Ausstellung:Einfach extravagant

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Allein schon die Tatsache, dass in Dachau eine Ausstellung Angewandter Kunst stattfindet, ist außergewöhnlich. Deshalb ist die Freude unter den 13 Künstlern in der KVD-Galerie auch so groß

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Friedlich liegen die beiden Rinder im Gras, ruhend und widerkäuend. Aus der Entfernung sehen sie aus wie zwei Klumpen aus gekneteter Masse, kleine Gebirge mit Höhen und Tiefen. Ihre Körper - der eine in Eiche gearbeitet, der andere in Beton gegossen - sind als Landschaften modelliert, in denen sich das Licht fängt und im Spiel mit dem Schatten eine lebendige Plastizität hervorruft. Die beiden Plastiken sind sich ähnlich und doch völlig verschieden. Die Bildhauerin Anna Pfanzelt experimentiert mit der Anmutung unterschiedlicher Werkstoffe, sie stellt die warme Oberfläche des gemaserten Holzes der kühlen Glätte des grauen Betongusses gegenüber und bezieht sich in den Tierplastiken auf ihre Herkunft aus Oberammergau, wo weidende Rinder noch fest zur Landschaft gehören.

Ihre Kunstwerke sind Bestandteil der Ausstellung "Simple Dinge - handsomes", die am Wochenende in der KVD-Galerie und in der Keramik-Werkstatt von Claudia Flach zu sehen ist. 13 Künstler, Designer und Kunsthandwerker zeigen hochwertige und individuelle Produkte aus den Bereichen Schmuck, Keramik, Porzellan, Textil, Papier, Glas, Holz und Geflecht. Vom Alltagsgegenstand bis zum außergewöhnlichen Schmuckstück, von der Kleinserie bis zum erlesenen Einzelstück, wie sie sonst nur auf großen internationalen Messen zu sehen sind.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Wie eine Kunsthandwerksmesse sieht es in der KVD-Galerie aus: Taschen von Claudia Santiago Areal,...

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(Foto: Niels P. Joergensen)

...Tonspielzeug auch für Erwachsene von Claudia Flach,...

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(Foto: Niels P. Joergensen)

...Glaskunst von Gabriele Metzger...

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(Foto: Niels P. Joergensen)

...und Schmuck von Kira Fritsch.

Organisatorin Claudia Flach freut sich über die Zusammenführung der ausgewählten Aussteller, die nicht nur feinste Qualität, sondern auch eine große Vielfalt bieten. "Das ist eine kleine Kunsthandwerkmesse in Dachau", so Flach. "Jeder Aussteller steht für einen unverkennbaren Stil." Pia Maria Duppich, Unk Kraus und Kira Fritsch als Mitorganisatorin präsentieren extravaganten Schmuck für Hals und Hände: Silbergeschlungene, geometrische Anhänger an Kautschukbändern und große, ovale Ringe; bunte Colliers aus thermoplastischen Kunststoffen, die in Goldschmiedetechnik bearbeitet werden und so auffallend sind, dass man Mut haben muss, sie zu tragen, oder im Gegenzug dazu kleine, verträumte Preziosen, die den Blick eher auf das Verborgene lenken.

Um scharfkonturiertes Design in Verbindung mit Funktion geht es in den Papier-Taschen von Claudia Santiago Areal. Einzigartige Damenhandtaschen von der eleganten Clutch bis zum praktischen Shopper sind weniger alltäglicher Gebrauchsgegenstand als vielmehr architektonisches Statement. "Ich verwende doppelschichtiges Kraftpapier, das ich laminiere und von Hand farbig lasiere", erklärt die studierte Innenarchitektin. Neben den klaren, linearen Formen sind die sichtbaren Nähte in farbigem Garn ein wichtiges Gestaltungsmerkmal der wunderbaren Accessoires.

Keramikerin Claudia Flach, die ihren Laden gegenüber der KVD-Galerie führt, hat die Ausstellung mit angewandter Kunst angestoßen und auch organisiert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Einen Aha-Effekt erlebt der Besucher auch beim Anblick von Irmengard Matschunas komplizierten Schachteln aus Pappe, Papier und Collage. In buchbinderischer Technik verbindet die Psychologin und Philosophin die Funktionalität der Behälter mit einem skulpturalen Objektcharakter, der neben der räumlichen Auseinandersetzung auch Witz und Humor verrät. Die beiden Flechtwerkgestalterinnen Elke Hegmann und Gitti Klitzner schaffen in ihren fein gearbeiteten Objekten, die nur mehr entfernt an Korbflechtereien erinnern, naturbelassene Schmeichler für die Augen. So ähnlich ist es auch in den Textilarbeiten von Marianne Wurst. In reiner Handarbeit fertigt sie aus Stoffen und Geweben individuelle Kleidung, die sich zwischen Tradition und Moderne bewegt.

Den Bogen zur Kunst schlägt die Dachauerin Paula Flach. Die Zeichnerin und Redakteurin für Dokumentarfilme lässt nachts ihrer Fantasie freien Lauf und schreibt und illustriert kleine Geschichten. Als Zeichnerin betätigt sich auch die aus Oberammergau stammende Holzbildhauerin Anna Pfanzelt. In einer quadratischen Bleistift- und Tuschzeichnung zitiert sie die Deckenfresken in den bayerischen Barockkirchen, wo sich in der Kuppel der Himmel mit den Heiligen und Engeln in einem wirbelnden Sog auftut. Anna Pfanzelt schafft in der Radiernadeltechnik aus heutiger Sicht ebenfalls eine faszinierende Metaebene aus stürzenden und aufsteigenden Elementen, Figuren und Tieren. Die beiden ruhenden Kühe und ein moderner Kruzifix gehören dazu.

Die Ausstellung komplettieren Brigitte Schraders Neuinterpretationen von traditionellem Tafelservice und Claudia Flachs märchenhafte Keramiken in der gegenüberliegenden Keramik-Werkstatt mit "Spielzeug für Erwachsene". Dazu gehören eine "Traumstation" mit Geldschlitz und eine kleine Bühne für ein ganz privates Theater. Glaskünstlerin Gabriele Metzger präsentiert farbige Flachgläser an den Schaufenstern. Sie streuen das Tageslicht stimmungsvoll in den Raum und verwandeln sich ihrerseits durch den Lichteinfall zu kunstvollen Lichtwerken.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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