibt den klaren Befehl an seine Crew: "Kein Wal, wenn er nicht weiß ist!". Also geht die Jagd weiter, es bleibt spannend bis zum Schluss. Und endlich wird der weiße Wal gesichtet und Kapitän Ahab begibt sich blind in den Kampf mit seinem Erzfeind. Doch die Natur obsiegt, Moby Dick entkommt, und zurück bleibt Ismael als einziger Überlebender. "Schon mal mitten im Pazifik auf einem schwimmenden Sarg gesessen?" Wieder bekommt er keine Antwort. "Ich schon."

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