Bergkirchen:Du bist nicht allein

Großartige Premiere: Unter der Regie von Ansgar Wilk bringt das Hoftheater mit Robinson & Crusoe einen Klassiker auf die Bühne, der das Publikum in seinen Bann zieht

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Der Satz: "Ich Robinson, du Freitag" aus Daniel Defoes Klassiker "Robinson Crusoe" hat Generationen von Kindern und Jugendlichen bis ins Erwachsenenalter begleitet. Und ihr Bild vom edlen, aber einfältigen Wilden und ebenso edlen, aber klugen, überlegenen Weißen zumindest in Teilen geprägt. Damit ist spätestens Schluss, seit die Autoren und Theaterleute Nino D'Introna und Giacomo Ravicchio 1985 ihr Stück "Robinson & Crusoe" auf die Bühne gebracht haben. Am vergangenen Freitag hatte es unter der Regie und in der Adaption von Ansgar Wilk Premiere im Hoftheater Bergkirchen.

Wobei das Wort Adaption die Arbeit des Regisseurs in diesem Fall nur sehr unzureichend beschreibt. Das Stück, so erzählte Wilk nach der gelungenen und von den Zuschauer begeistert gefeierten Premiere, bestehe hauptsächlich aus Regieanweisungen, es gebe nur ganz wenige vorgeschriebene Sätze. Mit anderen Worten: Robinson &Crusoe steht und fällt mit den Schauspielern. Was für eine glückliche Fügung, dass mit Guido Drell als "der erste Mann" und Ferdinand Ascher als "der zweite Mann", ein echter Glücksgriff gelungen ist. Die beiden jungen Darsteller verfügen über die seltene Gabe, sich vollständig aufeinander einzulassen und doch in jedem Augenblick sie selbst zu bleiben. Und sie nehmen ihr Publikum mit in das teils kuriose, teils tragische Geschehen auf der kleinen Bühne, lassen es mitlachen, mitweinen, lassen es zornig, frustriert und verzweifelt sein, so wie die zwei Männer auf der kleinen Insel.

Beide sind mit dem Flugzeug abgestürzt. Oder hat der eine den anderen abgeschossen? Beide sind verschreckt ob des Anblicks des anderen, sie kämpfen miteinander. Sie versuchen, einander auszutricksen. Wortlos, aber mit umso intensiveren Blicken verständigen sie sich über die lächerliche Seite ihrer ausweglosen Situation, finden einen Weg der Kommunikation über Sprachbarrieren hinweg. Ascher plaudert, doziert, flucht dabei in einer Fantasiesprache so gekonnt, als plaudere er eben mal einen beliebigen Dialekt. Fabelhaft, wie er den martialisch einher stapfenden Drell in seine Schranken verweist, um in Ruhe einen Fisch fangen zu können.

Bergkirchen: Beide sind verschreckt ob des Anblicks des anderen: Ferdinand Ascher und Guido Drell versuchen, einander auszutricksen.

Beide sind verschreckt ob des Anblicks des anderen: Ferdinand Ascher und Guido Drell versuchen, einander auszutricksen.

(Foto: Toni Heigl)

Wie der Hardcore-Typ zum liebenswerten Weichei mutiert, der nicht einmal eine Maus töten kann, ist eine der Schlüsselszenen des spannungsgeladenen Handlungsbogens. Von nun an wird es für die beiden leichter, weil der zweite Mann, dieser gnadenlose Optimist, die guten Seiten seines unfreiwilligen Inselmitbewohners sieht. Die Männer können ihre kindlich-kindische Seite zeigen, ohne sich etwas zu vergeben, sie können miteinander Ball spielen, gemeinsam einen Brief per Flaschenpost verschicken, sich mit irgendwelchem Strandgut als Touristen verkleiden und urkomisches Theater im Theater spielen. Doch das Wichtigste: Sie finden gemeinsam einen Ausweg aus ihrer schier ausweglosen Lage. Sie reiten, beziehungsweise segeln aber nicht zusammen in den Sonnenuntergang. Das wäre auch ein allzu kitschiges Happy End und der Philosophie dieser bemerkenswert vielschichtigen Inszenierung nicht würdig.

Der erste und der zweite Mann trennen sich, jeder versucht mit einem Rettungsboot in seine Welt zurückzukehren. Was sie im Gepäck haben? Die Frage, ob Robinson wirklich Crusoe auf der Insel getroffen hat - oder sich selbst mit all seinen guten und schlechten Eigenschaften. Sie nehmen die Erkenntnis mit, dass niemand eine Insel ist, "ganz für sich. Jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlands", wie es John Donne in seinen Meditationen beschrieben hat. Und sie nehmen die Erfahrung mit, dass aus Fremdenhass Respekt vor der Kultur des anderen, ja Freundschaft werden kann. So ist Wilk im Zusammenwirken mit Ulrike Beckers, die für das karge, aber stimmige Bühnenbild verantwortlich zeichnet, und mit Max I. Milian und seinen filmreifen Eigenkompositionen sowie den ebenso kraftvoll wie empathisch agierenden Schauspielern Ascher und Drell ein wahrhaft gutes Stück gelungen, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene in seinen Bann zieht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: