Bühne:Bitterböse Heimatlieder

Bühne: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Hans Well mit seinen Kindern Jonas, Tabea und Sarah auf der Bühne der Schwabhausener Post.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Hans Well mit seinen Kindern Jonas, Tabea und Sarah auf der Bühne der Schwabhausener Post.

(Foto: Toni Heigl)

Ein furioser Auftritt in der Schwabhausener Post: "Die Wellbappn" blasen den Bodenversieglern und Landschaftsverschandlern in Bayern den Marsch - mit beißendem Spott und virtuoser Musikalität

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Andere zu "derblecken", sich lustig zu machen vor allem über die Obrigkeit: In Bayern hat das eine lange Tradition. Sie reicht vom Gstanzl-Singen im Wirtshaus über die hintersinnige Ironie eines Karl Valentin bis hin zur legendären Biermösl Blosn, die jahrzehntelang das Geschehen in Bayern und über die bayerischen Grenzen hinaus mit bitterbösem Spott begleitet hat. Mittlerweile macht dort, wo die Biermösl Blosn 2012 aufgehört hat, die nächste Generation weiter. Während sich Michael und Stofferl Well Bühnen-Verstärkung von Bruder Karl geholt haben und heute als die "Brüder aus dem Biermoos" auftreten, ist Hans, immer schon der Texter und wichtigste Ideengeber der ursprünglichen Formation, seit vier Jahren mit seinen heute erwachsenen Kindern, den "Wellbappn", unterwegs. Am Samstag war Hans Well mit Sarah, Tabea und Jonas zu Gast in der Schwabhausener Post, wo sie einen fulminanten Start des Kleinkunstprogramms von Wirt Heini Kellerer ins neue Jahr hinlegten.

Schon mit ihrem Einstieg ins Programm hatten die vier Wells die Sympathien des Publikums für sich gewonnen. Ein paar respektlose Kommentare über Schwabhausen, diese "Perle im Dachauer Land", über örtliche und überörtliche Autoritäten - und schon gab es stürmischen Beifall. Vom Einzelfall kamen die "Wellbappn" dann schnell zum großen Ganzen: dem ländlichen Bayern, wo Maisfelder und Biogasanlagen das Landschaftsbild beherrschen und die Hausfrauen mit ihren SUVs ins Gewerbegebiet am Dorfrand zum Einkaufen fahren. Die Bodenversiegler und Landschaftsverschandler, die - wie etwa am Riedberger Horn - von Heimat reden und sie dem Kommerz opfern: Für Hans Well waren sie immer schon integraler Teil seines Feindbilds, und gegen sie textet und singt er nach wie vor aus vollem Herzen an. Ein prachtvolles Beispiel, was aus dieser Wut heraus entstehen kann, ist das "Pfingstlied", bei dem aus Dauerregen erst das "Bacherl" wird, das die Fahnenweihe der Feuerwehr unter Wasser setzt, und schließlich ein reißender Strom, der Laptops, Autos oder die Fahnenmutter auf dem Dach eines Carports in den Fluten versinken lässt. Zubetonierte Landschaften gehen natürlich einher mit Orten wie das beispielgebende Olching "zwischen Kreisverkehr, Umgehungsstraße, Lärmschutzwand und Müllverbrennung": ein "Heimatlied" der Wells, das in zwei Wochen in Olching Premiere haben soll.

Aber nicht nur Bayerns "Heimatminister" und der von ihm beförderte Wandel des ländlichen Bayern kommt bei Hans Well schlecht weg. Auch das Bauernsterben unter dem Motto "wachsen oder weichen" und der Milchpreis werden besungen oder "der Horst", bei dem aus der "Obergrenze" zuletzt doch eine "Untergrenze von 38 Prozent" geworden ist.

Was Wells Kommentaren zum Zeitgeschehen immer wieder etwas von ihrer Schärfe nimmt, sind die gelegentlich harmloseren, auf lustige Unterhaltung abzielenden Texte wie der von den aggressiven Müttern am Spielfeldrand, und auch der freundschaftlich lockere Ton zwischen Vater und Kindern. Aber auch der Verzicht auf Perfektion. Da bleibt schon mal Jonas oder der Vater im Text stecken - und bekommt auch dafür Beifall vom Publikum.

Vor allem aber ist es die Musikalität der vier Wells, die den Spott mildert. Eine Musikalität, die sich seit den ersten Auftritten der aus Schottland stammenden Wells in bayerischen Wirtshäusern offenbar von Generation zu Generation weiter vererbt hat. Tabea, Sarah und Jonas sind mittlerweile Multi-Instrumentalisten. Jonas wechselt zwischen Bass, Tuba und Trompete, Sarah zwischen Viola, Flöte und Akkordeon. Und Geigerin Tabea, die an der Musikhochschule München studiert, nimmt mal das eigene Instrument zur Hand, mal eine Mandoline, die Steirische oder eine afrikanische Marimba und steht zuletzt, schmal und zierlich, auf einem Schemel, um auch mit dem großen Bass fertig zu werden. Gespielt werden Landler, Zwiefache und auch das ein oder andere Stück aus Irland oder Osteuropa. Wunderbare Melodien, bei denen insbesondere Tabea zeigen kann, was in ihr und ihrer Violine steckt.

Kein Wunder, dass das Publikum in der bis auf den letzten Platz besetzten Post begeistert war. Immer wieder brandeten stürmischer Applaus und laute Bravo-Rufe auf. Wären da nicht die in wenigen Tagen anstehenden Prüfungen der Well-Kinder in ihren jeweiligen Studienfächern gewesen. Man hätte sie und den Vater sicher noch lange nicht nach Hause gehen lassen.

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