Ausstellung:Die Baudenkmalerin

Anja Grafe-Friedrich

Die weit gereiste Architektin Anja Grafe-Friedrich zeigt in Karlsfeld auch einen Satz mit Bildern ihrer Heimatstadt München.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Architektin Anja Grafe-Friedrich fertigt flotte Aquarelle von historischen Gebäuden auf der ganzen Welt

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Wenn Anja Grafe-Friedrich verreist, hat sie immer ihre Malutensilien dabei. Dann klappt sie am Straßenrand ihren Hocker auf und füllt ihren Faltbecher mit Wasser. Die 47-Jährige ist es gewohnt zu zeichnen. Sie ist Architektin. Landschaften reizen sie nicht, Menschen bevölkern ihre Bilder nur als schemenhafte Gestalten. Im Fokus stehen bei ihr Gebäude: Tempel, Villen, Altstadtszenerien, die sie mit Aquarell und Tusche aufs Papier bannt, und wenn es mal detaillierter sein soll mit Bleistift, aber immer mit lockerem Strich. Ein paar Minuten, mehr braucht sie nicht, um ihre Eindrücke festzuhalten. Momentaufnahmen, im wahrsten Sinne des Wortes. Kunst im Vorbeigehen. Für Anja Grafe-Friedrich sind die Zeichnungen ein "Erkenntnisgewinn durch die Hand". Wenn sie zeichnet, erschließt sich ihr dadurch Schritt für Schritt der Charakter der Bauwerke. "Ich erkenne Proportionen, nehme Farben und Strukturen wahr und tauche in die Atmosphäre des Ortes ein."

Bei aller handwerklichen Kunstfertigkeit sind die Bilder alles andere als sterile technische Skizzen. Die dichte Ornamentik im Interieur einer Barockkirche übersetzt sie in verschnörkelte Knotenlinien. Es sieht ein bisschen aus wie Noten, und tatsächlich sagt Anja Grafe-Friedrich selbst, sie übersetze die Formen in "Musik". Da geht es um Rhythmus, um Pausen, um dicke und dünne Töne. Und der Betrachter hat keine Mühe, die "Musik" im Kopf zurück zu übersetzen in räumliche Formen. Die farbliche Aquarellierung der Motive setzt zusätzliche Akzente. Es geht der Künstlerin ausdrücklich nicht um eine realistische Darstellung, sondern um einen authentischen Gesamteindruck. Um den "Genius loci", wie sie es im Jargon der Architekten ausdrückt. Das, was einen Ort im Wesentlichen ausmacht. Durch die Reduktion der Details sind ihre Bilder intensiver als die Realität. Ein Konzentrat erlebter Wirklichkeit im Duktus der Flüchtigkeit.

Die Motive sind vielfältig: Georgische Bergdörfer. Persische Moscheen. Der Florentiner Dom. Äthiopische Kultstätten. Die Zitadelle von Aleppo - inzwischen durch den Bombenhagel des syrischen Bürgerkriegs in Schutt und Asche gelegt, Anja Grafe-Friedrich war schon in 84 Ländern der Erde. Das hat etwas mit ihrer Vita zu tun. Im sachsen-anhaltinischen Halberstadt geboren und aufgewachsen in der DDR nutzte sie die Reisefreiheit nach der Wende exzessiv aus. "Ich dachte, das gibt sich irgendwann." Aber ihr Drang, neue Länder zu entdecken, neue Kulturen, neue Menschen und neue altertümliche Architektur, hat bis heute nicht nachgelassen.

Wenn sie sich mitten in Isfahan auf ihrem Klappstühlchen niederlässt, um zu zeichnen, dauert es nicht lange, bis ihr die Einheimischen neugierig über die Schulter gucken. "Die Leute spüren, dass man ihr kulturelles Erbe wertschätzt." Die Ausstellung zeigt auch Szenen ihrer Heimatstadt München: Oktoberfest, Theatinerkirche, Jakobsplatz. Wie München aus dem Reiseprospekt. Doch hier war die Arbeit am schwierigsten. Wenn sie in der Nähe eines Ladens malte, wurde sie immer wieder von den Inhabern vertrieben - von öffentlichen Flächen. Früher sei das nicht so gewesen, sagt Anja Grafe-Friedrich. Die Leute stehen unheimlich unter Druck. Sind nervös. Haben Angst um ihr Geschäft. Nur weil jemand ein paar Minuten da sitzt und ein Bild malt. "Das habe ich an keinem anderen Ort der Welt erlebt."

So zu zeichnen, wie sie es tut, ist auch in der Architektenzunft nicht mehr Allgemeingut. CAD-Programme verdrängen dieKomposition mit Zeichenstift. Kein Wunder, dass auch die Bayerische Architektenkammer ihre Bilder ausstellt. Anja Grafe-Friedrich ist aber nicht nur Architektin, sie ist auch die Mutter von vier Kindern im Alter von fünf bis 16 Jahren. Im Urlaub malen auch sie mindestens jeden Tag ein Bild. Der Kleinste, Mads, hat sich sogar schon einen Künstlername zugelegt hat: "Jan Frei". So tauchen in der Ausstellung auch Kinderbilder auf. Ungewöhnlich ist die Ausstellung noch aus einem anderen Grund: Mit 126 Bildern ist es die bislang umfangreichste in der Geschichte der Galerie Kunstwerkstatt.

Anja Grafe-Friedrich: Architektur-Aquarelle aus aller Welt. Vernissage am Freitag, 13. April, um 19 Uhr in der Galeriekunstwerkstatt Karlsfeld. Öffnungszeiten Samstag und Sonntag, 14./15. sowie 21./22. April von 14 bis 18 Uhr.

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