Blues-Konzert:Daddy Cool

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"When you sing the blues, you tell the truth", verkündet Big Daddy Wilson. (Foto: Toni Heigl)

Mit hinreißend lässig gespieltem Blues und wunderbaren Storys aus der prallen Lebensfülle Amerikas begeistern Big Daddy Wilson und seine Musiker das Publikum in der Dachauer Kulturschranne

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Deutlich vor dem Beginn des "Dachauer Musiksommers" gibt es derzeit in der Kulturschranne, so scheint es jedenfalls, ein kleines Festival der internationalen Blues-Großmeister. Nur zwei Tage, nachdem beim Jazz e.V. der Sänger Eric Mingus zusammen mit dem Gitarristen Elliott Sharp eine grandios bluesige Jamsession inszenierte, lud am Samstagabend Prittlstock im wiederum vollbesetzten Saal zu Big Daddy Wilson.

Allein der Name ist purer Blues, und in dem Moment, in dem Wilson im dunklen Anzug mit Hut und Sonnenbrille die Bühne besteigt, ahnt man, dass es ein großer Abend werden wird. "When you sing the blues, you tell the truth", verkündet Wilson - und man glaubt es sofort. Denn seine Songs erzählen die Geschichten, die man hören will: von einer wunderbaren Tänzerin aus Texas, die dank ihrer Leibesfülle die Tanzfläche ganz allein für sich hat, von Wilsons Heimat North Carolina, von seiner Ehefrau "Anna Mae", vom "Mississippi Joe", von seiner Mutter "Miss Dorothy Lee". Kaum zu glauben, dass Wilson, musikalisch ursprünglich im Gospel und der Country-Musik beheimatet (beides hört man ihm noch an) ist und 1979 erst als Soldat nach Deutschland kommen musste, um den Blues für sich zu entdecken. Kaum zu glauben, dass seine drei fabelhaften Musiker (der E-Gitarrist Cesare Nolli, der Schlagzeuger Nik Taccori und der E-Bassist Paolo Legramandi) nicht von den Ufern des Mississippi, sondern vom nördlichen Rand der Poebene aus Mailand stammen. Denn europäisch klingt das Konzert in keiner Weise. Diese Songs atmen die Luft der Neuen Welt, sie haben Wärme - und sie strahlen eine hinreißende Lässigkeit aus.

Natürlich entstehen diese Eindrücke durch Wilsons vollmundigen und bei aller Intensität stets eleganten, ohne jede Härte der Expressivität auskommenden Gesang, der subtil zwischen Blues und Soul pendelt - wobei auch seine Bandmusiker manchen sängerisch überzeugenden Solobeitrag leisten und als Background-Ensemble einen geschmackvollen Knabenchor abgeben. Ebenso aber sind für die Wirkung gerade im ersten Set auch die charakteristischen instrumentalen Arrangements verantwortlich: Es ist ein geschmeidiger elektrischer Blues, den diese Band spielt, durch die instrumentale Minimalbesetzung kompakt und in der Klangstärke homogen gerundet, nicht mit musikalischen Ereignissen überfrachtet, sondern aufs Wesentliche achtend. Die Tempi sind entspannt. Kaum treibendes Uptempo, keine Kontemplation eines langsamen Sechsachtelblues, sondern ostinat pulsierender Viervierteltakt. Dazu ein unverkennbarer Hang zur Moll-Tonalität und zu sparsamen Harmoniewechseln. Das ist minimalistisch, das ist prägnant, das ist genau richtig, unfassbar cool und dabei herrlich sonnengeflutet.

Nichts davon muss man nach der Pause missen. Und doch erweitern die Musiker nun ihr Ausdrucksspektrum. Cesare Nolli greift für die Eröffnungsnummer des zweiten Sets zur Akustikgitarre und Wilson hängt sich ein Rubboard um. Optisch stellt sich bei diesem Instrument immer eine Assoziation zwischen Ritterrüstung und Babylätzchen ein - musikalisch aber bedeutet es eine intime Besinnung auf die Ursprünge des Blues, wie Wilson mit seinen Fingerringen zu den gezupften Klängen der Akustikgitarre über das Waschbrett schabt. Dabei hat er noch andere instrumentale Wurzeln: Wilson erzählt, wie er einst von einer Gitarre alle Saiten abmontierte. Bis auf eine. So konnte er tun, was er eigentlich nicht beherrschte - Bluesgitarre spielen. Eine Erinnerung daran ist das kleine elektrische Monochord, das er sich nun an den Bauch drückt, um ihm mit Bottleneck und hartem Daumen-Zupfen ein rhythmisches Knarzen zu entlocken. Eigentlich klingt das ziemlich gruselig, doch der Song markiert den Beginn einer letzten Intensivierung, an deren Ende sich die Musiker gegenseitig durch ein herrliches Medley aus Versatzstücken berühmter Songs (unter anderem von Wilson Pickett, den Temptations, Bob Marley, den Jackson Five und James Brown) jagen, Wilson aus Nolli ein ums andere Mal virtuose Gitarrensoli herauskitzelt und das ganze Publikum kopfsteht.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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