Bergkirchen:Glück und ein Schuss Melancholie

Bergkirchen: Mit "Servus" begrüßt der Schotte Jim Kroft sein Publikum im Schlosshof - und nimmt es mit auf eine Reise.

Mit "Servus" begrüßt der Schotte Jim Kroft sein Publikum im Schlosshof - und nimmt es mit auf eine Reise.

(Foto: Niels. P. Jørgensen)

Die britischen Bands The Plea und Jim Kroft bereiten im Schlosshof Lauterbach einen Sommerabend wie aus dem Bilderbuch.

Von Anna-Sophia Lang, Bergkirchen

Es ist ein Sommerabend wie aus dem Bilderbuch. Im Schlosshof Lauterbach ist es so warm, dass manch einer die Füße im Brunnen zu kühlen versucht. Die Stimmung der 300 Gäste ist ausgelassen, es wird getrunken, gelacht, geredet. 2007 haben die Grafen von Hundt das letzte Mal die Tore ihres Hofes für ein Open Air Konzert geöffnet - damals für ein Klassik-Konzert zweier tschechischer Orchester. Diesmal sind zwei Acts von den britischen Inseln zu Gast, die jeder auf seine Art einen Zauber über den wunderschönen Schlosshof legen, der einen am Ende einfach glücklich sein lässt. Jim Kroft aus Schottland mit nachdenklichem, purem Singer-Songwriter-Sound und die Indie-Rock-Band The Plea aus Irland, hymnisch und ungestüm. Simone Kastl-Frisch von der Volkshochschule Bergkirchen hat mit diesem Konzert einen Nerv getroffen und ein Angebot geschaffen, das so im Landkreis noch nirgends existiert.

Als der Wahlberliner Jim Kroft auf die Bühne tritt und das Publikum mit "Servus" begrüßt, hat er schon gewonnen. Er braucht nicht viel, um zu überzeugen. Im Jahr 2013 spielte er noch mit seiner Band in der Alten Schule in Lauterbach, diesmal ist er solo. In Flipflops, Tank-Top und Hut steht er auf der Bühne und hat nichts außer seiner Gitarre und seiner bemerkenswert kraftvollen und gleichzeitig zärtlichen Stimme. Kroft ist ein Musiker auf der Reise, innerlich und äußerlich. Ohne ein Label im Rücken tourt er durch die Welt - er nennt es sein "Journeys"-Projekt - hat in China, Kenia, Tansania, Uganda und Sansibar gespielt.

Die Songs, die er dabei schreibt, bringt er als EPs heraus und produziert parallel Dokumentarfilme. In seinen Songs klingt das Fernweh. Wenn er über den Geruch des afrikanischen Bodens nach dem Regen singt, erzählt seine Stimme von Freiheit und der unendlichen Weite afrikanischer Landschaften. Die Kraft des Stücks macht sehnsüchtig, der blaue Himmel über dem Schlosshof scheint zum Greifen nah. Kroft sagt von sich selbst, er sei auf der Suche nach den Wurzeln der Musik, der Menschen, der Welt. Die Suche ist hörbar und spürbar. Das macht still und nachdenklich.

Melodien erinnen an U2

Umso größer ist dann der Kontrast zu The Plea. Schade, dass Leadsänger Denny Doherty erst laut "Hello" ins Mikrofon schreien muss, bis das Publikum sich endlich auf seine Sitze begibt. Die Iren, allen voran Doherty mit stürmischer Frisur, sind wild, laut und ungezähmt. Dabei bleiben sie melodisch und eingängig. Die Einflüsse sind deutlich hörbar: Häufig erinnern Melodien und Übergänge an U2 oder Coldplay. Das mag manch einer als unkreativ kritisieren. Aber bei aller Ähnlichkeit bewahrt die Indie-Rock-Band The Plea trotzdem ihren eigenen Stil.

Die unverstellte, ruppig-irische Art macht sie außerordentlich sympathisch. Nichts gleitet in den Kitsch ab, wie zuletzt bei Coldplay zu oft geschehen. Intonation und Technik sind bis auf kurze Startschwierigkeiten bei Dohertys Solo-Stück einwandfrei. Vor allem aber löst die Musik ein Gefühl aus, das nicht jedes Genre, geschweige denn jede Band schafft: Glück mit einem Schuss Melancholie. Nicht alles ist immer so gelaufen, wie du es dir gewünscht hättest, sagt die Musik, aber es ist gut.

"Too young to die" ist eine Ode an das Leben, "Windchime" macht nachdenklich, "Send it out" ist eine euphorisierende Hymne. Das Publikum ist glücklich. Dohertys energiegeladene Stimme verursacht Gänsehaut und ist manchmal regelrecht hypnotisierend. Man will aufstehen, sich im Rhythmus wiegen und die Arme in den Nachthimmel strecken. Das ist hymnischer Brit-Pop in seiner besten Form. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht wieder acht Jahre bis zum nächsten Konzert im Schlosshof dauert - und dass Simone Kastl-Frisch wieder so ein gutes Händchen beweist.

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