Bayerische Schulkinowoche:Film statt Mathe

Mit dem Streifen "Tom und Hacke" sowie einem umfangreichen Rahmenprogramm ist am Montag im Dachauer Cinema die 6. Bayerische Schulkinowoche eröffnet worden.

Andreas Baumer

Bayerische Schulkinowoche: Weicher Kinosessel statt harte Schulbank: 300 Dachauer Grundschüler und Gymnasiasten fanden sich im Dachauer Cinema ein. Mit Witz geleitete Sebastian Meinberg vom Bayerischen Rundfunk (rechts im Bild) sein Publikum durch das Programm.

Weicher Kinosessel statt harte Schulbank: 300 Dachauer Grundschüler und Gymnasiasten fanden sich im Dachauer Cinema ein. Mit Witz geleitete Sebastian Meinberg vom Bayerischen Rundfunk (rechts im Bild) sein Publikum durch das Programm.

(Foto: © joergensen.com)

Es ist Montagmorgen kurz vor 8 Uhr, Dachau-Ost. Die Busse rollen vor, kreischende Schülermengen steigen aus und drängeln sich Richtung Eingang. Ein ganz normaler Wochenanfang an einer Schule in Bayern, könnte man meinen. Doch dieser Montagmorgen ist alles andere als ein gewöhnlicher Schultag für rund 300 junge Menschen aus dem Landkreis Dachau. Denn die aufgeweckte Menge betritt an diesem Tag nicht das Schulhaus, sondern das Dachauer Kino Cinema. Für einen Tag wird die harte Schulbank mit einem bequemen Kinosessel, monotone Mathe- und Deutsch-Stunden mit spannenden Film-Workshops ausgetauscht.

Bereits zum sechsten Mal organisiert das bayerische Kultusministerium eine Schulkinowoche, ein einwöchiges Projekt, das dem Nachwuchs landesweit Film und Fernsehen näherbringen soll. Bisher haben sich knapp 120 000 Schüler angemeldet, 85 Kinos beteiligen sich. Eine besondere Ehre, dass Dachau als Ort für den offiziellen Startschuss ausgewählt wurde. "Die Dachauer haben eben dank der rund 3 100 Anmeldungen mit die meisten Schulkinofans", lobt Moderator Sebastian Meinberg vom Bayerischen Rundfunk, der sich schlicht als Sebastian vorstellt.

Und weil ja auch der Kinotag ein offizieller Schultag ist, ruft er in den Saal: "Guten Morgen, liebe Kinder!" "Guten Morgen, Herr Sebastian", schallt es aus dem vielstimmigen Kinderchor zurück. Drei Schulen aus dem Umkreis sind vertreten: die Grundschulen Schwabhausen und Augustenfeld haben ihre dritten und vierten Klassen geschickt, beim Josef-Effner Gymnasium dürfen die fünften Klassen Kinoflair schnuppern. Und so ist der größte Kinosaal, den das Cinema zu bieten hat, fast bis zum letzten Platz gefüllt. Sebastian hält sich nicht lange mit einführenden Worten auf. Zügig bittet er die Protagonisten der kommenden Stunde auf das Podium: Regisseur Norbert Lechner, Drehbuch- und Kinderautor Rudolf Herfurtner, Sounddesigner Joo Fürst sowie die drei Kinderschauspieler Benedikt Weber, Xaver-Maria Brenner und Julia Forstner. Zusammen haben diese den Film "Tom und Hacke" produziert, der im Cinema als Lehrfilm präsentiert wird.

Ganz viel Zeitaufwand stecke hinter einem solchen Film, erläutert Regisseur Lechner gleich vorneweg. "Wir haben ungefähr ein Jahr Vorbereitungszeit gebraucht, schließlich 45 Tage gedreht und die Szenen dann ein weiteres dreiviertel Jahr zusammengeschnitten und mit Musik und Tönen komplettiert", zeichnet Lechner nach. "Dazu müsst ihr noch ein weiteres Jahr für das Drehbuch hinzufügen", meint Drehbuchautor Herfurtner. Der Aufwand aber hat sich gelohnt. Immerhin wird mit dem Streifen die Schulkinowoche Bayern in diesem Jahr eröffnet. Und er hat damit offensichtlich zwei herausragende Kriterien erfüllt, die der Staatssekretär des bayerischen Kultusministeriums, Bernd Sibler, folgendermaßen umschreibt: "Ein guter Kinofilm begeistert die Zuschauer und übermittelt eine Botschaft."

Und eine Botschaft besitzt Lechners Werk "Tom und Hacke" allemal, auch wenn der Regisseur persönlich seine Aufgabe vorrangig in der des Geschichteerzählens sieht. Lechner stellt die ärmlichen Lebensbedingungen in Bayern in der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs anhand zweier kleiner Buben dar, die versuchen, ihr Leben durch Streiche aufzupäppeln. Während eines Friedhofsaufenthaltes zu nächtlicher Stunde beobachten sie schließlich einen einarmigen Kleinganoven, wie er einen Mord begeht. Von da an setzen die Jungen alles daran, dass der Mann für diese Untat auch zur Rechenschaft gezogen wird. Inspiriert wurden die Filmemacher vom bekannten Roman "Die Abenteuer des Tom Sawyer" von Mark Twain.

Die Übertragung der Erlebnisse in die bayerische Nachkriegszeit sowie der starke bayerische Dialekt, der vor allem auch von den Kinderschauspielern zelebriert wird, gibt dem Film dabei eine besondere, heimatverbundene Note. Lechner dazu: "Wäre unser Film vom ZDF finanziert worden, dann wäre er wohl auch hochdeutscher geworden." Doch genug des Vorspanns: Von Sebastian angestimmt zählen die Schüler die Sekunden herunter, bis sich die Lichter verdunkeln und die ersten Bilder über die Leinwand flimmern.

Dabei ist der eineinhalbstündige Streifen bei weitem nicht das Ende der Veranstaltung. Im Anschluss kann der Nachwuchs hautnah miterleben, wie Filme wie "Tom und Hacke" überhaupt produziert werden. Während Autor Herfurtner und Regisseur Lechner wissbegierigen Schülern Rede und Antwort stehen, können andere Klassenkameraden selbst Geräusche zu bestimmten Filmszenen machen. Zu lernen ist da zum Beispiel, dass das Pferdegaloppieren ganz einfach durch Zusammenschlagen zweier Kokosnussschalen erzeugt werden kann. Oder dass das knisternde Feuer in "Tom und Hacke" nichts weiter ist als ein fein genähtes Tuch, das beim Reiben eine mulmige Lagerfeuerstimmung generiert. Geräuschemacher Fürst schärft den gebannten Zuhörern dabei regelmäßig ein: "Ganz leise bei der Aufnahme, dass wir tatsächlich nur das gewollte Geräusch in der Szene wiederfinden."

Wer hingegen den umworbenen Teenie-Schauspielern nahe kommen will, muss zuerst sein Schauspieltalent vor einer grünen Leinwand auf einem Leiterwagen selbst unter Beweis stellen. Immerhin: Der 13-jährige Benedikt Weber, nun selbst Regisseur und Motivator der jungen Schüler, will nachher "begabte" Jungschauspieler gesehen haben. Tatsächlich geht es Helga Schiller, Schulleiterin der Grundschule Augustenfeld, vor allem darum, dass sich Schüler ernsthaft mit Filmen auseinandersetzen. "Ich hoffe, dass solche Filme nicht nur im Unterricht behandelt, sondern dann auch mit den Eltern besprochen werden." Spaß hat es den Kindern zumindest gemacht. "Vor allem die Schauspielerin Julia habe ich sehr gut gefunden", meint die neunjährige Ece Balci von der Grundschule Augustenfeld, ehe sie sich abschließend noch ein Autogramm abholt von ihrer Lieblingsschauspielerin.

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