Barockpicknick:Lange Schlangen vor dem Schlosspark

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Ungefähr 3000 Besucher, so viele wie noch nie, kommen zum 14. Barockpicknick hoch über den Dächern Dachaus. Die Gäste genießen einen romantischen Abend.

Von Petra Neumaier

Von der Wiese des Schlossparkes ist fast nichts mehr zu sehen. Und das liegt nicht an der Dunkelheit, die nur punktuell von Fackeln und Laternen unterbrochen wird. Lediglich im aller hintersten Eckchen ist noch etwas Grün, das nicht von bunten Picknickdecken und ihren darauf schlemmenden oder ruhenden Besitzern bedeckt ist. Das Barockpicknick am Freitagabend hat in seiner 14-jährigen Geschichte nie so viele Besucher gesehen. Auf 3000 schätzt Renate Kiermair vom Kulturamt gegen 22 Uhr die Zahl, die aber - so zumindest der optische Eindruck - weit untertrieben sein dürfte.

Der Schweiß läuft in Strömen. Schwer schleppen oder ziehen in der Hitze der Abendsonne Männer und Frauen ihre prall gefüllten Taschen und hoch beladenen Leiterwagen den Berg zum Schloss hinauf. Würden ihre Augen nicht erwartungsfroh glänzen und ihre Lippen permanent lächeln, man hätte den Eindruck, die Bewohner der Stadt seien evakuiert worden und müssten ihr Hab und Gut in Sicherheit bringen. Schon vor dem Einlass um 18 Uhr ist die Schlange der Wartenden lang. Bis zum Eingang des Restaurants reicht sie, "so weit hinten hab ich noch nie angestanden", kommentiert kopfschüttelnd einer von ihnen, der seit Jahren stets um die gleiche Uhrzeit kommt. Dabei hat er noch Glück: Nur Minuten später sollte die Schlange für die nächsten zwei Stunden fast einmal um den ganzen Vorplatz reichen - konkurrierend mit einem nicht enden wollenden Autokorso. Pausenlos rollen die Fahrzeuge an, aus denen Frauen, Kinder und Omas mit ihrem Gepäck herausspringen. Etwas missmutig fahren die meist männlichen Chauffeure davon. Lange werden sie in der Stadt nach einem Parkplatz suchen müssen. Auch ihre Angehörigen brauchen Geduld: Über eine halbe Stunde müssen sie anstehen, bis sie das Nadelöhr, das Tor des Parks, erreichen.

Zwei alte Damen ziehen und zerren eine mit zwei Kühltaschen gestapelte Liege den Berg hinauf. "Schnell, sonst kommen wir nicht mehr rein", keucht eine von ihnen in Panik. Wenn auch schon um 19 Uhr alle roten Bändchen vergriffen sind und nur noch die Hände abgestempelt werden können: "Rein" kommen alle. Und wer organisiert ist, hat sogar schon Verwandte oder Bekannte drin, die ein Fleckchen Wiese unter den schattigen Obstbäumen reserviert haben. Ohne noch mehr Zeit zu verlieren werden sofort Decken, silberne Kerzenleuchter und bunte Laternen ausgepackt und fast im gleichen Moment klappert das Besteck auf den Tellern, duftet es nach Wurst- und Nudelsalaten und Antipasti, krümeln Brote und Baguette. Unzählige Kinder nutzen die mit den Decken ausgelegten Parzellen als Hindernislauf. Wer nur auf Rasen treten will, gerät oft in eine Sackgasse.

Eine romantische Wiese unter alten Bäumen und umrahmt von bunten Blumenrabatten, die herrliche Schlosskulisse, sommerliche Temperaturen, die flackernden Kerzen in der Dunkelheit und das alles gewürzt mit schöner Musik: Herrlicher kann ein Abend nicht verbracht werden. Lang vermisste Freunde finden sich trotz des Gewühls, und das Beobachten der Nachbarn ist spannender als jedes Kino. Hier die vornehmen Seniorinnen, die jedes Schlückchen Wein und jedes Stückchen Käse zelebrieren. Dort zwei Herren und eine Dame im barocken Gewand und weißgepuderten Perücken: Susi, eine waschechte Dachauerin, die ihr 26 Jahre altes Hochzeitskleid umgefärbt und in ein herrliches Barockkleid verwandelt hat, ist tatsächlich zum ersten Mal hier - und begeistert. Obwohl ihr unter dem hochgetürmten falschem Haar schrecklich heiß sein muss. Schon wäscht der Schweiß das weiße Puder aus dem Gesicht. "Aber wenn schon, denn schon", sagen auch ihre Begleiter Juxe und Christoph, die nicht minder unter ihrer Haarpracht schwitzen.

Trotz Schlemmen, Ratschen und Genießen der einmaligen Atmosphäre: Jedes Stück der Musiker wird mit aufmerksamem Beifall gewürdigt. Beschwingt von Wein und Hans Blumes Swingtime wippen Köpfe und wackeln Beine. Bei den Darbietungen des Schlagzeugers und Perkussionisten, Christian Felix Bennig, erheben sich viele sogar von ihren Decken und umringen die Bühne. Der 18-jährige preisgekrönte Musiker, der solo und erstmals im Duo auftrat und gerade erst mit dem Tassilopreis der Süddeutschen Zeitung gekürt wurde, begeistert das Publikum - wenn sich auch viele nach Einbruch der Dunkelheit in der romantischen Stimmung lieber eine etwas klassischere Musik gewünscht hätten.

Völlig erschöpft, aber glücklich lassen derweil die kassierenden vier Damen und Herren des Kulturamtes den Abend ausklingen. Viele Münchner und Freisinger haben sie anhand der Autokennzeichen heuer unter den Gästen ausgemacht. Und das, obwohl eigentlich kaum die Werbetrommel gerührt worden war. "Die Veranstaltung spricht sich auch so herum."

© SZ vom 21.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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