Bergkirchen:Überlebensmittel Humor

Sonny Boys

Grantig-boshaft und witzig-bissig: Herbert Müller spielt den Komiker Willi Clark.

(Foto: Jørgensen)

Wie zwei abgehalfterte Komödianten das Altwerden ertragen, zeigt das neue Stück "Sonny Boys" des Hoftheaters Bergkirchen

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Eine verwaschene, gestreifte Pyjamajacke. Darunter so etwas wie ein T-Shirt. Darüber eine Wollweste. Ein gefühlt meterlanger Schal um den Hals. Dazu eine Art Freizeithose von undefinierbarer Farbe und Material. Dicke Socken und Filzlatschen. Willi Clark legt nicht viel Wert auf sein Äußeres. Auch nicht auf sein Mobiliar: ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Mehr ist nicht. Doch der eigenbrötlerische, arbeitslose Schauspieler will es nicht anders. Was sein Neffe Ben Silverman gar nicht verstehen kann. Adrett in hellen Trenchcoat und farblich aufeinander abgestimmte Kombi, einschließlich adäquatem Schuhwerk gekleidet, stattet er dem Alten seinen wöchentlichen Besuch ab. Und gerät sogleich in eine turbulente Auseinandersetzung um Wohnverhältnisse, Jobsuche und inkriminierte Zigarren.

Das ist der Auftakt zu "Sonny Boys", der jüngsten Produktion des Hoftheaters Bergkirchen. Geschrieben hat diese Komödie mit Tiefgang der Grandseigneur der gepflegten Unterhaltung, der inzwischen auch schon fast neunzigjährige Amerikaner Neil Simon im Jahr 1972. Inszeniert hat Ansgar Wilk.

Altwerden ist nichts für Feiglinge. Denn anders als Werbespots, Zeitschriften oder Filme suggerieren wollen, laufen die meisten Menschen jenseits der Sechzig nicht sonnengebräunt, durchtrainiert, ohne finanzielle oder gesundheitliche Sorgen durchs Leben. Es zwackt hier, es knackt da. Die Rente reicht vielleicht gerade so. Das zeigt Wilk in diesem Stück um zwei abgehalfterte Komödianten, die sich brutal verkracht haben, seit Jahren nicht keinen Kontakt mehr haben, aber weder miteinander noch ohne den anderen können. Es ist eine Geschichte um die Höhen und Tiefen langjähriger Beziehungen, um Vereinsamung, zerbrochene Träume, Illusionen und den Wert von Freundschaft.

Eine leichte Übung für den erfahrenen Herbert Müller, der den grantig-boshaften Komiker Willi Clark spielt, und für Jürgen Füser als dessen distinguierten, selbstbeherrschten ehemaligen Bühnenpartner Al Lewis? Keineswegs. Das Stück hat nämlich Stolperfallen zuhauf. Da sind zum einen die erfolgreichen Verfilmungen, wie etwa der Klassiker mit Walter Matthau und George Burns. Da sind zum anderen die unzähligen Theateraufführungen mit prominenten Schauspielern. Und da ist der berühmt-berüchtigte "Doktor-Sketch", um den sich vordergründig alles dreht. Müller und Füser haben sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie spielen ihr ureigenes Komikerpaar. Für Müller, inzwischen auch ein Best Ager, hat "Sonny Boys" "durchaus autobiografische Züge", wie er nach der Vorstellung sagt. So gibt er alles: Er liefert sich witzig-bissige Wortgefechte mit seinen ehemaligen Bühnenpartner, spielt täuschend echt einen Herzanfall, charmiert fabelhaft überzeichnet mit der liebenswert-energischen Krankenschwester (wunderbar: Mona Weiblen), die sich von seinem Getue nicht aus der Ruhe bringen lässt. Und reißt das Publikum mit seinen akrobatischen Einlagen auf dem glücklicherweise stabilen Bett zu Begeisterungstürmen hin - und zu heimlichen Neidanfällen bei den nicht mehr ganz so Jungen.

Jürgen Füser ist ein gentleman-liker Al, distinguiert in edles Grau gekleidet. Scheinbar zufrieden mit dem Leben bei seiner Tochter in New Jersey. Was wiederum für den bekennenden New Yorker Willi Clark die siebte Vorstufe zur Hölle ist. Die Temperamente prallen zwangsläufig beim von Willis Neffen (Ansgar Wilk als echter Kümmerer) inszenierten Wiedersehen aufeinander - verbal und mit vollem Körpereinsatz. So gerät die Probe zum "Doktor-Sketch", der endlich im Fernsehen gezeigt werden soll, fast naturgemäß zum Fiasko. Wer's nicht kann, macht aus diesem Stück im Stück eine abgeschmackte Altmänner-Fantasie.

Wer's kann, so wie die vier Hoftheater-Schauspieler, veralbert diese sexistischen Witze, die Klischees vom geldgierigen, geilen Arzt, vom Möchtegern-Vamp in Gestalt der Arzthelferin für alle Fälle und vom jede Chance nutzenden Steuerprüfer. Müller, Füser, Wilk und Mona Weiblein nehmen sich selbst auf die Schippe, brauchen eigentlich gar keinen Text, so urkomisch sind Mimik und Gestik. Ob der Sketch je aufgeführt wird, wird hier nicht verraten. Nur so viel: Willi verliert seinen Lebensmut nicht, Al findet ihn wieder. Die Moral von der Geschichte: Alt werden kann Spaß machen, wenn Schauspieler und Regisseur die Geschichte hinter der Geschichte so gekonnt spielen und die Zuschauer sich vor Lachen biegen.

Weitere Aufführungen: Freitag, 20. Mai, Donnerstag, 26. Mai, jeweils um 20 Uhr

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