Beitrag zu mehr Toleranz:Regisseure mit Herzblut

Ermal und Kevin von der Greta-Fischer-Schule produzieren eine Dokumentationüber den KZ-Überlebenden Josef Salomonovič für das Fernsehen

Von Christiane Bracht, Dachau

Still sitzen, zuhören, sich konzentrieren und lernen - das liegt nicht jedem Jugendlichen. Schule ist eben einfach langweilig. Das finden auch Ermal Shala und Kevin Schmid. Die beiden 16-Jährigen rümpfen die Nase, wenn sie an Unterricht denken. Aber heute sitzen sie hoch konzentriert am Tisch mit ihrem Lehrer Ignacio Acosta. Heute ist jede Langeweile verflogen, nichts lenkt sie ab. Jeder hat einen Kopfhörer auf. "Hallo, wir sind vom Greta-Fischer-Schul TV aus Dachau", sprechen die beiden ins Mikrofon. Acosta stoppt: "Noch mal. Es muss natürlicher klingen - nicht abgelesen." Sie üben, wiederholen die Aufnahme, korrigieren sich und überlegen gemeinsam, wie es besser wäre.

Flimvertonung

Bei den Tonaufnahmen: Lehrer Ignacio Acosta gibt den Einsatz, Ermal Shasha und Kevin Schmid (v.li.) sprechen den Text ein.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Ermal und Kevin sind mit Feuereifer dabei. Es macht ihnen sichtlich Spaß, die Sätze für ihren Film einzusprechen. "Es muss sein wie bei den Fernsehnachrichten", sagt Kevin mit leuchtenden Augen. Die beiden arbeiten an einem Dokumentarfilm über den Besuch von Josef Salomonovič, einem Holocaustüberlebenden, an ihrer Schule. Wenn der Film fertig ist, soll er im Fernsehen ausgestrahlt werden. Eine große Ehre für die Jugendlichen und Ansporn zugleich.

Beitrag zu mehr Toleranz: Protagonist im Film ist Josef Salomonovič, der seine Lebensgeschichte erzählt.

Protagonist im Film ist Josef Salomonovič, der seine Lebensgeschichte erzählt.

(Foto: Toni Heigl)

Seit Februar sind die 16-Jährigen bereits mit dem Projekt beschäftigt. Sie haben ein Faible für Technik. In ihrer Freizeit sitzen sie am liebsten vor dem Computer. Kevin macht Musikvideos und Anime, die auf Youtube zu sehen sind, natürlich nicht unter seinem richtigen Namen, sondern als Melone Zocker LP. "Das hat sich gut angehört", lacht er. Ermal hat sich indes auf Intros spezialisiert. "Ich habe schon 1800 Follower und 100 000 Clicks", sagt er stolz. Im Netz ist er Mali FX. Der zehnminütige Dokumentarfilm wird die Krönung ihrer Werke. Aber er ist auch eine besondere Herausforderung.

Beitrag zu mehr Toleranz: Die Schüler lauschen bestürzt den Ausführugen von Josef Salomonovič, während die Filmkameras laufen.

Die Schüler lauschen bestürzt den Ausführugen von Josef Salomonovič, während die Filmkameras laufen.

(Foto: Toni Heigl)

Als Salomonovič im Februar den Schülern seine schreckliche Geschichte erzählte, wie er als kleiner Junge mehrere KZs überlebte, standen Ermal und Kevin mit großen Filmkameras hinten im Raum und nahmen alles auf: Salomonovič in Nahaufnahme, das betretene Schweigen der Schüler, die Fragen und auch den Löffel, den Salomonovič irgendwann aus seiner Tasche holte. Der Löffel habe ihm das Leben gerettet, denn ohne ihn wäre er damals verhungert, erklärt e er den Schülern. Die Zähne waren ihm ausgefallen und wuchsen nicht so schnell nach, so konnte er nicht beißen. "Es war schrecklich", sagt Ermal. Vor kurzem waren die Schüler im BOA-Filmstudio, um das Rohmaterial zu sichten und zu schneiden. "Es war anstrengend, auf die Sekunde genau zu schneiden. Davon hab ich Kopfschmerzen gekriegt, aber ich habe einfach weitergemacht", erzählt Kevin. "Das macht viel mehr Spaß als Unterricht." Ermal fand es "schlimm, mehrmals der Geschichte zuzuhören", technisch hat es ihn aber fasziniert.

Konrektorin Irmengard Wilfurth ist begeistert, dass die Schüler über das Medium Film lernen. Denn die Greta-Fischer-Schule in Dachau ist ein Förderzentrum für Jugendliche, die sprachlich, emotional oder sozial Unterstützung brauchen und sich mit dem schulischen Lernen schwer tun. Lehrer Ignacio Acosta hatte vor einiger Zeit herausbekommen, dass Filme die Kinder motivieren, und so drehte er mit seiner Klasse einen Zombie-Film. Wilfurth will das nun ausbauen. Im nächsten Jahr soll es eine Film-AG geben. Ermal und Kevin können ihren Mitschülern dann einiges beibringen. Doch zuerst müssen sie noch den Ton über ihren Film legen, Musik einspielen und ein Intro basteln. "Es soll chillig werden", sagt Spezialist Ermal. Das Drehbuch für die eingesprochenen Sätze haben sich die 16-Jährigen übrigens selbst überlegt. "Unser Fazit: Wir wollen keinen Krieg, keine Unterdrückung und keinen Rassismus", heißt es darin zum Schluss. Und: "Toleranz ist Stärke". "Denn jeder Mensch ist gleich viel Wert", erklärt Ermal.

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