Bergkirchen:Aus dem prallen Leben

Janet Bens und Herbert Müller erzählen im Hoftheater die Geschichte von Emanuel Schikaneder, Librettist der "Zauberflöte".

Dorothea Friedrich

- Wer glaubt, alle Schauspieler und Sänger führten einen bedenklich lockeren Lebenswandel, möge sich einmal die Vorschriften der Deutschen Bühnengenossenschaft zu Gemüte führen. Bei dieser sind zahlreiche Vertreter der darstellenden Kunst Mitglied. Sie müssen oft heute noch etwa diesen Passus unterschreiben: "Herumkriechen und Poussieren hinter den Kulissen wird mit bis zu einer Monatsgage bestraft. Alle Geldstrafen fließen der Direktion zur beliebigen Verwendung zu." Da muten die "Hausgesetze", die Emanuel Schikaneder (1751 - 1812) erließ, als er Direktor des k.k. privilegierten Theaters auf der Wieden in Wien wurde, geradezu sozial an. Immerhin wurden die wohl nicht geringen Strafgelder, die seine Ensemble-Mitglieder für diverse Vergehen zu zahlen hatten, gesammelt und zur Unterstützung reisender Schauspieler verwendet.

Doch wer war dieser Emanuel Schikaneder, den die meisten höchstens als Librettist von Mozarts "Zauberflöte" kennen? Einen Streifzug durch sein wahrhaft bewegtes Leben unternahmen Janet Bens und Herbert Müller am Freitagabend im Hoftheater Bergkirchen unter dem Motto: "Der Prinzipal und seine Flöte". Pianistin Petra Morper spielte dazu Werke von Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart. Der Abend zeigte nicht nur einige der vielen Facetten des begnadeten Sängers, Schauspielers, Dichters, Regisseurs und Theaterdirektors Schikaneder. Er war zugleich der Auftakt der neuen Reihe "Weltgeschichten" im Hoftheater.

Schikaneder also. Ein gefundenes Fressen für die Theaterbesessenen auf der Bühne und im "auserwählten, erlesenen Publikum". So begrüßte Müller die überschaubare Zahl seiner Zuhörer. Diese hatten das Vergnügen, neben der Entstehungsgeschichte der "Zauberflöte" einiges über die Hauptperson des Abends zu erfahren. Er war zeitgenössischen Stichen und Gemälden zufolge ein recht stattlicher, schöner Mann und entsprach mit seinem Lebenswandel so gar nicht der von ihm geforderten Sittlichkeit innerhalb seiner Theatertruppe. Und er muss eine umwerfende Ausstrahlung gehabt haben. Die Damen ergaben sich ihm reihenweise, nicht nur um an begehrte Hauptrollen zu kommen. Von diesen Pikanterien hätte man gerne mehr gehört als ein umwerfend komisches Kapitel aus Robert Hültners "Der Sommer der Gaukler". Ebenso gerne hätte man erfahren, wie es kommen konnte, dass der Gott am Wiener Theaterhimmel völlig verarmt und geistig verwirrt seine letzten Lebensjahre verbrachte. Schade! Dafür gab es weit mehr als biografische Notizen zum Aufstieg des jungen Emanuel, der eigentlich Johann Joseph Schickeneder hieß. Janet Bens und Herbert Müller zeichneten ein facettenreiches Bild der Zeit, erzählten von der Abhängigkeit Schikaneders und Mozarts von ihren Brotherren, dem Salzburger Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo von Waldsee und dem österreichischen Kaiserhaus, von ihrer Schaffenswut, von Erfolgen und Misserfolgen, ihrer Lebensgier - und von ihrer Freundschaft.

Da passte Petra Morpers Musikauswahl mit einem Stück aus Leopold Mozarts "Notenbuch", mit Thema und zwei Variationen über die Arie Come un agnello, einem Walzer aus den "Deutschen Tänzen", dem Menuett D-Dur und der Fantasie d-Moll, hervorragend. Die elegische Fantasie d-Moll ließ die Gedanken zu der schicksalhaften Verbindung der beiden Übergroßen schweifen. Vielleicht konnten nur zwei Männer, die sich über Konventionen - und Bühnenordnungen sowieso - hinwegsetzten, der Welt ein so unfassbares Geschenk wie "Die Zauberflöte" machen.

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