Ausstellung:Paysage intime modern

Programmkoordinator Gerhard Niedermair zeigt eigene Werke im Dachauer Wasserturm und entpuppt sich als Forscher mit Farben und Fotografie. Dabei deutet er die Tradition der Landschaftsmalerei für sich neu

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Gerhard Niedermair aus Vierkirchen ist ein Formalist. Er bezeichnet sich auch selbst so. Diese Übereinstimmung ist sehr angenehm, weil sich das Gespräch sofort um das Fotografieren drehen kann und wie die Nähe oder die Suggestion zum gemalten Bild möglich wird. Wenn Künstler in Dachau ausstellen, die sich eher in ihrer Freizeit mit dem Malen beschäftigen, dann wird der eigene Anspruch oft schnell und gerne überhöht. Dann geht es schon mal um das Sein im bildnerischen Prozess. So als ob man klüger als alle Philosophen wäre. Dabei taten sich schon die alten Griechen schwer, überhaupt eine sinnvolle Frage nach dem so genannten Sein zu formulieren. Gerhard Niedermair ist da bescheidener.

Und damit befindet er sich auch näher am bildnerischen Prozess. Er ist 63 Jahre alt, verheiratet mit der ebenfalls kunstbeflissenen Ute Hofmann und von Beruf Anglist. Er ist ein forschender übrigens, der bei Siemens in München in einer Abteilung arbeitete, die sich mit Systemen der Spracherkennung befasste. Außerdem war er Manager für die Weiterbildung.

"Das Ergebnis muss stimmen"

Ein solcher Beruf bringt sozusagen die Fähigkeit zur konsequenten Konzentration auf ein Thema mit. Die braucht Gerhard Niedermair schon wegen seines ehrenamtlichen Engagements als Programmkoordinator für den Dachauer Wasserturm. Er ist für einen reibungslosen Ablauf dort oben neben dem Schloss zuständig. Insofern wundert es nicht, dass er zwei Tage vor der Vernissage die drei Stockwerke komplett gehängt hat.

Man sieht Strukturbilder, die teils plastisch wirken. Es sind eindeutige Abstraktionen beispielsweise einer Baumrinde. Dann wiederum verfremdet Niedermair Landschaften oder Objekte soweit, dass sie nicht mehr auf einen formalen Kern reduziert wirken. Vielmehr löst sich das Gesehene auf. Diese fotografischen Serien bilden den Kern der Ausstellung. Niedermair ergänzt sie um lichte Aquarelle, in denen er mit einfachen Formen spielt. Er zeigt Bilder, in denen er sich den ineinander fließenden Farben überlässt, bis sich Netzwerke über die Fläche verbreiten.

Gerhard Niedermair sagt, dass ihn der Prozess mehr interessiert als die Idee, irgendetwas darzustellen. "Das Ergebnis muss stimmen." Aber so harmlos soll er bei der Ausstellung nicht wegkommen, weshalb ein paar kunstkritische Anmerkungen nötig sind. Niedermair nimmt die kunstgeschichtliche Tradition, die Paysage intime der Landschaftmalerei des frühen 20. Jahrhunderts und damit die Dachauer Tradition der Künstlerkolonie, spürbarer auf als mancher Epigone der so genannten Dachauer Ansichten. Seine Werke entstehen aus der Nähe zur Landschaft und zu einem Naturausschnitt. Aber er malt ihn nicht nach, er sucht experimentell danach, was sich mittels einer bestimmten Technik der Fotobearbeitung aus dem Gesehenen heraus entwickelt. Außerdem ist die Nähe zu einer zeitgenössischen Künstlerin unverkennbar, die zudem noch ganz in der Nähe von Niedermairs Wohnort Vierkirchen lebt.

Auch Annekathrin Norrmann befasst sich mit den Möglichkeiten der Fotografie und mehr noch mit der Frage des Übergangs von Gegenständlichkeit zur Abstraktion. Bei ihr spielt in ausgeklügelten Verfahren die Bedeutung des Lichts als Grundelement allen Malens eine wesentlich fundamentalere Rolle als bei Niedermair. Aber der 63-Jährige, der sich seit der Jugend mit Kunst befasst, ist immerhin einer, der sich mit den Grundfragen moderner Kunst und ihren interessanten Ideen und Möglichkeiten befasst.

Gerhard Niedermair: Vernissage, Dachauer Wasserturm, Freitag, 26. Oktober, 19 Uhr

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