Besser als in der Elbphilharmonie:Akustik vom Feinsten

Wegen der Klangqualität des Konzertsaals der Knabenkapelle befürwortet der Kulturausschuss, das Gebäude für vermutlich 2,1 Millionen Euro zu sanieren und zu erweitern. In der Region München gibt es nichts Vergleichbares

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Zuerst die herausragenden technischen Daten für die Akustik im Gebäude der Knabenkappelle Dachau. Der Nachhall im dortigen Konzertsaal - eine rechteckige Schuhschachtel mit einer Raumhöhe von sechs Metern - liegt bei 0,8 Sekunden. Der Wert in der Hamburger Elbphilharmonie erreicht gerade mal zwei Sekunden bei Baukosten von ungefähr 800 Millionen Euro und wird als Sensation gefeiert. Der Nachhall ist der Zeitraum, der verstreicht, bis ein akustisches Signal in einem Raum auf ein Tausendstel seiner Intensität zurückgegangen ist. Er bestimmt, wie ideal Hören und Spielen sind. Tilo Ederer, Vorsitzender des Vereins der Knabenkapelle, weiß wie viele Musiker und Zuhörer in den vergangenen 64 Jahren auch, dass der Saal über eine sehr gute Akustik verfügt. Aber Experten haben den sensationellen Wert jetzt gemessen und offiziell dokumentiert. Professionelle Bands und Musiker aus der Region München wollen ihn ständig zum proben mieten.

Besser als in der Elbphilharmonie: Der Konzertsaal der Knabenkapelle war Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Kinosaal, dann ein Kirchenraum.

Der Konzertsaal der Knabenkapelle war Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Kinosaal, dann ein Kirchenraum.

(Foto: Toni Heigl)

Dieser Nachhall von 0,8 Sekunden ist ganz entscheidend dafür, warum der Verein den Saal erhalten will. Er soll das Kernstück einer umfassenden Sanierung und Erweiterung werden, um die Zukunft der Knabenkapelle zu sichern. Zurzeit unterrichten 14 Lehrer mehr als 150 Schüler. Aber sie alle müssen auf andere Orte wie die Grund- und Mittelschule in Dachau-Ost ausweichen. Das gesamte Gebäude ist ein einziges Provisorium aus Nischen, Schränken, gestapelten Musikinstrumenten und Archiven für die Originalnoten.

Besser als in der Elbphilharmonie: Der Konzertsaal hat eine ausgezeichnete Akustik in einem sanierungsbedürftigen Gebäude, das teilweise abgerissen werden müsste.

Der Konzertsaal hat eine ausgezeichnete Akustik in einem sanierungsbedürftigen Gebäude, das teilweise abgerissen werden müsste.

(Foto: Toni Heigl)

Am Dienstagnachmittag hat sich der Kulturausschuss des Dachauer Stadtrats das Gebäude angeschaut. Er soll dem Plenum des Stadtrats darlegen, ob und warum es eine Investition von mindestens 2,1 Millionen Euro befürworten soll. Deswegen hebt Ederer stolz sein "musikalisches Juwel" hervor. Er sagt: "In ganz Dachau gibt es keinen besseren Konzertraum." Man darf hinzufügen, nicht nur hier.

Der Kulturausschuss trifft so langsam zur Besichtigung ein. Kulturamtsleiter Tobias Schneider hofft auf eine Mehrheit für den Um- und Neubau der Knabenkapelle. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) gibt sich überzeugt, dass er notwendig ist. Die Diskussion soll auf der anschließenden Sitzung im Rathaus stattfinden. Schneider betont, dass noch kein Beschluss vorgesehen sei. Es soll ein erstes Meinungsbild entstehen. Das fällt eindeutig aus. Sämtliche Mitglieder stimmen dem Projekt zu. Stadträte haben der Besichtigung nur noch hinzuzufügen, dass sie alle das Vorhaben unterstützen wollen. Im Herbst soll der Bauantrag vorliegen, an dem Knabenkapelle und Bauamt gemeinsam feilen.

Besser als in der Elbphilharmonie: Die sanitären Anlagen und Rohre sind veraltet.

Die sanitären Anlagen und Rohre sind veraltet.

(Foto: Toni Heigl)

Die direkte Anbindung ist wegen baurechtlicher Überraschungen auch nötig. Denn bei den Gesprächen stellte sich heraus, dass für die Knabenkapelle nur eine Nutzung als Kirche genehmigt ist. Deswegen ist ein komplett neuer Bauantrag nötig, der auch einschließt, das Gebäude überhaupt als Musikheim verwenden zu dürfen. Es gelten jetzt neue Abstandsflächen zu den Nachbarn. Aus diesem Grund darf ein geplanter Anbau nicht mehr zwei- sondern nur noch einstöckig errichtet werden. Aber Tilo Ederer sieht schon wegen des Konzertsaals keine andere Option als den Umbau. Außerdem handelt es sich bei dem Konzertsaal um eine bedeutendes zeitgeschichtliches Dokument.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand das Gebäude der Knabenkapelle als Kino Capitol für den Stadtteil Dachau-Ost. Danach war es eine Kirche als Vorläufer der dortigen Heilig-Kreuz-Pfarrgemeinde. Schließlich übernahm es die Knabenkapelle. Seit den Anfängen hat sich der Kino-Kirchen-Konzertsaal wenig geändert. Er strahlt eine verblichene Eleganz aus, denn die Stofftapeten an der Wand müssen irgendwann goldfarben gewesen sein. Kinos galten einst als Paläste, welche Filmvorführungen inszenierten. Das Rot der Decken ist fleckig. In der Mitte zur Bühne prangt ein dunkler Fleck, der an einen massiven Wasserschaden erinnert. Darunter führt eine weiße Linie in den Bühnenraum. Vorsitzender Ederer sagt: "Den massiven Riss oben habe ich selbst repariert."

Überall an dem Gebäude ist irgendetwas ausgebessert, eingebaut oder abgerissen worden. Die Decken bestehen aus Fehlböden. Wegen des Brandschutzes musste an einer Stelle im Konzertraum eine Wand gezogen werden, weil hinter ihr eine Garage anschließt. Die Treppe am Eingang ist ein Dauersanierungsfall. Die sanitären Anlagen und Rohre sind veraltet. Ein rotes Rohr dümpelt vor sich hin. Tilo Ederer sagt: "Wenn das bricht, dann haben wir einen Wasserschaden vom Keller bis zum ersten Stock." Deswegen will sich Tilo Ederer an der Diskussion im Kulturausschuss nicht beteiligen, ob nicht eine Lösung sowohl für die Knabenkapelle als auch für die Stadtkapelle gefunden werden kann. Denn auch sie brauche mehr Platz als in der Burgfriedenstraße vorhanden. Ederer sagt: "Diese Diskussion können wir als Verein nicht führen." Es fällt das Wort "MD" als Standort. Die Reaktion: Lachen.

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