Bergkirchen:Wahre Freunde

Lesezeit: 4 min

Zwischen dem Hoftheater und seinem Publikum hat sich in den vergangenen zehn Jahren eine enge Beziehung entwickelt. Sie führt zu ständig ausverkauften und umjubelten Inszenierungen

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Doppelgeburtstag im Hoftheater Bergkirchen: Es galt, Dame Agatha Mary Clarissa Christie, Lady Mallowan zu ehren, die am 15. September 1890 geboren wurde und am 12. Januar 1976 starb. Zugleich feierte das Hoftheater mit einer charmanten Lesung von Kurzgeschichten der Queen of Crime zehnjähriges Bestehen auf dem Biobauernhof von Christine und Holger Weller in Bergkirchen.

Diese liebe- und respektvolle Hommage an eine Schriftstellerin, die auf die Fantasie des Lesers statt auf bluttriefende Szenen setzt und die so unübertrefflich raffiniert morden lassen konnte, war zugleich ein Geburtstagsgeschenk an das Stammpublikum des kleinen Theaters. Hofbesitzer Holger Weller erinnert sich noch an den Beginn der Zusammenarbeit. Vor zehn Jahren hatte er die im Landkreis unbehauste Theatertruppe zu seinem Hoffest eingeladen. Goldonis "Diener zweier Herren" stand auf dem Programm.

Jetzt also Agatha Christie. Deren Leben lässt sich - zumindest was ihre jungen Jahre angeht - mit "Kabale und Liebe" gut beschreiben. Sie wuchs in ländlich-britischer Umgebung auf - die später in vielen ihrer Romane eine Rolle spielen sollte. 1914, da war die Familie schon in finanzieller Bedrängnis - heiratete sie Oberst Archibald Christie. Keine gute Entscheidung.

Obwohl Agatha bereits erste schriftstellerische Erfolge hatte, konnte sie das elterliche Anwesen nicht halten und musste zudem erfahren, dass ihr Mann sie betrog. Sie verschwand für zehn Tage von der Bildfläche, mietete sich unter dem Namen der Geliebten ihres Mannes in einem Hotel ein - und verriet nie, was in dieser Zeit geschah. Nicht einmal ihre berühmtesten Romanfiguren, der eitle, aber geniale Hercule Poirot und die schrullige und ebenso scharfsichtige Junggesellin Miss Marple hätten ihrer Schöpferin wohl dieses Geheimnis entreißen können. In zweiter Ehe heiratete Christie einen viel jüngeren Archäologen, finanzierte viele Ausgrabungen im heute durch den Bürgerkrieg zerstörten Irak - und rettete etliche Kunstschätze. Ihre Romane haben Krimiliteraturgeschichte geschrieben, ihre Lyrik und ihre romantischen, unter Pseudonym veröffentlichten Schmonzetten sind fast vergessen.

Zwei Hercule-Poirot-Geschichten las Hoftheater-Intendant Herbert Müller, begleitet von Max I. Milian am Flügel. Was den unverminderten Reiz dieser Kriminalgeschichten ausmacht? Mit wenigen Worten skizziert die Autorin Charaktere, die vor dem inneren Auge lebendig werden, wie die innerlich zusammengeschrumpelte Gattin, die fürchtet, von ihrem Ehemann ermordet zu werden. Amüsant ist, dass auch bei der viktorianisch geprägten Christie Blondinen einen gewissen Ruf hatten. Und wie sehr uns Bilder prägen. Bei der Lesung zeigte sich aber auch die Macht der Bilder: Hercule Poirot wird wahrscheinlich auf ewige Zeiten in Gestalt des Schauspielers Peter Ustinov und Miss Marple als Margaret Rutherford in unserem Hirn präsent sein.

Alles begann im Hoftheater mit Schillers "Kabale und Liebe" (in den Hauptrollen Horst Dinges und Susanne Müller) vor wenigen Zuschauern. (Foto: Stefan Salger)

Müsste man ein Täterprofil des Hoftheaters erstellen, würde ein Charakterzug besonders hervorstechen: die Naivität und Unbekümmertheit, aus der ehemaligen Schreinerei im noch ehemaligeren Kuhstall ein Theater zu machen. Wer hätte damals gedacht, dass diese Idee erfolgreich sein könnte? Beide Eigenschaften benötigt man wohl, um die tatsächlich schwierigen Anfangszeiten für das Ensemble zu überwinden. Auf Stühlen aus dem Fundus, fein säuberlich mit dem Namen des jeweiligen Stückes beschriftet, saßen vor und neben der auch heute noch unverzichtbaren Bücherwand manchmal nur ein halbes Dutzend Zuschauer. Gespielt wurde trotzdem - oder gerade deshalb. Vom allerersten Stück (Schillers "Kabale und Liebe", seinerzeit noch ohne Bühnenkonstruktion) über Dario Fo bis zu hinreißenden Opernadaptionen. Unvergessen: die Puppenspiel-Inszenierung von Carl Orffs "Der Mond" oder Mozarts "Figaro" ganz in Weiß.

Und heute? Hoftheater-Chef Herbert Müller ist glücklich, weil er ein treues Publikum hat. Und weil sein Konzept sich bewährt hat: "Wir wollen unsere Zuschauer unterhalten, nicht im Sinne von sie nur amüsieren, sondern mit Klassikern, genauso wie mit Komödien. Und ich wollte immer die Verbindung von Literatur und Musik, die haben wir beibehalten."

Ansgar Wilk, Schauspieler, manchmal Sänger und seit kurzem Spielleiter, sagte: Wir behalten die Kleider an, und wir kommen ohne Blut und ohne Schlamm auf der Bühne aus". Also gewissermaßen antizyklisch, könnte man mit Blick auf diverse aktuelle Inszenierungen großer Theater sagen. Und deshalb attraktiv für Theaterfreunde, die auf diese Zutaten verzichten können. Weniger gerne würden sie wohl auf eine andere Hoftheater-Eigenheit verzichten.

Gudrun Wilk begrüßt an der Kasse jeden Zuschauer, als sei er ihr persönlicher Gast. "Ist er ja auch", sagt sie mit einem Lächeln und in einem Tonfall, der Widerspruch ausschließt. Und die Zukunft? Für Müller steht die nächste Generation in den Startlöchern: Wilk als Spiel- und Max I. Milian als musikalischer Leiter, dazu die vielen jungen Darsteller die er fördert, die bei ihm Bühnenerfahrung sammeln können. Deshalb steht für ihn fest: "Die Zukunft ist hier, auf dem Weller-Hof-in Bergkirchen.

1 / 3
(Foto: Toni Heigl)

Es folgten Erfolge wie Mozarts Figaro (Veronika Rotfuß und Intendant Herbert Müller) und...

2 / 3
(Foto: N/A)

...der herausragende Dauerbrenner mit der wunderbaren Chansonnière Janet Bens als Edith Piaf in bereits mehr als 90 Aufführungen.

3 / 3
(Foto: Stefan Salger)

Das Hoftheater ist ein Fixpunkt der Kulturszene im Landkreis. Die Aufführungen im Stadl des Biohofs Weller sind ständig ausverkauft.

An diesem Donnerstag steht die erste von zahlreichen Premieren des Herbst- und Winterprogramms an: Die Uraufführung der gruseligen Komödie von Tom Müller und Sabine Misiorny mit dem Titel: Hirn! Das Labor der Dr. Franka Stein." Welche Frau wünscht sich nicht ein Genie, so schön wie Adonis als Ehemann? Dr. Franka Stein möchte sich diesen Herzenswunsch selbst erfüllen. Schließlich ist sie Wissenschaftlerin vom Scheitel bis zur Sohle, im Kopf und im Herzen und hat zudem das Gehirn von Albert Einstein im Kühlschrank! Kurzerhand macht sie sich auf die Suche nach dem dazu passenden Adoniskörper. Doch sie hat die Rechnung ohne die nur vermeintliche Unterstützung ihrer schlafmützigen Assistentinnen Ignatia und Innocentia gemacht, ganz zu schweigen von reisenden Staubsaugervertretern, verirrten Hochzeitsplanern und unerwarteten Stromausfällen. Wer im nun losbrechenden komödiantischen Chaos Braut ist, wer Bräutigam und in wessen Kopf das geniale Hirn letztendlich landet - das bleibt ein Geheimnis - bis man einer der Aufführungen gesehen hat.

Intendant Müller ist überzeugt: "Mit seiner gruseligen Komödie beweist das Autorenduo Sabine Misiorny und Tom Müller einmal mehr sein Talent für skurrile Charaktere und rasant-irrwitzige Komik." Von den beiden stammen die Hoftheater-Erfolge "Zwei wie Bonnie und Clyde" und "Theater, Theater!".

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: